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      »Und wann, denkst du, wird sie uns das sagen?«

      »Ich habe nicht die geringste Ahnung, Alexa. Komm her.«

      Sie ging zu ihm, und er schloss sie in die Arme. Lange standen sie so, ohne sich zu rühren. Endlich murmelte sie: »Danke, Henning, dass du mir gesagt hast, was du denkst. Ich hoffe, du hast Recht.«

      Statt einer Antwort küsste er sie.

      *

      »Sie spricht Französisch«, sagte Anna.

      Christian grinste. »Ich bin nicht taub, Anna, das höre ich selbst.«

      Sie waren in den Ställen gewesen und hatten soeben Bettina entdeckt, die mit einem Handy am Ohr auf einer der Bänke im Park saß.

      Sie liefen langsam auf sie zu und hörten sie sagen: »Non, non, ne t’inquiète pas, ils sont bien. Personne …« Sie sah Anna und Christian auf sich zukommen, murmelte noch etwas, das die beiden nicht verstehen konnten und beendete das Gespräch.

      »Sie hat gesagt: Beunruhige dich nicht, es geht ihnen gut«, raunte Anna ihrem Cousin zu.

      Christian blieb stehen. »Ich habe schon ein Jahr länger Französisch als du, Anna!«

      Bettina beendete ihr Gespräch. »Streitet ihr etwa?«, fragte sie.

      »Nee«, antwortete Christian, »aber Anna meinte, sie müsste mir übersetzen, was du gerade gesagt hast – dabei habe ich das selbst verstanden.«

      »Was habe ich denn gesagt?« Bettinas Stimme klang ein wenig erschrocken.

      »Du hast gesagt: ›Beunruhige dich nicht, es geht ihnen gut.‹ Das stimmt doch, oder?«

      »Ja, das stimmt«, antwortete Bettina und stand auf. »Wollen wir zurückgehen?«

      Die beiden nickten. Christian wusste, dass Anna die Frage auf der Zunge lag, ob Bettina mit dem Vater von Miriam und Paul gesprochen hatte, denn das hätte er selbst auch gern gewusst. Aber eine innere Stimme sagte ihm, dass sie diese Frage nicht stellen durften, und so warf er Anna beschwörende Blicke zu.

      Sie nickte zum Zeichen, dass sie ihn verstanden hatte.

      Bettina wirkte nervös, und Chris­tian musste daran denken, dass sie sich schon vorher, im Salon, ein wenig seltsam benommen hatte. Als die Rede davon gewesen war, dass sie mit den Zwillingen häufiger nach Sternberg kommen sollte, hatte sie zwar genickt, aber den Blick gesenkt und sich auf die Lippen gebissen. Und dieses französische Gespräch eben – sie hatte unglücklich und besorgt ausgesehen. Allmählich begann das Geheimnis, das sie um den Vater ihrer Kinder machte, auch ihn zu interessierten. Er hatte das deutliche Gefühl, dass etwas nicht stimmte.

      Eine Viertelstunde später saß er mit Anna in deren Zimmer, und seine Cousine sprach aus, was er selbst dachte: »Da stimmt was nicht. Mit Tina und den Zwillingen, Chris.«

      »Der Gedanke ist mir auch schon gekommen«, gestand er. »Aber ich weiß nicht, in welcher Hinsicht.«

      »Na, es hat mit dem Vater zu tun!«, erklärte Anna im Brustton der Überzeugung. »Das ist doch völlig klar.«

      »Ich weiß nicht«, murmelte Chris­tian.

      »Sie redet nicht über ihn, niemand weiß, wer er ist – und er ist nicht bei ihr«, sagte Anna. »Irgendwas ist mit dem Vater, da könnte ich wetten. Er hätte doch sonst einfach mitkommen können.«

      »Vielleicht sind sie schon nicht mehr zusammen«, meinte Christian. »Das kommt ja vor.«

      »Wie eine Frau, die Liebeskummer hat, wirkt Tina aber eigentlich nicht«, widersprach Anna. »Und wenn sie mit ihm noch telefoniert …«

      »Du weißt nicht, ob das Miriams und Pauls Vater war«, hielt Christian ihr entgegen.

      »Du meinst, wir kriegen nicht raus, was da los ist?«

      »Wenn sie uns nichts erzählt, kriegen wir nichts raus. Wir wollen ja nicht aufdringlich sein und sie mit Fragen nerven, oder? Es gibt genug Leute, die sich plötzlich auffällig für sie und ihre Kinder interessieren.«

      »Das stimmt«, gab Anna zu. »Denk bloß an die grässliche Gräfin, die scheinheilige alte …« Sie verschluckte das Schimpfwort, das sie auf der Zunge gehabt hatte. »Und was machen wir jetzt?«

      »Nichts«, antwortete Christian nach kurzem Nachdenken. »Vielleicht entdecken wir durch Zufall etwas.«

      Er ahnte nicht, wie bald das tatsächlich der Fall sein würde.

      *

      Konstantin lächelte, als Schloss Sternberg in Sicht kam. Es thronte majestätisch auf seinem Hügel und schien hoheitsvoll auf die Umgebung herunterzusehen. Gleich darauf verschwand es wieder für eine Weile aus dem Blickfeld. Wenn er es das nächste Mal würde sehen können, war er ihm schon relativ nahe.

      Er freute sich sehr auf die Tage, die vor ihm lagen – und das lag vor allem an dem bevorstehenden Wiedersehen mit Bettina von Rabenfels. Zugleich war er auch ein wenig beunruhigt. Wenn sie keinen Wert auf seine Gesellschaft legte oder sie sogar unangenehm fand, konnte es natürlich schwierig werden. Aber sie hatten sich gut miteinander unterhalten können, und daran ließ sich hoffentlich anknüpfen. Vermutlich hatte sie eine Verabredung mit ihm nur deshalb abgelehnt, weil sie bereits wusste, dass sie nach Sternberg fahren würde …

      Es gelang ihm nicht, seine Gedanken zu ordnen. So ging es ihm immer, wenn er über Bettina von Rabenfels nachdachte. Sie hatte ihn in ihren Bann geschlagen – und verwirrt. Verzaubert, dachte er.

      Das Schloss erhob sich vor ihm, er erschrak beinahe, dass er ihm schon so nahe gekommen war. Er drosselte das Tempo und fuhr gleich darauf auf den Schlossplatz, wo er den Wagen unter einer alten Linde abstellte. Als er sich dem Hauptportal näherte, wurde es bereits von innen geöffnet. »Willkommen auf Schloss Sternberg, Herr von Klawen«, sagte Eberhard Hagedorn. »Sie werden bereits erwartet.«

      »Guten Tag, Herr Hagedorn. Sie glauben gar nicht, wie ich mich freue, wieder einmal hier zu sein.«

      »Und das Wetter ist auch auf Ihrer Seite – ich hoffe, Sie haben einen angenehmen und erholsamen Aufenthalt bei uns. Um Ihr Gepäck kümmere ich mich gleich. Wenn Sie mir auf die Terrasse folgen wollen? Die Herrschaften sitzen draußen.«

      Der alte Butler führte ihn durch die großzügige Eingangshalle und durch einen der Salons auf die Terrasse, wo sich Baron Friedrich sofort zu seiner Begrüßung erhob. »Da bist du ja, Konstantin«, sagte er und umarmte den jungen Mann herzlich.

      Sofia bekam zur Begrüßung auf jede Wange einen Kuss, dann nahm Konstantin Platz. Außer dem Ehepaar war niemand anwesend, was Konstantin nicht unrecht war – so konnte er sich innerlich besser auf die bevorstehende Begegnung mit der jungen Frau einstellen, in die er sich so überraschend verliebt hatte.

      »Schön, dass du gekommen bist«, sagte Sofia. »Erzähl uns von deinem neuen Buch, Konstantin.«

      Das tat er gern, und während er sprach, beruhigte er sich endlich. Er war hier bei Freunden, ihm konnte nichts passieren.

      Doch kaum hatte sich sein Puls normalisiert und schlug ihm das Herz nicht mehr bis zum Hals, als er Gelächter und Stimmen hörte. Dazu ein Geräusch, das er nicht sofort einordnen konnte. Eine Art vergnügtes Quietschen.

      »Habt ihr Kinder hier?«, fragte er verwundert.

      Die Baronin lachte. »Und was für welche, du wirst staunen! Wir sind alle ganz verliebt in Miriam und Paul.«

      Er kam nicht mehr dazu, weitere Fragen zu stellen, denn in diesem Augenblick betraten Bettina von Rabenfels, Anna und Christian die Terrasse. Bettina und Anna trugen je ein schwarzes Baby auf dem Arm – eins davon lachte Konstantin fröhlich an und stieß ein paar Laute aus, die offenbar so eine Art Willkommensgruß darstellten.

      »Das ist Miriam«, erklärte die Baronin. »Sie ist eine kleine Draufgängerin, während ihr Bruder Paul ein wenig schüchtern ist.«

      Konstantin war zur Begrüßung

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