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ihr langes Silbergewand zierlich zusammennehmend, in die Kapelle; der Kutscher nahm seinen Hut ab und stellte ihn neben sich auf den Bock, um die fromme Muße auch zu einem Vaterunser zu benutzen, und Heinrich trat verlegen unter die offene Tür. Das Innere der Kapelle zeigte nichts als einen wurmstichigen Altar, bedeckt mit einer verblichenen veilchenblauen Decke. Das Altarbild enthielt einen Englischen Gruß, und vor demselben stand noch ein kleines Marienbildchen in einem starren Reifröckchen von Seide und Metallflittern in allen Farben. Rings um den Altar hingen geopferte Herzen von Wachs, in allen Größen und auf die mannigfaltigste Weise verziert; im einen stak ein Papierblümchen, im andern eine Flamme von Rauschgold, das dritte durchbohrte ein Pfeil, wieder ein anderes war ganz in rote Seidenläppchen gewickelt und mit Goldfaden umwunden, eines war gar mit großen Stecknadeln besteckt, wie ein Nadelkissen, wohl zum Zeichen der schmerzvollen Pein seiner Spenderin.

      Auf den Bänken aber lagen zahlreiche Abdrücke eines Gebetes, das auf Pappe gezogen auch an der Tür hing und folgende Überschrift trug Gebet zur allerlieblichsten, allerseligsten und allerhoffnungsreichsten heiligen Jungfrau Maria, der gnadenreichen und hilfespendenden Fürbitterin Mutter Gottes. Approbiert und zum wirksamen Gebrauche empfohlen für bedrängte weibliche Herzen durch den hochwürdigsten Herrn Bischof usf.

      Dazu war noch eine Gebrauchsanweisung gefügt, wie viele Ave und andere Sprüche dazwischen zu beten seien.

      Agnes lag auf den Knien vor dem Altar, und den Rosenkranz, den sie aus dem Busen gezogen, um die Hände gebunden, betete sie leise, aber inbrünstig, das Gebet vor sich auf dem Boden. Wenn sie einige Worte abgelesen hatte, so schaute sie flehend auf zu dem Marienpüppchen und bat die göttliche Frau mit heiligem Ernst, ihr beizustehen in ihrer Bedrängnis und in ihrem Vorhaben.

      Endlich stand sie mit einem großen Seufzer auf und ging nach dem Weihkessel, in welchen sie ihre weißen Finger tauchte. Da sah sie Heinrich in die Tür gelehnt, wie er sie unverwandt betrachtete, und an seiner Haltung sah sie, daß er ein Ketzer sei. Ängstlich tauchte sie den vorhandenen Wedel tief in den Kessel, eilte damit auf Heinrich zu, wusch ihm förmlich das Gesicht und besprengte ihn über und über mit Wasser, indem sie mit dem Wedel unaufhörliche Kreuze schlug. Nachdem sie so die schädliche Einwirkung seiner Ketzerei auf ihre Andacht gebannt, ergriff sie beruhigter seinen Arm und ließ sich wieder in die Kutsche heben.

      Heinrich zog sein Taschentuch und trocknete sich das Gesicht, welches von Weihwasser troff; Agnes wollte ihn daran verhindern und zog ihm das Tuch weg, und indem sie so in einen Streit gerieten, der zuletzt zum mutwilligen Scherz wurde, vergaßen sie ganz, daß sie bereits an dem Garten Rosaliens angekommen waren.

      Die zahlreiche Gesellschaft, welche schon in dem Landhause versammelt war, begrüßte die liebliche Erscheinung mit lauter Freude. Rosalie hatte außer den Künstlern und den Damen von gestern noch mehrere ihrer Verwandten und Freunde holen lassen, welche sich nun in sonntäglicher moderner Kleidung unter die Vermummten mischten, wovon die Gesellschaft ein zufälliges und leichtes Ansehen gewann. Rosalie selbst, um ihren Pflichten als Wirtin besser nachzukommen, zeigte sich in einfacher häuslicher Tracht, welcher sie auf das anmutvollste einigen heitern Schmuck beigefügt hatte.

      Als Agnes Ferdinand in seinem fremdartigen und fast weiblichen Schmucke erblickte, blieb sie einen Augenblick offenen Mundes stehen und geriet in eine verwirrte Berauschung, da er zärtlich auf sie zueilte, Heinrich für seine Mühe dankte und mit voller Aufmerksamkeit für sie besorgt war. Erst nach und nach kam sie wieder zum Bewußtsein, wachte nun auf in froher Hoffnung und ging, indem es ihr wie ein Stein vom Herzen fiel, in eine blühende Fröhlichkeit über. Sie fing an zu zwitschern, wie ein Vögelchen im Frühling, und schaute vergnügt um sich; denn sie sah nun wirklich Ferdinand neben sich sitzen und hörte seine vertraute Stimme in artigen Worten, die er an sie richtete.

      Das kleine, schön gebaute Haus war mit Gästen angefüllt. In dem mäßigen Saale und den wohnlichen Zimmern brannte lockendes Kaminfeuer, indessen die Sonne wärmend durch die Fenster schien und auf dem Garten lag, so daß man durch die offenen Glastüren aus und ein ging. Überall blühten Hyazinthen und Tulpen, und das Treibhaus, welches im schönsten Flore stand, war zwischen seinen grünen Gebüschen mit gedeckten Tischchen versehen. Einige Musiker waren bestellt, und man tanzte in dem Saale, jedoch ohne Hast und ohne Zeremonien, sondern behaglich und abwechselnd. Es war anmutig zu sehen, wie ein Teil der Gesellschaft zierlich und fröhlich tanzte, während ein anderer Teil sich in Spielen und Erfindungen erging in Haus und Garten, indessen ein dritter sich im traulichen Zimmer in weitem Ringe um den runden Tisch reihte und die Champagnergläser hob. Die Wirtin war so unermüdlich und liebenswürdig, daß der Fremdeste sich bald zu Hause fühlte. Jedem wußte sie durch einen einzigen Blick, durch ein Wort oder eine Frage dies Gefühl zu geben, und diejenigen jungen Leute, welche aus dürftiger Dachkammer herabgestiegen, nur durch ihr Faschingsgewand in diese Räume der Wohlhabenheit und Zierlichkeit geführt und wenig an die Gebräuche der sogenannten guten Gesellschaft gewöhnt waren, richteten sich nichtsdestominder mit großer Unbefangenheit an ihren Trinktischen ein, und Rosalie schien geehrt und erfreut zu sein durch das treuherzige Schenkeleben, welches sie mit Maß und Sitte zur Schau stellten.

      Dadurch gewann sie sich die Herzen aller Anwesenden, so daß sich alle mehr oder weniger in sie verliebten. Sie war sozusagen die Frau von Gottes Gnaden, deren Anmut Wohlwollen und Trost ausstrahlte und allgemeines Wohlwollen erntete, und indem in ihrer Umgebung jeder einzelne bei ihrem Anblick des Glaubens wurde, daß sie ihm besonders freundlich sei, so begnügte er sich mit diesem Gefühle, und sie sah sich von der Bescheidenheit und Sitte aller umgeben.

      Nur Ferdinand verhärtete sich immer mehr in seiner Leidenschaft. Er hatte sein Benehmen gegen Agnes nur geändert, um ihren Wert und ihre Schönheit erst recht an das Licht zu stellen, zu zeigen, welch ein seltenes Wesen er so gut wie in der Hand hätte, wie dieses ihn aber ganz unberührt lasse, ja, wie er sie ganz und gar nur als ein liebliches Kind betrachte, welches neben der gereiften Schönheit Rosaliens nicht in Rede kommen könne. Er hatte auch mit großer Feinheit seine Rolle gespielt, so daß niemand deren Falschheit bemerkte als Rosalie und Agnes selbst, welche bald nach ihrer ersten Freude die alte Weise Ferdinands erkannte und darüber tödlich erschrak.

      Rosalien war seine veränderte kokette Tracht aufgefallen, und sie fühlte sich dadurch beleidigt; auch hatte sie von Erikson, soviel dieser davon wußte, sein Verhältnis zu Agnes erfahren und war erst willens, durch ein kluges Verfahren dem jungen seltsamen Mädchen, das ihr wohlgefiel, zu seinem Rechte zu verhelfen und Ferdinand in Güte zu ihr hinzulenken. Im Verlauf des Tages sah sie aber ein, daß er kein Glück sei für ein so naives Kind und daß sie mit gutem Gewissen nicht in dessen Geschick eingreifen dürfe, und sie entschloß sich, den selbstsüchtigen Untreuen seinen Weg gehen zu lassen und ihn auf ihre Weise zu bestrafen.

      Als er daher Agnes, nachdem er sie der Obhut Heinrichs übergeben, plötzlich wieder verließ und begann, seine Bewerbungen um Rosalien fortzusetzen, empfing sie ihn mit alter Freundlichkeit, und als er sie auf Schritt und Tritt begleitete, hörte sie ihn holdselig an und tat, als ob sie weder dies noch die mißbilligende Verwunderung der Gesellschaft bemerkte.

      In einem Seitengemache gefiel sich eine gewählte Gesellschaft darin, in den glänzenden Fabelgewändern ruhig eine Partie Whist zu spielen. Rosalie und Ferdinand traten ein, um sich hier umzusehen, und beteiligten sich am Spiele. Er benutzte dasselbe, um allerlei Galanterien zu begehen und ungestört eine Weile ihr gegenüberzusitzen. Sie lächelte ihm zu und hielt gut mit ihm zusammen. Als die Partie geendet, ergriff sie die Karten und bat die Spieler und andere, welche in der Nähe waren und welche alle aus vermöglichen Personen bestanden, eine kleine Rede von ihr anzuhören.

      »Ich habe mich«, sagte sie, »bisher arg gegen die Kunst versündigt und, trotzdem daß ich mit Glücksgütern gesegnet bin, soviel wie nichts für sie getan; ich bin um so tiefer beschämt, als ich durch dieses Fest die sinnige, treuliche Lebenslust empfinden gelernt habe, welche in den Künstlern ist und von ihnen ausgeht, und ich möchte einen bessern Anfang machen und wünsche in meiner Dankbarkeit, daß heute in meinem Hause, welches durch die fröhliche Anwesenheit so vieler Künstler geehrt wird, etwas Gutes geschähe und daß ich, was, wie ich glaube, für die rechte Kunstbeförderung ebenso notwendig ist, auch andere veranlasse, etwas Gutes zu tun. Ich sehe unter meinen Gästen so manches junge Bürschchen mit glänzenden Augen,

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