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Während in den Logenreihen die wohlhabendere und gebildete Hälfte der Stadt in vollem Schmucke versammelt harrte, den königlichen Hof in der Mitte, waren die Seitensäle und Gänge dicht angefüllt von den sich ordnenden Künstlerscharen. Hier wogte es hundertfarbig und schimmernd durcheinander. Jeder war für sich eine inhaltvolle Erscheinung, und indem er selber etwas Rechtem gleichsah, betrachtete er freudig den Nächsten, welcher, durch die schöne Tracht gänzlich umgewandelt, nun ebenfalls so vorteilhaft und kräftig erschien, wie man es gar nicht in ihm gesucht hätte.

      Allen klopfte das Herz vor froher Erwartung, und doch hielten sie sich ruhig und gemessen, wie Leute, welche fühlten, daß ihnen eine schönere äußere Erscheinung für das ganze Leben gebührte und nicht bloß für eine Nacht.

      Seltsame Zeit, wo die Menschen, wenn sie sich freudig erheben wollen, das Gewand der Vergangenheit anziehen müssen, um nur anständig zu erscheinen! Und allerdings ist es ein prickliges Gefühl, zu wissen, daß die Nachkommen unsere jetzige Tracht nur etwa hervorziehen werden, um sich im Spotte zu ergehen, wie wir dies jetzo mit derjenigen des achtzehnten Jahrhunderts tun, welches sich selbst doch so wohl gefiel. Und wir können uns nicht anders rächen, als indem wir, wie öfter geschieht, die verborgene Zukunft in mutmaßenden Zerrbildern lächerlich machen und zum voraus beschimpfen! Wann wird wieder eine Zeit kommen, wo wir uns um die eigene Achse drehen und uns in eigener Gegenwart genügen?

      Nun öffneten sich endlich die Türen, und die Trompeter und Pauker, welche klangvoll erschienen, verbargen in ihrer Breite den hinter ihnen anschwellenden Zug, so daß man ungeduldig harrte, bis sie weiter vorgeschritten und der reichen Entfaltung Raum gaben. Ihnen folgten zwei Zugführer mit dem alten Wappen von Nürnberg, dem Jungfernadler auf den weißen und roten Wappenröcken, und hinter ihnen schritt schlank und zierlich einher, in dieselben Farben gekleidet, aber mit einem mächtigen Laubkranze auf dem Kopfe, der Zunftführer, welcher der stattlichen Zunft der Meistersänger voranging mit seinem goldenen Stabe. Alle bekränzt, ging jetzt die gute Schar der nürnbergischen Meistersänger daher mit ihrer Spruchtafel, die Jugend, in welcher noch das abenteuernde Wanderblut wallte, voran in kurzer Tracht mit der Zither auf dem Rücken; dann aber folgten die Alten, um den ehrwürdigen Hans Sachs gesellet; dieser stellte sich dar in dunkelfarbigem Pelzmantel, ehrbar und stattlich wie ein wohlgelungenes Leben und doch mit dem Sonnenschein ewiger Jugend um das weiße Haupt. Das junge Weib mit voller Brust und rundem Leib, wie Goethe sang, hatte ihm gezeigt:

      »Der Menschen wunderliches Weben,

      Ihr Wirren, Suchen, Stoßen und Treiben,

      Schieben, Reißen, Drängen und Reiben,

      Wie kunterbunt die Wirtschaft tollert,

      Der Ameishauf durcheinander kollert! –

      Unter dem Himmel allerlei Wesen,

      Wie ihr’s möcht in sein’n Schriften lesen.«

      Welcher auch das alte Weiblein zu ihm gleiten sah:

      »Man nennet sie Historia,

      Mythologia, Fabula.

      Sie ist rumpfet, strumpfet, bucklet und krumb,

      Aber eben ehrwürdig darumb« –

      auch welcher tat einen Narren spüren

      »mit Bocks- und Affensprüngen hofiren«;

      welchem endlich stieg

      »auf einer Wolke Saum

      Herein zu’s Oberfensters Raum

      Die Muse, heilig anzuschaun

      Wie ’n Bild unsrer lieben Fraun.

      Die umgibt ihn mit ihrer Klarheit,

      Immer kräftig wirkender Wahrheit.« –

      Und obgleich hier der Sängergreis ganz erschien, wie ihn sein wackerer Schüler Puschmann beschrieben:

      »In dem Saal stund unecket

      bedecket

      ein Tisch mit Seiden grün,

      am selben saß

      ein Alt Mann, was

      Grau und weiß, wie ein Taub dermaß,

      der hett ein’n großen Bart fürbas;

      in ein’m schönen großen Buch las

      mit Gold beschlagen schön«;

      so verstand der Darsteller doch sein Urbild so wohl, daß man ihm noch ansah, was Goethe wieder sang:

      »Ein holdes Mägdlein sitzend warten

      Am Bächlein beim Holunderstrauch;

      Mit abgesenktem Haupt und Aug

      Sitzt’s unter einem Apfelbaum

      Und spürt die Welt rings um sich kaum;

      Hat Rosen in ihr’n Schoß gepflückt

      Und bindet ein Kränzlein gar geschickt

      Mit hellen Knospen und Blättern drein.

      Für wen mag wohl das Kränzel sein? –

      – Wie er den schlanken Leib umfaßt,

      Von aller Müh er findet Rast;

      Wie er ins runde Ärmlein sinkt,

      Neue Lebenstäg und Kräfte trinkt. –

      – So wird die Liebe nimmer alt

      Und wird der Dichter nimmer kalt.« –

      So ging er jetzt im Schmucke des Alters und der Poesie daher, ein großes Buch tragend.

      Aber das bürgerliche Lied war dazumal so reich und überquellend, daß es mit jeder Meisterschaft unzertrennlich war und hauptsächlich auch unter dem Banner der nun folgenden Baderzunft hinter Schermesser und Bartbecken herging. Da war unter den kränzegeschmückten Gesellen Hans Rosenplüt, genannt der Schnepperer, der vielgewanderte Schalks-und Wappendichter, ein krummbuckliger munterer Gesell mit einer großen Klistierspritze im Arm. Mit langen Schritten folgte diesem der hochbeinige magere Hans Foltz von Worms, der berühmte Barbier und Dichter der Fastnachtsspiele und Schwänke und als solcher Genoß des Rosenplüt und Vorzünder des Hans Sachs. Zwei Bartscherer und ein Schuhmacher pflegten so das zarte Schoß des deutschen Theaters.

      Liederreich waren alle die alten Zünfte, die jetzt folgten in ihren bestimmten Farben an Kleid und Banner; die Schäffler und Brauer, die Metzger, welche in rotem und schwarzem, mit Fuchspelz verbrämten Zunftgewande höchst tüchtig aussahen, sowie die hechtgrauen und weißen Bäcker; die Wachszieher, lieblich in Grün, Rot und Weiß, und die berühmten Lebküchler, hellbraun mit Dunkelrot gekleidet; die unsterblichen Schuster, schwarz und grün, in die Farbe des Peches und der Hoffnung gehüllt; buntflickig die Schneider; die Damast- und Teppichwirker, bei welchen das Künstlichere den Anfang nahm und schon meisterliche Namen aufzeichnete; denn diese webten und wirkten die fürstlichen Teppiche und Tücher, mit denen die Häuser der großen Kaufherren und Patrizier angefüllt waren.

      Alle nun folgenden Zünfte waren angefüllt mit einer wahren Republik kraftvoller, erfindungsreicher und arbeittreuer Handwerks- und Kunstmänner. Die Tüchtigkeit teilte sich sowohl unter die Gesellen, welche manchen handlichen berühmten Burschen aufzuweisen hatten, als unter die Meister. Schon die Dreher zeigten den Meister Hieronymus Gärtner, welcher mit kindlich frommem Eifer aus einem Stücklein Holz eine Kirsche schnitzte, so zart, daß sie auf dem Stiele schwankte und die Fliege, welche auf ihr saß, mit den Flügeln wehte und auf den Füßen sich bewegte, wenn man daran hauchte – der aber zugleich ein erfahrener Meister und Errichter von Wasserwerken und kunstreichen Brunnen war.

      Unter den Hufschmieden, rot und schwarz gekleidet wie Feuer und Kohle, ging Meister Melchior, der die großen eisernen Schlangengeschütze aus freier Hand schmiedete; unter den Büchsenmachern der erfindungsreiche Geselle Hans Danner, welcher schon dazumal von den harten Metallen Späne trieb, als hätte er weiches Holz unter

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