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doch wohl der Mund geschlossen sein, und das Herz ihr klopfen gleich einem Schmiedehammer.

      Da streicht Marie mit beiden Händen ihre Schürze glatt, schiebt das Spinnrad von sich und ruft: »Was gebet Ihr mir, so geh’ ich jetzt auf der Stell’ und hol’ Euch zu jetziger Stund’ einen schwarzgebrannten Stein aus dem Backofen des wüsten Dorfes im Walde; und mit jedem Gespenst, so mir in den Weg kommt, mach’ ich einen Tanz.«

      Zwischen Grausen und Wunder blickten alle auf das schöne Mädchen, welches alle Mannspersonen auf dem Trautenstein durch ihren Mut beschämte. Die meisten haben anfangs ihr Wort für einen Scherz genommen, aber Marie ist dabei geblieben, ist aufgesprungen und hat gerufen: es sei ihr blutiger Ernst um ihr Wort und sie werde es auf der Stelle lösen, wenn man mit ihr wetten wolle.

      Da ist ein groß Hin-und Widerreden gewesen, und endlich ist man einig geworden, man wolle der Marie ein silbern Halskettlein geben für einen schwarzgebrannten Stein aus dem Backofen am wüsten Ort, geholt um Mitternacht, in der Geisterstunde.

      »Gut denn!« hat die Marie gesagt und dabei gelacht, daß ihre weißen Zähne wie Perlen geglänzt haben. Ein Tuch hat sie über den Kopf gebunden, und aus dem Hause ist sie gesprungen, über den Hof, über die Zugbrücke, welche damals noch vorhanden gewesen ist. Auf der Brücke hat die ganze Bevölkerung des Trautensteins, alt und jung, groß und klein, gestanden, und hat der verwegenen schönen Magd nachgeblickt, wie sie durch den Nebel und den Mondenschein über die Wiese auf den Wald zugesprungen ist. Die Männer haben sich ein wenig geärgert und geschämt, die Weiber haben gezittert, und einige haben gemeint: es sei ein großes Unrecht, daß man die Marie habe gehen lassen; man habe sie zurückhalten sollen.

      Aber Marie hat von alledem nichts vernommen, gradaus läuft sie wie ein Reh über die nebelige blinkende Wiese, und vor ihr steht der Vollmond, grade über dem Walde, und alle Wetterwolken haben sich vom Himmel verzogen. So kommt das Mädchen in den Wald, da tröpfelt es noch und klingt wieder wie die Tropfen niederfallen von Blatt zu Blatt. Hie und da schüttelt sich leicht ein Baum, als lache er leise in sich hinein, daß der Sturm mit langer Nase habe abziehen müssen. Aber der Marie fängt das Herz nun doch an zu pochen, wie der Hochwald dunkler, immer dunkler wird, je weiter sie ins Gebüsch vordringt. Jedes Fünklein Mondenlicht ist ihr wie ein rechter Gottestrost. Sie fängt, um sich Mut zu machen, an zu singen; das Lied vom »fahrenden Fräulein« hebt sie an, aber die Stimme, sonst so hell, erstickt ihr in der Kehle. Sie sagt wohl: dummes Zeug! aber drückt doch die Hand fest aufs Herz, um sein Klopfen zu mindern. So schreitet sie immer vorwärts, – immer vorwärts, bis der Wald sich lichtet, und der Mondenschein wieder die Oberhand über den Schatten kriegt. Gemäuer erhebt sich hie und da. Des Mädchens Fuß stößt an lose Steine, der schauerliche Ort ist erreicht. Dort lag die Kirche, dort das Gemeindehaus, dort war der Brunnen, in welchen man die armen Kinder hinabstürzte!

      Das Mädchen steht inmitten der unheimlichen Trümmer und blickt scheu um sich, um sich zu orientieren. Rechts von ihr erhebt sich der noch ziemlich wohl erhaltene Backofen des verwüsteten Dorfes. Das silberne Halskettlein zu gewinnen muß das Mädchen in die dunkle Öffnung desselben hineinkriechen.

      Sie zaudert und möchte umkehren und im vollen Schauder davon fliehen. Da gedenkt sie aber des Gelächters, welches sie dann auf dem Trautenstein bewillkommnen wird.

      Nein, nein, nein, sie sollen über die Marie nicht lachen! das brächte sie um!

      In die dunkle Höhlung schlüpft das Mädchen, – sie tastet, – sie löst einen Stein aus dem alten Gemäuer los, eben will sie wieder aus der feuchten kalten Wölbung vorkriechen, – da erschrickt sie heftig und fährt zusammen und lauscht. Alle die vernommenen Schreckensgeschichten werden urplötzlich lebendig in ihrer Seele.

      »Was war das? horch, horch … schütze mich Gott, horch, – da, da!«

      Das klingt wie der Hufschlag eines Pferdes – tap – tap – tap – tap.

      Schwindelnd hält sich Marie am Mauerwerk, ohne jedoch den eroberten Stein fallen zu lassen. Sie denkt: es ist doch wahr, was sie erzählen; sie denkt: das ist der Schwedenreiter, der Trompeter, welchen die vier Männer des verwüsteten Dorfes, die gerettet wurden, nach der Zerstörung betrunken unter den Trümmern gefunden haben, den sie an den Füßen aufgehängt und gräßlich zu Tode gepeinigt haben! Das ist der schwedische Trompeter, der in der Geisterstunde auf seinem Schimmel den wüsten Ort umreitet!

      Und unwiderstehlich zieht’s das zum Tode erschrockene Mädchen, daß es aus dem Dunkel vorlugen muß; und richtig zwischen den Baumstämmen jagt ein Schimmel heran; ein Reiter sitzt darauf und hält was Dunkles vor sich im Sattel.

      »Das ist der Trompeter!« denkt Marie und fährt zurück in die Höhlung des alten Gemäuers – aber da hört plötzlich der Hufschlag auf. Der gespenstische Reiter muß sein Roß angehalten haben.

      Richtig! – die Marie hatte nicht die Schürze vors Gesicht geschlagen, wie es hundert andere an ihrer Stelle gethan haben würden; – sie schaut vor aus ihrem Versteck, und zehn Schritte davon steht schnaubend das weiße Pferd, und ein hoher Mann in grüner Jägertracht mit einem Federhut, ein Mann, der Gold auf den Nähten seines Kleides und einen Hirschfänger an der Seite trägt, ist abgestiegen und hebt eine Frau vom Sattel herunter.

      Das Mondlicht fällt auf das wunderschöne, totenbleiche, angstverzerrte Gesicht dieser Frau, und eine lange goldene Flechte hat sich losgelöst im wilden Ritt und hängt über ihre Schulter.

      Nun sieht Marie wohl, daß es der Schwedenreiter nicht ist; aber ihr Schrecken vermindert sich darum nicht. Der Wald soll nicht dem Monde keusch ein süßes Geheimnis verbergen; – nein, die schöne, bleiche, fremde Frau wimmert so kläglich und wirft sich nieder in das nasse Gras und umfaßt die Knie des Mannes, wie in allerhöchster Angst. Sie fleht um Verzeihung, sie bittet um Gnade, um Barmherzigkeit, – um Gottes willen, um ihres Kindes willen, um ihrer Mutter willen.

      Die Zweige tröpfeln noch immer nach; sonst aber ist die Nacht so still, so ruhig geworden, daß das Mädchen vom Trautenstein, trotz ihrer eigenen Angst, den leisesten Klagelaut der Fremden vernimmt.

      Was wird das geben? was soll da geschehen?

      Nun knüpft der fremde Mann den Zaum des weißen Pferdes, welches ihn und die verzweifelnde schöne Frau hergetragen hat in die Wildnis zu dem wüsten Ort, an ein Bäumlein.

      Die Frau wimmert leise und ringt die Hände:

      »Ulrich, Ulrich, um unseres Kindes willen, Erbarmen, Erbarmen! Was willst Du thun, Ulrich, Ulrich!«

      »Kümmere Dich nicht um das Kind, Luise; bete, bete, Melander von Rhoda, Dein Buhle ist tot – bete, Luise, auch Dein Urteil ist gesprochen!«

      Das Weib lacht im Krampf des halben Wahnsinns; aber der schreckliche Mann zieht die Kniende in die Höhe, der Mond scheint ihr voll ins Gesicht, – o welche Augen hat sie gemacht!

      »Fort!« sagt der Mann. »Du wirst müde sein vom langen Ritt; fort, Du sollst nun Ruhe haben.«

      Auch er lacht, und die Marie erzittert darob bis ins tiefste Gebein.

      »Ulrich, Ulrich, Erbarmen!« fleht das Weib, aber der Mann faßt es um den Leib: »Fort!«

      Er zieht sie von dannen; sie schwankt, er stützt sie, ihr Haupt liegt auf seiner Schulter: man könnte sich vorstellen, ein seliges Liebespaar suche in dem Schatten des Waldes seine Wonne vor jedem Lichtstrahl zu verbergen. Aber im höchsten Entsetzen blickt ihnen Marie nach. Das unbekannte Paar wendet ihr den Rücken zu, – über den wüsten Ort führt der Mann das Weib; ihre Schatten fallen lang über das alte Gemäuer. Das weiße Roß sieht ihnen auch nach bis sie verschwunden sind, dann wiehert es, und mit einem wilden Schrei stürzt die Marie aus ihrem Versteck hervor, reißt den Zügel des Schimmels von dem Ast, halb bewußtlos schwingt sie sich in den Sattel – weit aus greift das Roß, durch den Wald jagt im wildesten Galopp das kühne Mädchen dem Trautenstein zu, ohne sich umzusehen, ohne den schwarzen Stein, nach welchem sie ausging, mitzubringen.

      Auf dem Trautenstein sitzen die Leute in Angst und Sorge um Marie. Allzulang für die Entfernung des wüsten Ortes bleibt sie aus. Die Männer sprechen bereits davon, auszuziehen und sie

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