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und wenn sie sprach, wirkte sie beinahe hübsch. Sir Thomas und Lady Bertram nahmen sie sehr gütig auf. Sir Thomas, der bemerkte, wie dringend sie der Ermutigung bedurfte, tat sein möglichstes, um sie aufzumuntern, doch sein strenges, gewichtiges Wesen war ihm dabei sehr hinderlich. Lady Bertram, die sich nicht halb soviel Mühe gab und auf zehn seiner Worte höchstens eines äußerte, schien dem kleinen Mädchen dank ihrem gutmütigen Lächeln von vornherein die weniger schreckeinflößende Gestalt zu sein.

      Die jungen Leute waren alle zu Hause und beteiligten sich sehr nett, mit viel Gutherzigkeit und Unbefangenheit an der Begrüßung, zumindest die beiden Söhne, die mit ihren sechzehn und siebzehn Jahren in den Augen der kleinen Cousine die ganze Erhabenheit erwachsener Männer besaßen. Verlegener wirkten die beiden Mädchen; als die Jüngeren empfanden sie mehr Scheu vor dem Vater, der sie bei diesem Anlaß recht ungeschickterweise durch längere Ansprachen auszeichnete, doch sie waren viel zu sehr an Gesellschaft und Bewunderung gewöhnt, um so etwas wie natürliche Schüchternheit zu besitzen. Der völlige Mangel an Selbstvertrauen ihrer kleinen Cousine erhöhte ihre eigene Zuversicht, so daß sie bald imstande waren, ihr Gesicht und ihr Kleid mit überlegener Gleichgültigkeit zu mustern.

      Sie waren eine schöne Familie: die Söhne groß und gutaussehend, die Töchter ausgesprochen hübsch, alle prächtig gewachsen und für ihr Alter sehr gut entwickelt, so daß die jungen Verwandten sich in ihrem Äußeren nicht weniger auffällig unterschieden als in der gesellschaftlichen Gewandtheit, die sie ihrer Erziehung verdankten. Niemand hätte geglaubt, daß zwischen den Mädchen ein so geringer Altersunterschied bestand. Zwischen der Jüngeren und Fanny lagen nicht mehr als zwei Jahre. Julia Bertram war erst zwölf Jahre alt, Maria ein Jahr älter. Und über all dem fühlte sich der kleine Gast so unglücklich wie nur möglich. Angstvoll und in quälender Verlegenheit, voller Sehnsucht nach dem Elternhaus, das sie gerade erst verlassen hatte, wagte sie nicht, den Blick aufzuheben, und vermochte kaum ein hörbares Wort herauszubringen, ohne daß ihr die Tränen kamen. Mrs. Norris hatte auf der ganzen Fahrt von Northampton auf sie eingeredet, welch ein erstaunliches Glück ihr widerfahren sei und daß sie an Dankbarkeit und Artigkeit niemals genug tun könne, um sich dieser märchenhaften Fügung würdig zu zeigen. Ihr Kummer wurde noch durch das Bewußtsein gesteigert, daß es schlecht und verwerflich von ihr sei, sich nicht glücklich zu fühlen. Auch die Müdigkeit nach der langen, langen Reise war kein geringes Übel. Vergeblich war Sir Thomas’ gutgemeinte Herablassung, vergeblich die aufdringlichen Versicherungen von Mrs. Norris, daß sie doch bestimmt ein artiges Mädchen sein würde; umsonst lächelte Lady Bertram ihr zu und ließ sie sogar neben sich und Mops auf dem Sofa sitzen; ja selbst der Anblick einer Stachelbeertorte vermochte ihr keinen Trost zu bringen. Sie konnte kaum zwei Bissen hinunterwürgen, ehe die Tränen sie wieder überwältigten, und so wurde sie schließlich zu Bett geschickt, um im Schlaf ihren Kummer zu vergessen.

      «Nun, das ist kein vielversprechender Anfang», bemerkte Mrs. Norris, sobald Fanny das Zimmer verlassen hatte. «Nach allem, was ich ihr unterwegs gesagt habe, hätte ich ein besseres Benehmen erwartet. Ich habe ihr erklärt, wieviel für sie davon abhängt, daß sie sich von Anfang an gut aufführt. Wir wollen nur hoffen, daß sie nicht bockig ist – ihre arme Mutter hatte einen sehr bockigen Charakter, aber mit einem Kind muß man nachsichtig sein – und ich weiß nicht, ob es tatsächlich gegen sie spricht, daß sie ungern ihr Elternhaus verläßt; mit all seinen Fehlern war es doch ihr Heim, und sie versteht noch nicht, was für einen guten Tausch sie gemacht hat. Immerhin darf man nichts übertreiben.»

      Es dauerte jedoch länger, als Mrs. Norris zu gestatten geneigt war, bis Fanny sich mit der Neuheit von Mansfield Park und der Trennung von allen, an denen sie hing, abfand. Ihr Schmerz war tief, und da niemand ihn verstand, geschah auch nichts, um ihn zu lindern. Niemand meinte es böse mit ihr, doch es rührte auch niemand einen Finger, um es ihr behaglicher zu machen.

      Der schulfreie Tag, der den Fräulein Bertrams eigens bewilligt wurde, damit sie sich in Muße mit ihrer Cousine bekannt machten, förderte die Freundschaft nur wenig. Nach der Entdeckung, daß Fanny nur zwei Schärpen besaß und niemals Französisch gelernt hatte, konnten sie nicht umhin, sie zu verachten; und als sie merkten, daß sie von dem Duett, das sie ihr liebenswürdigerweise vorspielten, sehr wenig beeindruckt war, blieb ihnen nichts übrig, als ihr großmütig ein paar unbeliebte Spielsachen zu schenken und sie sich selber zu überlassen, während sie ihrerseits sich der gerade im Schwange stehenden Lieblingsbeschäftigung zuwandten: künstliche Blumen verfertigen oder Goldpapier verwüsten.

      Ob in der Nähe ihrer Cousinen oder fern von ihnen, ob im Schulzimmer, im Salon, im Garten – Fanny fühlte sich überall verlassen und verloren. Jeder Ort und jede Person flößten ihr Angst ein. Sie war entmutigt durch Lady Bertrams Schweigsamkeit, verängstigt durch Sir Thomas’ strenge Miene und ganz überwältigt von Mrs. Norris’ ständigen Ermahnungen. Die Cousinen demütigten sie durch Bemerkungen über ihre Kleinheit und verspotteten ihre Schüchternheit. Miss Lee staunte über ihre Unwissenheit, und die Stubenmädchen kicherten beim Anblick ihrer Kleider. Und wenn sich zu diesen Kränkungen die Erinnerung an ihre Geschwister gesellte, unter denen sie als Spielgefährtin, Lehrerin und Wärterin immer eine so wichtige Rolle gespielt hatte, wollte ihr das Herz verzagen.

      Die Großartigkeit des Hauses beeindruckte sie, brachte ihr aber keinen Trost. Die Räume waren so groß und so hoch, daß sie sich nicht unbefangen darin bewegen konnte. Was sie berührte, fürchtete sie zu beschädigen. So schlich sie in ständiger Angst umher und verkroch sich oft in ihr eigenes Kämmerchen, um nach Herzenslust zu weinen. Das kleine Mädchen, über dessen unerhörtes Glück man sich abends, wenn es gute Nacht gesagt hatte, im Salon unterhielt, beschloß jeden kummervollen Tag damit, daß es sich in den Schlaf schluchzte. Auf diese Weise verging eine Woche, und ihr stilles, passives Wesen ließ nichts von ihrem Jammer ahnen, bis eines Morgens ihr Vetter Edmund, der jüngere der beiden Söhne, sie weinend auf der Treppe zum Dachboden kauern sah.

      «Mein liebes, kleines Cousinchen», sagte er mit der ganzen Freundlichkeit eines vortrefflichen Charakters, «was ist denn passiert?» Er setzte sich zu ihr und gab sich alle Mühe, ihre Beschämung, in dieser Lage überrascht zu werden, zu überwinden und sie zum Sprechen zu bringen. War sie krank? Hatte jemand sie gescholten? Oder hatte es mit Maria und Julia Streit gegeben? Vielleicht verstand sie ihre Aufgabe nicht, und er könnte es ihr erklären? Gab es nichts, was er ihr bringen oder für sie tun könnte? Lange Zeit brachte er nichts anderes aus ihr heraus als abgerissene Worte: «Nein, nein – wirklich nicht –, danke, nein …» Doch er ließ nicht locker, und kaum hatte er begonnen, von ihrem Elternhaus zu sprechen, als ihr heftiger werdendes Schluchzen ihm den Grund ihres Kummers verriet. Er versuchte, sie zu trösten.

      «Du bist traurig, weil du deine Mama verlassen mußtest, meine liebe, kleine Fanny», sagte er. «Das zeigt, daß du ein sehr liebes, gutes Mädchen bist. Aber denke daran, du bist hier bei deinen nächsten Verwandten, die dich liebhaben und glücklich machen möchten. Komm, gehen wir ein bißchen im Park spazieren. Du mußt mir von deinen Geschwistern erzählen.» Als er die Sache weiterverfolgte, entdeckte er, daß unter allen Geschwistern, an denen ihr kleines Herz hing, einer war, bei dem ihre Gedanken öfter als bei den übrigen weilten. Es war William, von dem sie immer wieder sprach und nach dem sie sich am meisten sehnte, William, der Älteste, ein Jahr älter als sie, ihr ständiger Gefährte und bester Freund, in jeder Not ihr Fürsprecher bei der Mutter (deren Liebling er war). William hätte nicht leiden wollen, daß sie wegginge – er hatte gesagt, es würde ihm bange nach ihr sein …

      «Aber William wird dir doch sicher schreiben?» – Ja, das hätte er versprochen, aber gesagt, sie müsse zuerst schreiben. – «Und wann schreibst du ihm?» Sie ließ den Kopf hängen und antwortete zögernd, sie wisse nicht – sie habe kein Papier …

      «Wenn das die ganze Schwierigkeit ist, werde ich dir Papier geben und alles, was du sonst brauchst, und du kannst schreiben, wann du Lust hast. Würde es dir Freude machen, ihm einen Brief zu schicken?»

      «O ja – sehr!»

      «Dann tun wir es gleich. Komm, gehen wir ins Frühstückszimmer, dort finden wir alles Nötige und bleiben ganz ungestört.»

      «Aber – wird der Brief auch zur Post kommen?» «Verlaß dich auf mich. Er wird mit allen anderen Briefen zusammen abgeschickt werden,

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