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      Er galt als Freund des Hauses, auch wenn es bei seinen Besuchen stets zu Wortgefechten zwischen ihm und der Hausherrin kam. Aber er nahm gern Lady Agathas Sticheleien in Kauf, da er deren unkonventionelle Art, vor allem aber Parkers Fähigkeiten im Umgang mit Kriminellen, ungemein schätzte.

      »Fällt es Ihnen nicht auch auf, Mister Parker, daß sich Mister McWarden stets zu einer bestimmten Zeit hier einfindet? Man könnte fast meinen, er wollte sich das Frühstück erschnorren, weil er sich als Beamter keins leisten kann!« bemerkte die Hausherrin spitz, während sie unwillkürlich schneller kaute.

      »Und diesmal bringe ich sogar noch jemand mit«, freute sich der Yard-Gewaltige und deutete auf einen hageren, grauhaarigen Mann mit verkniffen wirkenden Gesichtszügen, der sich bei dieser Ankündigung linkisch verbeugte und Lady Agatha zunickte.

      »Sie schrecken wirklich vor nichts zurück, um einer alten Frau den Appetit zu verderben«, beklagte sich die Hausherrin und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf.

      »Mylady liebt Diät, deshalb dieses spartanische Frühstück«, erläuterte McWarden seinem Begleiter spöttisch, während er den üppig gedeckten Tisch musterte.

      »Ach, tatsächlich?« staunte der Grauhaarige sichtlich verwirrt. Er wußte nicht recht, ob McWarden seine Bemerkung ernst meinte oder ihn auf den Arm nehmen wollte.

      Myladys Frühstückstisch sah aus, als wäre er für eine Großfamilie gedeckt. Es gab diverse Brotsorten, Platten mit Käse und Wurst, eine Silberschüssel mit gebackenen Nierchen, eine Wärmeplatte mit Bratwürsten, einen Holzteller mit schottischem Räucherlachs sowie einige Behältnisse mit Butter, Marmelade und Honig.

      Mylady beobachtete stirnrunzelnd, wie Parker bereits zwei weitere Gedecke auflegte und die Neuankömmlinge mit Kaffee versorgte. »Ich bin sicher, die beiden Herren haben bereits gefrühstückt, Mister Parker«, bemerkte sie, während sie nervös einige Platten näher zu sich heranzog.

      »Leider nicht, Mylady, deshalb nehmen wir Ihre Einladung dankend an«, freute sich McWarden und griff ungeniert zu.

      »Allmählich komme ich mir vor wie ein Wohlfahrtsinstitut«, mäkelte die Lady weiter, »Wenn ich mich nicht selbst einschränken würde, wäre ich längst ruiniert.«

      »Mylady steht kurz vor der Verarmung«, bemerkte der Chief-Superintendent zu seinem Begleiter, dem das alles sichtlich unangenehm war.

      »Nun übertreiben Sie nicht gleich wieder, ein Brötchen dürfen Sie sich ruhig nehmen«, gestattete Lady Agatha, während sie die Platte mit dem Räucherlachs nahm und davon aß.

      »Sie wollen diesen köstlichen Fisch doch nicht etwa allein verspeisen?« erkundigte sich McWarden ungeniert.

      »Sie wissen ihn doch nicht recht zu würdigen, mein Lieber«, gab sie genüßlich zurück. »Deshalb nehme ich ihn lieber zu mir. Ihr Magen ist doch wohl mehr die einfache Kost gewöhnt.«

      »Was soll denn das, Mister Parker?« fragte sie empört, als Parker mit einer neuen Platte Lachs erschien und diese McWarden hinhielt.

      »Mister Parker weiß eben, was mir guttut«, bemerkte McWarden und versorgte sich großzügig.

      »Sie können abräumen, Mister Parker, mir ist der Appetit vergangen«, erwiderte die Detektivin verärgert, während sie noch rasch einige Würstchen auf ihren Teller häufte.

      »Darf man Mylady dahingehend interpretieren, daß Mylady auch die frische Diät-Torte nicht mehr zu probieren gedenken,« erkundigte sich Parker mit glatter, ausdrucksloser Miene höflich.

      »Eine Diät-Torte? Was hat es damit auf sich?« fragte sie sofort, während ihre Zunge über die Lippen fuhr.

      »Man war so frei, eine Torte bei einem bekannten Konditor zu besorgen, der sich auf die Herstellung kontinentaler Backwerke spezialisiert hat, Mylady, Es handelt sich dabei um eine sogenannte Schwarzwälder Kirschtorte, die aus kalorienarmen Zutaten produziert wurde. Wenn Mylady allerdings darauf verzichten wollen, dann...«

      »Papperlapapp, Mister Parker. Wenn Sie sich schon soviel Mühe gegeben haben, will ich Sie nicht enttäuschen. Ich werde daher ein kleines Stück probieren«, unterbrach sie ihn. »Ich nehme allerdings nicht an, daß unsere Gäste Torte mögen ...«

      »Wir nehmen auch etwas davon, auch wir wollen Sie nicht enttäuschen«, meldete sich McWarden lächelnd zu Wort. »Sie dürfen uns jeweils ein großes Stück servieren, wir müssen nicht auf die Figur achten.«

      »Das sollten sie aber, nehmen sie sich an mir ein Beispiel.« Lady Agatha sah ihn strafend an und wollte noch etwas hinzufügen, wurde dann aber von ihrem Butler abgelenkt, der gerade mit der Torte hereinkam und diese auf den Tisch stellte.

      »Nun ja, das sieht ja recht verlockend aus, Mister Parker«, lobte sie, während sie gespannt beobachtete, wie er routiniert und formvollendet das Backwerk anschnitt.

      *

      »Selbstbeherrschung ist alles, Mister Parker, auch wenn ich kaum etwas zu mir genommen habe – Sie können jetzt abtragen«, erklärte sie später und lehnte sich zufrieden zurück.

      »Mylady waren mit der Torte zufrieden?« erkundigte sich der Butler höflich, während er die bescheidenen Reste abservierte.

      »Im Prinzip nicht schlecht«, räumte sie ein, »allerdings etwas trocken, fand ich.«

      Parker hatte den Wink verstanden und servierte bereits den Cognac.

      »Die Herren sind sicher im Dienst und dürfen deshalb nichts trinken«, hoffte Mylady, während sie nach ihrem Glas griff.

      »Ich trinke grundsätzlich im Dienst«, erklärte der Chief-Superintendent und nickte Parker dankend zu, als er ihm einen Cognacschwenker anbot.

      »Früher hätte es so etwas nicht gegeben«, reagierte Lady Agatha spitz. »Da hielten unsere Beamten noch etwas auf sich und ihre Prinzipien.«

      McWarden seufzte. »Diese Zeiten sind leider vorbei, Mylady. Prost!« Er hob seinen Schwenker und toastete ihr lächelnd zu.

      »Sind Sie eigentlich nur gekommen, um sich bei mir den Bauch vollzuschlagen und meinen teuren Cognac zu trinken?«

      Die Lady sah McWarden aufgebracht an.

      »Nicht nur, Mylady. Ehrlich gesagt geht es darum, daß man Ihre Hilfe braucht.«

      »Sie kommen also wieder mal ohne mich nicht aus«, freute sich Agatha Simpson. »Es hätte mich auch sehr gewundert, wenn es anders wäre. Wann haben Sie eigentlich das letzte Mal einen Fall allein gelöst?«

      »Eigentlich noch nie, das haben immer andere für mich getan«, gab der Chief-Superintendent lächelnd zurück. »Außerdem bin nicht ich es, der Ihre Hilfe sucht, ich soll Sie lediglich vermitteln.«

      »Ach, und für wen, mein Lieber? Für wen soll ich diesmal die Kastanien aus dem Feuer holen?« erkundigte sie sich und lächelte süffisant.

      »Ehrlich gesagt, Mylady, meine Dienststelle würde gern Ihre Hilfe in Anspruch nehmen«, meldete sich McWardens grauhaariger Begleiter zu Wort.

      »Sie vertreten welche Organisation, Sir,« fragte Parker höflich.

      »Einen Geheimdienst, der ein kleines Problem hat, bei dessen Lösung wir um Ihre Hilfe bitten«, murmelte der hagere Mann und sah Parker direkt in die Augen.

      »Was sehen Sie Mister Parker an, wenn Sie meine Hilfe brauchen?« mokierte sich Lady Agatha umgehend. »Überhaupt, was hat McWarden mit Ihnen zu tun?«

      »Man weiß, daß ich öfters hier im Haus zu Gast bin, Mylady, und bat mich, die Verbindung herzustellen, sozusagen ganz inoffiziell auf freundschaftlicher Basis. Man ist an höchster Stelle der Ansicht, daß nur Sie das anstehende Problem in den Griff bekommen können«, schmeichelte ihr McWarden, während er Parker ungeniert zublinzelte.

      »Nun ja, bei mir sind Sie tatsächlich an der richtigen Adresse, wenn Sie ein größeres Problem haben«, räumte die Detektivin großzügig ein und lächelte versonnen. »Ich habe in der Vergangenheit

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