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Max verließ den Hof, zusammen mit Benjamin Farber wollte er in die Stadt fahren. Als sie zum Doktorhaus zurückkehrten, warteten Josef Brinkmeier, Christel Brenner, die Hauserin Afra und Anna Stadler bereits auf sie. Der junge Landarzt wunderte sich über den Auflauf.

      »Wir haben uns Sorgen um dich gemacht, Max«, erklärte sein Vater. »Was ist denn bei den Farbers los?«

      »Noch nix. Und ich hoffe sehr, es bleibt so. Der Ben fährt mit mir zusammen nach Berchtesgaden, wir wollen herausfinden, wieso sein Bruder durchgedreht hat. Vielleicht erreichen wir dann etwas.«

      »Die Bank wird schon zu sein, wenn wir hinkommen. Soll ich net anrufen?« fragte Benjamin.

      »Ja, freilich. Daran habe ich net gedacht.«

      »Kann ich mitkommen?« Anna Stadler schaute Max ernst an. »Ich kann mich vielleicht irgendwie nützlich machen...«

      »Wenns’t magst, gern. Aber beim Farberhaus will ich dich nachher net sehen, Anna. Das kann gefährlich werden.«

      Wenig später fuhren sie zu dritt in die Stadt. Benjamin redete mit Anna, die möglichst viel über Christian Farber erfahren wollte. Dr. Brinkmeier hörte aufmerksam zu und stellte fest, daß Benjamins Bruder offenbar schon immer ein schwieriger Mensch gewesen war. Seit er geheiratet hatte, gab er sich wohl Mühe, sich zu bessern. Doch von Dauer war dieser Vorsatz leider nicht gewesen.

      »In den letzten Monaten ist es ganz schlimm. Ich weiß net, wieso. Die Moni sagt, es ist nix Besonderes passiert. Aber es muß doch einen Grund geben, daß der Christian sich wieder so zu seinem Nachteil verändert hat!«

      »Ist er vielleicht süchtig? Trinkt er oder nimmt Rauschgift? Das kann einen Menschen auch sehr verändern«, gab die junge Apothekerin zu bedenken.

      Doch Benjamin wußte davon nichts. »Er trinkt net mehr als andere. Früher ist er aufs Karteln ganz wild gewesen, aber das ist lange her. Ich glaub, er rührt lange keine Karten mehr an.«

      »Und wieso net? Ist doch eigentlich ein harmloses Hobby.«

      »Schon, aber er wollte nix mehr davon wissen.«

      Anna warf Max einen knappen Blick zu.

      »Vielleicht geht er heimlich ins Kasino, hat Schulden, ist deshalb im Druck. Wäre doch denkbar. Wenn einer sich immer beherrscht, braucht er einen Ausgleich. Und das Spielen ist eine weitverbreitete Sucht.«

      »Möglich wäre es«, gestand der Landarzt ihr zu. »Aber warten wir erst mal ab, was sein Chef uns zu sagen hat.«

      Josef Dirlinger war leicht ungehalten, weil er nach Feierabend noch in seinem Büro gewartet hatte. »Der Farber macht auch noch Ärger, wenn er entlassen ist«, merkte er unwillig an.

      Benjamin wurde hellhörig. »Haben Sie meinen Bruder entlassen?«

      »Ja, es ging nimmer anders. Ich habe heute erfahren, daß er zu allem anderen auch noch Geld unterschlagen hat. Da mußte ich handeln, so etwas kann ich nicht decken.«

      »Zu allem anderen? Bitte, Herr Dirlinger, sagen Sie uns doch, was Herr Farber sich alles hat zu Schulden kommen lassen. Wir fragen nicht aus Neugierde, sondern weil es hier womöglich um Leben oder Tod geht.«

      Der Bankchef wirkte skeptisch. »Ist das net übertrieben?«

      »Keineswegs. Herr Farber hat sich mit seiner Frau und seinen beiden kleinen Kindern im Haus verschanzt und droht damit, alle zu töten.«

      »Um Himmels willen.« Der Filialleiter wurde eine Spur blasser. »Aber im Grunde wundert mich das nicht, der Farber hat sich in letzter Zeit unmöglich benommen. Da mußte ja früher oder später der große Knall kommen.«

      »Was hat er getan? Welche Probleme gab es?« drängte Max.

      »Nun, es fing vor etwa einem halben Jahr an. Er war damals in der Kreditvergabe und hatte eigentlich immer gute Arbeit geleistet. Aber dann gab er mehreren Kunden Kredite, die nicht solvent waren. Ein Mann, der seine Arbeit gerade verloren hatte, borgte sich eine Summe, die wir nie wiedergesehen haben. Der Farber hätte das vorher merken müssen, aber offensichtlich hat er die Unterlagen nicht richtig geprüft. So ging das noch in zwei weiteren Fällen. Der Bank entstand erheblicher Schaden. Ich war deshalb gezwungen, ihn wieder an den Schalter zu versetzen. Zumal er sich nicht im geringsten einsichtig gezeigt hat; im Gegenteil. Er behauptete, betrogen worden zu sein. Angeblich hatten seine Kollegen die Unterlagen manipuliert, um ihm einen Fehler in die Schuhe zu schieben.«

      »Aber das stimmte nicht?«

      »Natürlich nicht! Ich bitte Sie, Herr Doktor Brinkmeier, für meine Mitarbeiter verbürge ich mich. Es gab weder ein Komplott gegen Farber, noch wurde er gemobbt, wie er ständig behauptet hat. Ich fürchte, der Mann hat psychische Probleme.«

      »Wieso haben Sie sich nicht darum gekümmert? Sie sollten Ihrer Fürsorgepflicht jedem Mitarbeiter gegenüber nachkommen, finde ich. Und Herr Farber hatte doch offensichtlich schon längere Zeit massive Probleme.«

      »Versuchen Sie bitte nicht, mir den Schwarzen Peter zuzuschieben«, murrte Dirlinger ungehalten. »Selbstverständlich habe ich versucht, ihm zu helfen. Immer wieder habe ich ihn darauf angesprochen, ihm angeboten, sich behandeln zu lassen. Schließlich ist es gerade in unserem Metier wichtig, zuverlässige Mitarbeiter zu haben. Aber er lehnte alles brüsk ab, was von mir kam. Er behauptete, ich wolle ihn los werden.«

      »Das alles klingt so, als leide Herr Farber unter Paranoia. Ich bin zwar kein Psychologe, aber seine Verhaltensweisen sind doch charakteristisch. Er fühlt sich ständig bedrängt, benachteiligt und in die Ecke gestellt. Auf der anderen Seite hat er sich unverhältnismäßig aufgespielt und seine Familie terrorisiert. Ich fürchte, du hattest recht, Ben; dein Bruder hätte schon länger in psychologische Behandlung gehört.«

      Josef Dirlinger fühlte sich wohl an der Ehre gepackt, denn er stellte nun klar: »Hätte Herr Farber nur ein Wort gesagt, sich an mich gewandt, ich hätte ihm ganz sicher nicht die Hilfe verweigert. Aber es war ja nicht an ihn heranzukommen.«

      »Sie sollten sich darüber jetzt keine Gedanken mehr machen, Herr Dirlinger, das ist Schnee von gestern. Daran können Sie doch nichts mehr ändern. Aber was Sie tun können, wäre, mit uns nach Wildenberg zu fahren. Wenn Sie Herrn Farber versichern, daß er noch eine Chance bekommt, daß sich doch noch alles zum Guten wenden kann, gibt er vielleicht auf und läßt seine Familie frei.«

      Dieser Vorschlag schien dem Filialleiter überhaupt nicht zu behagen. »Sie verlangen, daß ich mich wissentlich in Gefahr begebe und Herrn Farber dann auch noch anlüge? Ich glaube nicht, daß das eine gute Idee wäre.«

      »Aber für Sie wäre es nicht gefährlich. Und Sie retten damit vielleicht Monika und den Kindern das Leben!« hielt Anna Stadler ihm entgegen.

      »Es besteht schon eine gewisse Gefahr, das wollen wir nicht verschweigen«, stellte Max Brinkmeier richtig. »Trotzdem möchte ich Sie sehr bitten, uns zu begleiten. Verstehen Sie, Herr Dirlinger, wir suchen krampfhaft nach einer Möglichkeit, diese schlimme Sache zu beenden, ohne daß jemand zu Schaden kommt.«

      »Ja, mag sein. Aber auf mich dürfen Sie dabei nicht rechnen. Das ist mir nicht zuzumuten. Es tut mir leid, mehr kann ich nicht für Sie tun, meine Herrschaften.«

      »Langsam fange ich an, Christian zu begreifen«, murmelte Benjamin Farber, die sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten hatte. Ohne einen Gruß verließ er das Büro des Bankchefs, Anna und Max folgten ihm gleich darauf.

      »Das war ja wohl ein Schuß in den Ofen«, murrte der Bauer. »Was sollen wir jetzt machen? Wir sind so weit wie vorher.«

      Max war anderer Meinung. »Wir wissen jetzt wenigstens, warum dein Bruder ausgerastet ist. Und auch wenn dieser Dirlinger uns nicht begleiten will, können wir trotzdem versuchen, auf deinen Bruder einzuwirken. Kommt, beeilen wir uns. Ich habe das unbestimmte Gefühl, daß wir keine Zeit verlieren sollten...«

      *

      Schwester Mary klopfte an Dr. Bruckners Tür und trat ein, nachdem die junge Ärztin sie darum gebeten hatte. Die schwarze Nonne, die sich im Laufe der Jahre zu

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