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Abend kam allmählich, als der junge Mann Berchtesgaden verließ und sich auf den Rückweg nach Wildenberg machte. Er überlegte, was er tun sollte. Monika gegenüber schweigen, seine Kündigung und alles, was ihm nun blühte, für sich behalten?

      Nein, das wollte er nicht! Schließlich war auch seine Frau bis zu einem gewissen Grad an dem schuld, was heute geschehen war. Nie stand Monika hinter ihm, sie behandelte ihn wie ihren Feind. Er grinste kalt. Diesmal würde er ihr alles heimzahlen. Nun hatte er ja nichts mehr zu verlieren...

      Die junge Frau ahnte nicht, was ihr blühte. Monika wollte eben die Kinder zum Abendessen rufen, als ihr Mann ins Haus gestürmt kam. Sofort wußte sie, daß etwas Gravierendes passiert sein mußte. Christian war oft schlecht gelaunt und mürrisch. Aber jetzt starrte er sie so verwirrt an, daß sie einen ordentlichen Schreck bekam. Sie glaubte, er wäre betrunken, wich automatisch vor ihm zurück. Er packte sie bei den Schultern und herrschte sie an: »Wo sind die Kinder? Los, hol sie!«

      »Was ist denn los, was hast du?« Sie machte sich mit einem Ruck von ihm los. »Bist rauschig?«

      »Red keinen Schmarrn und hol die Kinder oder ich mache es! Aber dann kommen sie fei net unbeschadet hier unten an!«

      »Laß die Kinder endlich in Ruh’!« Monika wagte es zum ersten Mal, sich gegen ihren Mann zu stellen. Bislang war sie ein wehrloses Opfer gewesen, den Launen ihres Mannes ausgeliefert. Nun aber hatte Benjamin ihr Mut gemacht. Und sie wußte, daß es Menschen gab, die ihr helfen würden, wenn sie nur darum bat. Menschen wie Max Brinkmeier. Allein dieser Gedanke gab ihr die Kraft, Christians Attacken nicht mehr hilflos hinzunehmen.

      Der glotzte sie ungläubig an. »Was war das?« Er holte aus und wollte sie schlagen, aber sie wich zurück und schrie: »Hör endlich auf damit, oder ich verlasse dich! Ich mach das keinen Tag länger mit, hörst? Entweder läßt dich behandeln, oder es ist aus. Das ist doch kein Leben mehr!«

      Christian wurde nun erst recht wütend, denn mit einer solchen Reaktion hatte er nicht gerechnet. Er wollte auf seine Frau einschlagen, Monika machte kehrt und rannte zur Haustür. Sie spürte, wie ihr Mann nach ihr griff, und rief laut: »Hilfe, Ben, hilf uns, schnell!«

      Nun bekam Christian sie zu fassen. Sofort legte er ihr eine Hand auf den Mund und zerrte sie von der Haustür weg. Doch der Nachbar hatte ihre Hilferufe gehört und näherte sich bereits dem Haus. Da drehte der junge Mann durch. Er schleuderte Monika nach hinten, so daß sie benommen auf dem Boden liegen blieb, schloß blitzschnell die Haustür ab und legte noch den Riegel vor. Als Benjamin hereinkommen wollte, lachte sein Bruder dreckig.

      »Scher di, du Hundling! Hier kommt keiner mehr rein. Jetzt ist endgültig Schluß, ich laß mich nimmer länger von euch zum Narren halten. Jetzt wird abgerechnet!«

      Benjamin pochte gegen die Tür und rief immer wieder: »Mach sofort auf, laß mich eini! Christian, ich warn dich! Tu nix, was du hinterher bereuen mußt!«

      Monika kam langsam auf die Füße, als ihr Mann kurz verschwand. Sie taumelte zur Tür, konnte sie aber nicht öffnen. »Ben, hörst? Der Christian hat den Schlüssel. Ich fürcht’, er tut uns was an. Bitte, mach was. Er hat den Verstand verloren...«

      Der Bauer ballte die Hände zu Fäusten. Blitzschnell überlegte er, mahnte die junge Frau dann eindringlich: »Versuch, durch ein Fenster zu klettern, Moni, jetzt sofort! Du darfst net zögern, sonst ist es vielleicht zu spät. Sackerl Zement, wenn ich dir nur helfen könnte. Bitte, tu, was ich sage!«

      »Ich kann net. Die Kinder sind noch im Haus.« Sie fing an zu weinen. »Mein Gott, Ben, das ist das Ende...«

      »Reiß dich zusammen, bitte!« Er pochte mit der Faust gegen die Tür. »Moni, komm raus, klettere aus dem Küchenfenster, du mußt...« Er verstummte, als von drinnen Stimmen zu hören waren. Benjamin biß die Zähne zusammen, so hilflos hatte er sich noch nie in seinem Leben gefühlt. Er hörte die Kinder weinen und Monika, die entsetzt rief: »Er hat den alten Stutzen vom Vater. Jetzt kann uns keiner mehr helfen...«

      »Christian, mach die Tür auf! Wenn du der Moni oder den Kindern was tust, bring ich dich eigenhändig um«, drohte der Bauer außer sich vor Besorgnis.

      Doch sein Bruder reagierte gar nicht. Im Haus wurde es nun unnatürlich still. Benjamin Farber fragte sich, was dort vorging. Er konnte es sich nicht vorstellen, und das machte ihm fast noch mehr zu schaffen. Es dauerte nur ein paar Augenblicke, dann war dem Bauern klar, was er zu tun hatte: Er mußte auf der Stelle die Polizei verständigen und Hilfe holen. Wenn es nicht schon zu spät war...

      *

      Max Brinkmeier hatte eben die Sprechstunde beendet und wollte hinauf in seine Wohnung gehen, als Benjamin Farber ins Haus gerannt kam und fast mit dem Landarzt zusammenprallte. Dieser sah sofort, daß etwas passiert sein muß. Er stellte keine Fragen, hörte zu, wie der Bauer fahrig ausstieß: »Der Christian hat durchgedreht. Er hat Monika und die Kinder im Haus eingesperrt und läßt keinen rein. Und sie sagt, er hat den alten Stutzen vom Vater. Mein Gott, er wird sie noch alle umbringen!« Ein tiefer verzweifelter Schluchzer kam über die Lippen des hoch gewachsenen Landmannes, den sonst so leicht nichts erschüttern konnte. Dr. Brinkmeier legte ihm eine Hand auf die Schulter und bat: »Versuch dich zu entspannen, Ben. Ich komme mit. Hast schon die Polizei verständigt?«

      »Ja, ich war beim Anderl Stumpf. Er sagt, er braucht in so einem Fall Verstärkung. Aber ich fürchte, die Gendarmen werden den Christian nur noch wütender machen.«

      »Wir gehen hin«, entschied Max und verschwand noch einmal kurz in der Praxis, um seinen Notfallkoffer zu holen. Christel Brenner, die eben hatte heimgehen wollen, machte ein betroffenes Gesicht. »So weit hat es ja kommen müssen. Die arme Monika...«

      »Bitt’ schön, sag droben Bescheid, wo ich bin, Christel«, bat Max sie noch. »Ich muß sofort los.«

      »Viel Glück! Und gib auf dich acht, Doktor!«

      Auf dem Weg zum Haus der Farbers machte Benjamin sich die ganze Zeit Vorwürfe. »Ich hätte mich mehr kümmern müssen«, murmelte er verbissen. »Hätte ich die Moni nur dazu überredet, rüber zu mir zu ziehen. Dann wäre es nie soweit gekommen. Ich kenne den Christian schließlich, ich hätte es wissen müssen...«

      »Das bringt doch nix«, mahnte Dr. Brinkmeier ihn besonnen. »Wir müssen jetzt nachdenken, wie wir die Sache unblutig beenden können. Ob die Polizei das schafft, weiß ich net. Aber uns beide kennt dein Bruder, wir können womöglich was erreichen.«

      »Der Christian hat net mit sich reden lassen. Wenn wir was bewirken, dann höchstens mit einem Trick.«

      Max nickte. »Ich hoff’, uns fällt was ein...«

      Noch war die Polizei nicht eingetroffen, ein trügerischer Frieden lag über dem Erbhof und dem Nachbarhaus. Bei den Farbers waren nun alle Läden geschlossen. Der Landarzt machte seinem Begleiter ein Zeichen, am Hoftor auf ihn zu warten, dann ging er allein zur Haustür.

      »Hallo? Herr Farber, hören Sie mich? Ist da drinnen jemand verletzt? Hier ist Max Brinkmeier. Ich möchte Ihnen helfen!«

      Zunächst erfolgte keine Reaktion. Max versuchte es noch einmal, wieder nichts. In der Zwischenzeit waren zwei Streifenwagen aus Berchtesgaden eingetroffen. Noch hielten die Polizisten sich im Hintergrund. Aber Christian Farber hatte sie bereits bemerkt. Er schrie: »Schleicht’s euch, alle! Oder ihr werdet nur noch vier Leichen finden!«

      Dr. Brinkmeier zögerte kurz, dann entfernte er sich vom Haus, kehrte zum Hoftor zurück, wo auch Anderl Stumpf, der Dorfpolizist, mit einigen Kollegen stand.

      »Ich glaube, es hat so keinen Sinn«, sagte der Landarzt. »Wir sollten zuerst mal herausfinden, was passiert ist. Es muß ja einen Grund dafür geben, daß Herr Farber so völlig durchdreht.«

      »Er arbeitet in der Stadt, in der Sparkasse«, wußte der Bauer. »Vielleicht hat er da ja Ärger gehabt. Aber was soll das jetzt nützen?«

      »Ich weiß noch net.« Max wandte sich an den Dorfgendarmen. »Wenns’t mich fragst, Anderl, dann zieht ihr euch zurück. Ich glaub, er ist im Stande und tut, was er angedroht hat. Wenn wir ein bissel

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