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ihre seidenen Gewänder, und so warm und sternbesät wie die süßen Nächte, die sie schauernd genossen…. Das war ein unermeßlicher Zukunftstraum; aber bis in die Einzelheiten dachte sie ihn nicht aus. Ein Tag glich dem andern, wie im Meer eine Woge der andern gleicht, an Pracht und Herrlichkeit. Und diese Wogen fluteten fernhin bis in den Horizont, endlos, in leiser Bewegung, stahlblau und sonnenbeglänzt….

      Das Kind in der Wiege begann zu husten, und Bovary schnarchte laut. Emma schlief erst gegen Morgen ein, als das weiße Dämmerlicht an den Scheiben stand und Justin drüben die Läden der Apotheke öffnete.

      Emma hatte Lheureux kommen lassen und ihm gesagt:

      »Ich brauche einen Mantel, einen großen gefütterten Reisemantel mit einem breiten Kragen.«

      »Sie wollen verreisen?« fragte der Händler.

      »Nein, aber … das ist ja gleichgültig! Ich kann mich auf Sie verlassen? Nicht wahr? Und recht bald!«

      Lheureux machte einen Kratzfuß.

      »Und dann brauche ich noch einen Koffer … keinen zu schweren … einen handlichen…«

      »Schön! Schön! Ich weiß schon: zweiundneunzig zu fünfzig! Wie man sie jetzt meist hat!«

      »Und eine Handtasche für das Nachtzeug!«

      »Aha,« dachte der Händler, »sie hat sicher Krakeel gehabt!«

      »Da!« sagte Frau Bovary, indem sie ihre Taschenuhr aus dem Gürtel nestelte. »Nehmen Sie das! Machen Sie sich damit bezahlt!«

      Aber Lheureux sträubte sich dagegen. Das ginge nicht. Sie wäre doch eine so gute Kundin. Ob sie kein Vertrauen zu ihm habe? Was solle denn das? Doch sie bestand darauf, daß er wenigstens die Kette nähme.

      Er hatte sie bereits eingesackt und war schon draußen, da rief ihn Emma zurück.

      »Behalten Sie das Bestellte vorläufig bei sich! Und den Mantel …,« sie tat so, als ob sie sichs überlegte »… den bringen Sie auch nicht erst … oder noch besser: geben Sie mir die Adresse des Schneiders und sagen Sie ihm, der Mantel soll bei ihm zum Abholen bereitliegen.«

      Die Flucht sollte im kommenden Monat erfolgen. Emma sollte Yonville unter dem Vorwande verlassen, in Rouen Besorgungen zu machen. Rudolf sollte dort schon vorher die Plätze in der Post bestellen, Pässe besorgen und nach Paris schreiben, damit das Gepäck gleich direkt bis Marseille befördert würde. In Marseille wollten sie sich eine Kalesche kaufen, und dann sollte die Reise ohne Aufenthalt weiter nach Genua gehen. Emmas Gepäck sollte Lheureux mit der Post wegbringen, ohne daß irgendwer Verdacht schöpfte. Bei allen diesen Vorbereitungen war von ihrem Kinde niemals die Rede. Rudolf vermied es, davon zu sprechen. »Sie denkt vielleicht nicht mehr daran«, sagte er sich.

      Er erbat sich zunächst zwei Wochen Frist, um seine Angelegenheiten zu ordnen; nach weiteren acht Tagen forderte er nochmals zwei Wochen Zeit. Hernach wurde er angeblich krank, sodann mußte er eine Reise machen. So verging der August, bis sie sich nach allen diesen Verzögerungen schließlich »unwiderruflich« auf Montag den 4. September einigten.

      Am Sonnabend vorher stellte sich Rudolf zeitiger denn gewöhnlich ein.

      »Ist alles bereit?« fragte sie ihn.

      »Ja «

      Sie machten einen Rundgang um die Beete und setzten sich dann auf den Rand der Gartenmauer.

      »Du bist verstimmt?« fragte Emma.

      »Nein. Warum auch?«

      Dabei sah er sie mit einem sonderbaren zärtlichen Blick an.

      »Vielleicht weil es nun fortgeht?« fragte sie. »Weil du Dinge, die dir lieb sind, verlassen sollst, dein ganzes jetziges Leben? Ich verstehe das wohl, wenn ich selber auch nichts derlei auf der Welt habe. Du bist mein alles! Und ebenso möchte ich dir alles sein, Familie und Vaterland. Ich will dich hegen und pflegen. Und dich lieben!«

      »Wie lieb du bist!« sagte er und zog sie an sein Herz.

      »Wirklich?« fragte sie in lachender Wollust. »Du liebst mich? Schwöre mirs!«

      »Ob ich dich liebe! Ob ich dich liebe! Ich bete dich an, Liebste!«

      Der Vollmond ging purpurrot auf, drüben über der Linie des flachen Horizonts, wie mitten in den Wiesen. Rasch stieg er hoch, und schon stand er hinter den Pappeln und schimmerte durch ihre Zweige, versteckt wie hinter einem löchrigen, schwarzen Vorhang. Und bald erschien er glänzend-weiß im klaren Raume des weiten Himmels. Er ward immer silberner, und nun rieselte seine Lichtflut auch unten im Bache über den Wellen in zahllosen funkelnden Sternen, wie ein Strom geschmolzener Diamanten.

      Ringsum leuchtete die laue lichte Sommernacht. Nur in den Wipfeln hingen dunkle Schatten.

      Mit halbgeschlossenen Augen atmete Emma in tiefen Zügen den kühlen Nachtwind ein. Sie sprachen beide nicht, ganz versunken und verloren in ihre Gedanken. Die Zärtlichkeit vergangener Tage ergriff von neuem ihre Herzen, unerschöpflich und schweigsam wie der dahinfließende Bach, lind und leise wie der Fliederduft. Die Erinnerung an das Einst war von Schatten durchwirkt, die verschwommener und wehmütiger waren als die der unbeweglichen Weiden, deren Umrisse aus den Gräsern wuchsen. Zuweilen raschelte auf seiner nächtlichen Jagd ein Tier durchs Gesträuch, ein Igel oder ein Wiesel, oder man hörte, wie ein reifer Pfirsich von selber zur Erde fiel.

      »Was für eine wunderbare Nacht!« sagte Rudolf.

      »Wir werden noch schönere erleben!« erwiderte Emma. Und wie zu sich selbst fuhr sie fort: »Ach, wie herrlich wird unsere Reise werden…. Aber warum ist mir das Herz so schwer? Warum wohl? Ist es die Angst vor dem Unbekannten … oder die Scheu, das Gewohnte zu verlassen … oder was ists? Ach, es ist das Übermaß von Glück! Ich bin zaghaft, nicht? Verzeih mir!«

      »Noch ist es Zeit!« rief er aus. »Überleg dirs! Wird es dich auch niemals reuen?«

      »Niemals!« beteuerte sie leidenschaftlich.

      Sie schmiegte sich an ihn.

      »Was könnte mir denn Schlimmes bevorstehen! Es gibt keine Wüste, kein Weltmeer, die ich mit dir zusammen nicht durchqueren würde! Je länger wir zusammen leben werden, um so inniger und vollkommener werden wir uns lieben! Keine Sorge, kein Hindernis wird uns mehr quälen! Wir werden allein sein und eins immerdar…. Sprich doch! Antworte mir!«

      Er antwortete wie ein Uhrwerk in gleichen Zwischenräumen:

      »Ja … ja … ja!«

      Sie strich mit den Händen durch sein Haar und flüsterte wie ein kleines Kind unter großen rollenden Tränen immer wieder:

      »Rudolf … Rudolf … ach, Rudolf … mein lieber guter Rudolf….«

      Es schlug Mitternacht.

      »Mitternacht!« sagte sie. »Nun heißt es: morgen! Nur noch ein Tag!«

      Er stand auf und schickte sich an zu gehen. Und als ob diese Gebärde ein Symbol ihrer Flucht sei, wurde Emma mit einem Male fröhlich.

      »Hast du die Pässe?« fragte sie.

      »Ja.«

      »Hast du nichts vergessen?«

      »Nein.«

      »Weißt du das genau?«

      »Ganz genau!«

      »Nicht wahr, du erwartest mich im Provencer Hof? Mittags?«

      Er nickte.

      »Also morgen auf Wiedersehen!« sagte Emma mit einem letzten Kusse.

      Er ging, und sie sah ihm nach.

      Er blickte sich nicht um. Da lief sie ihm nach bis an den Bachrand und rief durch die Weiden hindurch:

      »Auf morgen!«

      Er war schon drüben auf dem andern Ufer und eilte den Pfad durch die Wiesen hin. Nach einer Weile blieb er stehen. Als er sah, wie ihr weißes Kleid allmählich im Schatten verschwand

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