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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 40. Roy Palmer
Читать онлайн.Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 40
Год выпуска 0
isbn 9783954392971
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Bookwire
Hasard schlug einem Piraten die leergeschossene Pistole aus der Faust. Der Kerl hatte sie als Wurfgeschoß benutzen wollen. Jetzt zückte er seinen breitklingigen Schiffshauer. Hasard konterte mit dem Degen. Im Nu entstand ein erbitterter Zweikampf.
Der Mann mit dem Schiffshauer hatte ein schmales Gesicht mit rötlichbrauner Haut. Der Blick seiner Augen war stechend. Unter seinem sichelförmig nach unten gezwirbelten Schnurrbart zeichneten sich dünne, grausame Lippen ab. Er trug ein am Bund zusammengeknotetes Hemd und eine halb zerfetzte Hose, weiter nichts. Sein dichter Haarschopf wurde vom Wind zerzaust. Er brüllte den anderen Piraten Befehle zu – auf französisch. Hasard verstand kaum ein Wort. Aber er wußte jetzt, daß dieser schnauzbärtige Bursche der Anführer der Schaluppenbesatzung war.
Zu spät erkannten die letzten Piraten, auf was für ein Satansschiff sie geraten waren. Gewiß, sie hatten es weitergebracht als ihre Kumpane von den beiden anderen Schaluppen. Sie hatten geentert. Aber ihr Wunsch, sich wie die Furien über Deck zu arbeiten und Leichen zu säen, erfüllte sich nicht. Plötzlich sahen sich die Piraten einer total entfesselten, vernichtend auf sie eindreschenden Schar verwegenster Gestalten gegenüber.
Da waren zwei Männer mit Hakenprothesen – Matt Davies und Jeff Bowie. Matt trug seinen Eisenhaken an Stelle der rechten Hand. Bei Jeff ersetzte der scharfgeschliffene Armersatz die linke Hand, aber er konnte inzwischen genausogut damit kämpfen wie Matt. Die Haken pfiffen wie Sicheln durch die Luft und fanden reichlich Widerstand. Matt hieb einem Piraten, der ihm seinen Säbel in den Leib rammen wollte, den Haken in den Mund, riß ihn an sich vorüber und ließ ihn mit dem Kopf gegen den Besanmast knallen. Jeff spaltete einem Feind den Schädel, wie man einen Holzklotz in zwei Hälften zerlegt.
Die Piraten schrien auf, als Batuti mitten unter sie sprang und die Zähne fletschte. Er rollte mit den Augen, stieß die wüstesten Laute aus und schoß einem Kerl aus nächster Nähe einen Pfeil in die Brust. Arwenack sprang einem Mann mit nacktem Oberkörper mitten ins Gesicht, hieb kreischend und zeternd auf ihn ein und traf Anstalten, ihn regelrecht zu skalpieren.
Und dann all die anderen Männer, und ihnen voran jener schwarzhaarige, degenschwingende Teufel mit den eisblauen Augen! Die Piraten begriffen, welch entsetzlichen Fehler sie begangen hatten. Sie hatten die Crew im Nahkampf gründlich unterschätzt. Jetzt wurde ihnen die Rechnung präsentiert. Einige wollten flüchten, andere kapitulieren. Aber es war zu spät, Kompromisse einzugehen.
Philip Hasard Killigrews Männer hatten die Karibik satt bis obenhin. Ihre aufgestaute Wut entlud sich in diesem Kampf. Und der Seewolf hielt sie nicht zurück. Dieses Mal gab es keine Gefangenen. Schon oft hatte ihm das nichts als Verdruß eingebracht, zuletzt mit den Sträflingen von der gestrandeten Galeone.
Und Panfilo de Retortilla? Hatte jener Sklavenaufseher und Schinder, den er vor dem sicheren Tod gerettet hatte, nicht beinahe ein paar Männer seiner Crew umgebracht?
Und Caligu? Warum hatte er jenen Hundesohn nicht gleich, vor der Küste von Grand Cayman, aus dem Weg geräumt? Er hatte sich darauf beschränkt, dessen beide Schiffe zu versenken – und hatte Lehrgeld bezahlt. Caligu hatte ihn gejagt, hatte die Tortuga-Piraten zusammengerottet und ihm die Schlacht in der Windward-Passage geliefert.
Bittere Erfahrungen, für die der schnauzbärtige Piratenführer in diesem Augenblick mitbezahlen mußte. Hasard täuschte ihn durch ein paar Finten und lockte ihn zu sich heran. Er ging ein paarmal zurück, ließ ihn dann auflaufen – und führte eine glänzende Parade. Unter seinen Degenhieben zerbrach die Verteidigung des Todfeindes. Die Klingen prallten klirrend zusammen und drohten sich zu verhaken. Hasard vollführte eine blitzschnelle Bewegung, und der Schiffshauer des Piratenanführers flog zur Seite. Arwenack hob ihn auf und trug ihn keckernd davon.
Hasard zögerte nicht.
Er stach dem Piraten ins Herz, zog die Klinge rasch wieder heraus und sah zu, wie der Mann in die Knie sank. Seine Lippen öffneten sich, als wollte er noch etwas sagen. Statt dessen brach ein Schwall Blut über seine Lippen. Er kippte vornüber und blieb bäuchlings auf den Planken liegen.
Der Seewolf blickte sich um. Stille war eingetreten. Seine Männer standen inmitten des blutigen Durcheinanders. Schwer atmend richteten sie sich über Leichen auf, grinsten sich plötzlich zu, klopften sich auf die Schultern. Einige hatten Schnitt- oder Prellwunden oder andere kleine Blessuren davongetragen. Aber niemand war ernsthaft verletzt.
„Kutscher“, sagte Hasard. „Du versorgst die Verwundeten. Zum Auswaschen und Reinigen der Kratzer nimmst du puren Rum. Den kann man sowohl von außen als auch von innen anwenden, verstanden?“
„Aye, aye, Sir.“ Der Kutscher lachte, und die anderen fielen ein.
Hasard enterte mit Ben, Ferris und Karl von Hutten auf die Piratenschaluppe ab. Ringsum schien die See zu kochen. Grauweiße Leiber hoben sich aus den Fluten hervor; tummelten sich, hielten furchtbare Mahlzeit.
Selbst die Haie spielen verrückt, dachte der Seewolf. Er bemerkte mit einem Seitenblick, daß Karl von Hutten ein wenig blaß geworden war.
„Über uns können sich die verdammten Haie nicht beklagen“, sagte Ferris Tucker. „Wir liefern ihnen genügend Nahrung. Hoffentlich erinnern sie sich daran, wenn mal wieder einer von uns ins Wasser fällt.“
„Du bist ein Witzbold“, sagte von Hutten.
Sie durchsuchten die Schaluppe. Hasard machte sich keine großen Hoffnungen, Gold, Silber oder anderes wertvolles Gut zu finden. Und so war es auch: Die Piraten hatten keinerlei Beute an Bord mitgeführt. Nur Waffen und Munition ließen sich sicherstellen.
Nachdem Hasard den Fund nach oben hatte mannen lassen, gab er Ferris einen Wink. Der rothaarige Riese wußte sofort Bescheid. Er nickte nur knapp. Es bedurfte da keiner großen Worte, schließlich hatte er schon bei anderen, ähnlichen Gelegenheiten seine Kenntnisse als Schiffszimmermann angewandt.
Die Schaluppe hatte keinen Nutzen für sie, sie konnte versenkt werden. Ferris Tucker bohrte ihren Boden an, danach ging er als letzter von Bord. Wasser trat gurgelnd durch die Bohrlöcher und füllte den Innenraum der Schaluppe.
Der Seewolf war auf das Achterdeck der „Isabella V.“ zurückgekehrt. Gerade warfen die Männer die letzten Leichen außenbords. Hasards Blick suchte die mächtige Gestalt Edwin Carberrys und fand sie auf dem Quarterdeck.
„Profos! Ich will, daß die Decks blitzblank gescheuert werden. Teil ein paar Männer zum Aufklaren ein.“
„Aye, aye, Sir!“
„Ben!“
„Sir?“
„Wir gehen wieder auf Ostkurs und segeln weiter an der Küste Hispaniolas entlang.“
Hasard stand am Backbordschanzkleid des Achterdecks, als die Crew die Segel wieder setzte. Der Wind hatte etwas gedreht und fiel jetzt von Süden ein. Die Segel der „Isabella“ mußten getrimmt werden, sie segelte über Backbordbug. Hasard warf einen prüfenden Blick in die Takelage, hatte nichts zu beanstanden und drehte sich nach achtern.
Das Seewasser hatte inzwischen bereits die Reling der Schaluppe erreicht, überspülte sie und ließ die letzten Konturen des Schiffsrumpfes in den Fluten versinken. Zuletzt ragte nur noch der Mast mit dem Großsegel und der durchlöcherten Fock auf. Er war der letzte Zeuge der kurzen, furiosen Schlacht. Wie ein Mahnmal schien er weitere Angreifer davor warnen zu wollen, sich auf die Fährte des Seewolfes zu setzen und ihm seine Beute abjagen zu wollen.
Hasard wandte sich um. Er stieg über den Niedergang auf das Quarterdeck und dann auf die Kuhl hinunter, um nach den Verletzten zu schauen. Der Kutscher betätigte sich fleißig als Feldscher.