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Schaluppe getroffen haben. Sie war ohnehin schwer angeschlagen und hatte sich fast ganz auf die Seite gelegt. Als jetzt aber noch griechisches Feuer auf sie zuraste und auf ihr Deck niederging, als gleich darauf eine Stichflamme hochzuckte und danach eine zweite, größere Flamme himmelan stach, da wußte der Seewolf, was sich ereignet hatte. Es hatte eine Art Kettenreaktion gegeben.

      Das griechische Feuer hatte die Pulverladung der Stabkugel gezündet. Funken waren bis ins Munitionsdepot gesprüht und hatten es in die Luft gejagt. Jetzt riß es die Schaluppe ein Stück aus dem Wasser hoch, fetzte sie auseinander und verstreute die wirbelnden Trümmer in alle Himmelsrichtungen. Es waren nicht nur Holz- und Eisenteile, die da flogen. Es befanden sich auch menschliche Gliedmaßen darunter. Ein einziger, vielstimmiger Schrei, der sich unter den dumpfen Schlag der Explosion gemengt hatte, war jetzt verstummt. Wen es buchstäblich auseinanderriß, der konnte nicht mehr schreien.

      Stab- und Kettenkugeln, griechisches Feuer und Kastenkugeln – mit Musketenkugeln geladene Zinnbüchsen – deckten auch die zweite Schaluppe vollends ein und setzten ihr Deck und die Takelung in Brand. Im Nu war das Rigg vernichtet.

      Nichts hielt die Überlebenden des Massakers an Deck. Sie sprangen ins Wasser. Die blutigen Leichenteile in der See lockten die Haie an, doch es bestand immer noch die Chance, sich vor ihren Mäulern auf die Insel La Vache zu retten.

      Erste dreieckige Rückenflossen zeigten sich in der See. Sie glitten nicht sonderlich hastig auf die treibenden Menschenreste von der ersten Schaluppe zu. Sie fielen darüber her und gewährten dem kleinen Resthäufchen Piraten von der zweiten Schaluppe die Möglichkeit, schwimmend auf die Insel zu gelangen.

      Blacky nickte. „Falls sie es schaffen, die Hunde, können sie sich auf dem Eiland mit den verfluchten Sträflingen herumschlagen. Die Kerle von der dritten Schaluppe kümmern sich jedenfalls nicht um ihre Kameraden.“

      Die dritte Schaluppe hatte sich durch zwei, drei Kreuzschläge gegen den Südostwind aus der Gefahrenzone gebracht und schlich sich jetzt an das Heck der „Isabella“ heran. Ihre Besatzung wollte das Durcheinander ausnutzen. Und wirklich, die Crew der „Isabella“ wurde für eine Weile durch die grausigen Vorgänge drüben vor der Insel abgelenkt.

      „Aus dem Landgang wird nichts“, sagte Matt Davies bissig. „Seht doch.“

      Die Zahl der Haie vergrößerte sich fast schwunghaft. Einige der blutrünstigen Mörder schwammen jetzt den Überlebenden von Floß und Piratenschaluppe nach – und plötzlich gellte ein fürchterlicher Schrei zur Galeone herüber. Dan O’Flynn oben in seinem Großmars schüttelte sich unwillkürlich. Er sah allzu genau durch den Kieker, was geschah. Einer der Schwimmenden war nach unten in die Fluten hinabgerissen worden. Dort, wo er eben noch zu sehen gewesen war, färbte sich das Wasser dunkel.

      Neben einem anderen Mann klaffte plötzlich ein mit spitzen Zähnen bewehrtes Maul auf. Dan verfolgte, wie dem schreienden Mann der Arm abgebissen wurde, und wie sich der Hai dann regelrecht über ihm auszustülpen schien.

      „Mein Gott“, murmelte Dan O’Flynn.

      Arwenack, der Schimpansenjunge, hockte neben ihm auf der Segeltuchverkleidung des Großmarses und hielt sich mit beiden Händen die Augen zu.

      Philip Hasard Killigrew stand unterdessen mit leicht abgewinkelten Beinen auf dem Achterdeck hinter seiner Drehbasse.

      „Ben“, sagte er. „Wir begehen einen Riesenfehler, wenn wir die Kerle der dritten Schaluppe unterschätzen. Die stecken nicht auf. Die wollen sich anpirschen und uns übertölpeln. Himmel und Hölle, Bootsmann Brighton, reiß die Augen auf!“

      „Aye, aye, Sir!“

      Sie richteten ihre Geschütze auf die schlanke Silhouette der Schaluppe. Hasard justierte die Waffe in der drehbaren Gabellafette immer wieder neu. Er folgte der beständigen Auf- und Abbewegung des Feindschiffes in den Wogen, fand schließlich die Zielposition und stellte seine Waffe fest.

      „Klar bei Kartuschen!“ rief der Seewolf.

      „Aye, aye, Sir!“ Ben Brighton und die anderen vier Geschützführer auf dem Achterdeck, darunter Karl von Hutten und Jean Ribault, feuerten ihre Drehbassen fast zur selben Zeit mit dem Seewolf ab. Ohrenbetäubender Lärm erfüllte das Achterdeck der „Isabella“ und stieg an dem Segel des Besanmastes auf. Die Kugeln hagelten auf die Schaluppe zu, und der Seewolf beobachtete scharf, was geschah.

      Seine Kugel riß dem Feindschiff ein Stück vom Bugspriet weg, als es gerade den Bug hochreckte. Hasard fluchte, denn seine Kugel strich haarscharf an der Fock und am Mast vorbei und verschwand irgendwo nutzlos in den Fluten. Die übrigen Geschosse räumten ein paar Piraten von Deck ab, richteten aber auch nichts Entscheidendes aus. Vielleicht lag es daran, daß Hasard und seine Männer beim Zielen von der Sonne geblendet wurden, vielleicht handelte es sich auch nur um einen dummen Zufall. Jedenfalls hielt die Schaluppe weiterhin mit ungebremster Fahrt auf sie zu.

      Hasard erkannte: ihm blieb weder die Zeit, die Drehbassen nachzuladen, noch die Galeone herumzunehmen und eine der Breitseiten auf die Freibeuter abzufeuern. Es war zu spät. Die Schaluppe schob sich heran. Sie war ein gestochen scharfer Schattenriß vor dem Morgenhimmel, schnell und wendig. Im Verhältnis zur „Isabella“ nahm sie sich geradezu lächerlich klein aus. Doch es waren nicht mehr die Proportionen, die den Verlauf der Dinge bestimmten. Es war die Hurtigkeit. Die Schaluppe hatte das Feuer unterlaufen und verbuchte einen entscheidenden Trumpf für sich.

      „Sie entern!“ rief der Seewolf.

      2.

      Die Schaluppe näherte sich gespenstisch schnell dem Heck der „Isabella“, strich sehr nahe an der prunkvoll verzierten Galerie vorbei und ging längsseits. Die Piraten hatten die Backbordseite als für ihr Manöver ideal ausersehen – und jetzt flogen die Enterhaken. Sie wirbelten zwischen dem steil aufragenden Mast der Schaluppe und der Bordwand der Galeone fast bis zum Schanzkleid hoch.

      Einige kehrten nach unten zurück, andere aber krallten sich mit spitzen Eisendornen an den Berghölzern und anderen Vorsprüngen im Schiffsrumpf fest. Ein Johlen brandete von Bord des Piratenschiffes zu Hasard und seinen Männern hoch.

      Die Schaluppe klebte wie ein Egel am Leib der Galeone. Die Piraten brüllten, heulten, fluchten und enterten katzengewandt auf.

      Die Männer des Seewolfes hatten sich auf Achterdeck und Quarterdeck versammelt und standen mit Musketen, Pistolen, Hieb- und Stichwaffen bereit, die Piraten gebührend zu empfangen. Batuti nahm einen Pfeil aus dem Köcher und spannte seinen Bogen. Auch Dan O’Flynn hatte seinen luftigen Posten verlassen. Und sogar Arwenack turnte auf Rüsten und Webeleinen der Besanwanten herum und hielt ein paar Kokosnußschalen bereit.

      Hasard beugte sich blitzschnell nach außenbords, legte auf einen der Piraten an und drückte ab. Seine zweischüssige sächsische Reiterpistole blaffte los und zerhieb einem der Angreifer das Gesicht. Die Piraten schrien vor Wut.

      Hasard betätigte den zweiten Abzug. Das Radschloß lief schnurrend ab. Der zwischen die Hahnlippen gespannte Schwefelkies rieb sich an dem gezahnten Rädchen, versprühte Funken und zündete die Ladung. Wieder traf der Seewolf, wieder schlug sich ein Gegner die Hände gegen das blutige Gesicht, ließ seinen Halt los und kippte nach unten weg.

      Die Piraten schossen zurück.

      Der Seewolf zog den Kopf ein. Doch jetzt traten seine Männer in Aktion. Musketen- und Pistolenläufe schoben sich über das Schanzkleid und überschütteten die Feinde mit Kugeln, gehacktem Blei und Eisen. Der Aufruhr unter den Piraten war groß, aber dennoch ließen sie sich nicht vollends in die Flucht schlagen.

      Tote und Schwerverletzte stürzten in die Fluten oder prallten hart auf das Deck der Schaluppe zurück. Aber es gelang einigen, das Schanzkleid der „Isabella“ zu erklimmen.

      Arwenack sah einen Kerl, wie er sich an den Webeleinen des Besanmastes aufrichtete. Er feuerte eine halbe Kokosnußschale auf ihn ab. Das Geschoß saß. Es gab einen hohlen Laut, und der Kerl taumelte. Batuti ließ seinen Pfeil von der Bogensehne surren. Der Pfeil bohrte sich in die Brust des Gegners. Röchelnd taumelte der

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