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würde es vielleicht Monate dauern, bis neue Ärzte kommen. Das kann ich nicht verantworten.«

      Mary schaute die Medizinerin offen an. »Sie sollten ehrlich sein«, mahnte sie. »Die Verpflichtung ist eines. Aber die Angst, sich zu sehr an einen anderen Menschen zu binden, etwas ganz anderes. Bevor ich dem Orden beigetreten bin, hatte ich einen Freund. Ich hing sehr an ihn, wollte ihn gerne heiraten. Es war schon alles ausgemacht zwischen unseren Eltern. Dann erfuhr ich, daß er schon verheiratet war, mit einer anderen. Sie lebte in der Stadt, und er glaubte, das ginge schon in Ordnung.«

      »Sind Sie deshalb dem Orden beigetreten? Wegen dieser großen Enttäuschung?« fragte Julia mitfühlend.

      Schwester Mary schüttelte aber zu ihrem Erstaunen den Kopf. »Nein, ich wollte den Jungen immer noch heiraten, denn ich hatte ihn sehr lieb. Mein Herz hing zu sehr an ihm, es wollte alles verzeihen. Es flehte und bettelte um seine Liebe. Da habe ich begriffen, daß es nicht gut ist, einen anderen Menschen zu sehr zu lieben. Im Orden habe ich inneren Frieden gefunden. Ich liebe jetzt alle Menschen, doch nicht mehr aus egoistischen Gründen.«

      »Sie verstehen Ihre Mitmenschen gut, Mary. Ich habe auch Angst davor, jemanden zu sehr zu lieben. Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich noch ein Kind war. Das hat mich geprägt.«

      »Aber vielleicht sollten Sie auch versuchen, sich davon frei zu machen. Wenn der Doktor Ihre Liebe verdient, dann folgen Sie ihm. Nur dann können Sie glücklich werden.«

      *

      Alois Burgmüller schaute Anna Stadler zufrieden an. Er hatte es endlich geschafft, sie mal zum Abendessen einzuladen, in ein nobles Restaurant in Berchtesgaden. Und er hatte den Eindruck, daß ihr dieser Abend durchaus gefallen hatte.

      »Sag, Annerl, wollen wir das net öfter machen?« fragte er und legte seine große Hand auf ihre schmale. Sie entzog ihm ihre Rechte langsam aber bestimmt und stellte klar: »Ich bin nur mit dir ausgegangen, um noch einmal auf dich einzuwirken, Alois. Dein Sohn ist unglücklich, die Lisa leidet. Und der ganze Ort lacht über deine lächerliche Feindschaft mit dem Fellner. Kannst denn net endlich vernünftig werden und...«

      »Das ist ja net zu fassen«, regte Alois sich da auf. »Du bist nur hier, um mir ins Gewissen zu fahren? Ich fasse es net!«

      »Sei halt net beleidigt. Es war schon ein angenehmer Abend, das Essen köstlich und...«

      »Ober, die Rechnung!« Der Burgmüller machte sich nicht mehr die Mühe, den Schein zu wahren. Er war stinksauer, empfindlich getroffen in seinem männlichen Stolz. Auf der Rückfahrt nach Wildenberg redete er kaum ein Wort mit seiner Begleitung. Nur als er sie vor der Apotheke absetzte, beschwerte er sich: »So kannst mich net behandeln, Anna, bei aller Liebe. Du weißt, wie ich zu dir steh. Aber dein Depp bin ich net!« Damit rauschte er per Kavalierstart davon. Die junge Frau seufzte leise. Wie es schien, hatte sie ihren aufdringlichen Verehrer mal für eine Weile vergrault. Richtig freuen konnte sie sich darüber aber nicht, denn sie fühlte sich ziemlich gemein. Offenbar hatte sie Alois wirklich verletzt...

      Als der Bürgermeister wenig später heimkam, erwartete ihn ein Gast, mit dem er wirklich nicht gerechnet hatte.

      »Dominik, was willst so spät noch? Zum Beichten bin ich net in Stimmung«, knurrte er unwillig.

      Der Geistliche lächelte nachsichtig. »Ich will dich net lang aufhalten, hatte ein Gespräch mit deinem Sohn.«

      »Wenn du mir jetzt auch noch mit Vergeben und Vergessen kommst, platzt mir der Kragen«, warnte Alois.

      »Ich wollte dich bitten, das Projekt mit den Ferienhäusern aufzugeben. Im Rat hast keine Mehrheit bekommen, du handelst dir nur Ärger ein. Sei halt vernünftig.«

      »Hat der Schorsch sich bei dir ausgeheult, ja?« Er lachte abfällig. »Kommt net in Frage! Ich baue die Ferienhäuser!«

      Hochwürden musterte sein Gegenüber nachdenklich. »Ist das wirklich dein letztes Wort?« Und da Alois eifrig nickte, seufzte Dominik Hirtner leise und meinte: »Wie du willst...«

      *

      »Ich weiß net, aber dein Vater hat mir allerweil was anderes verschrieben. Da, schau, ich hab noch ein Schachterl. Das hat gut gewirkt.« Xaver Gruber, Altbauer auf dem Gruberhof und seit Jahren vom Rheuma geplagt, hielt Max Brinkmeier eine zerknüllte Tablettenschachtel hin. Der junge Landarzt nickte.

      »Ja, das kenn ich. Wird aber nimmer produziert. Was ich dir aufgeschrieben hab, Gruber, hat den gleichen Wirkstoff. Es hat halt nur einen anderen Namen.«

      »So?« Der Altbauer wirkte überaus skeptisch. »Stimmt das auch? Schick mir halt mal den Doktor vorbei, der soll mir das sagen.«

      »Der Doktor bin jetzt ich. Wennst mir net glaubst, fragst bitt schön die Anna Stadler. Sie wird es dir erklären.«

      »Die Anna? Mei, das Madl spielt jetzt Apothekerin. Na, die kann mir viel erzählen. Ihr Vater, der wußte alles, dem hab ich vertraut. Aber die Anna...«

      »Mei, Vater, halt doch den Doktor net auf.« Das war Christel, seine resolute Schwiegertochter. Sie trat in die Stube und meinte: »Der Vater hat ein bisserl Schwierigkeiten mit den modernen Zeiten. Er kommt halt nimmer so mit. Geben Sie nur mir das Rezept, ich besorg es schon.«

      Max bedankte sich und verließ den Gruberhof am Dorfrand von Wildenberg. Er war der letzte auf seiner Liste der Hausbesuche gewesen. Mit einem leisen Seufzer machte der Mediziner sich auf den Rückweg zum Doktorhaus. Es war bereits dunkel geworden, ein rauher Wind fegte um die Hausecken. Der Herbst kam. Max dachte auf dem Heimweg über diesen Tag nach. Nun war er bereits seit einem Monat in Wildenberg, doch es gab noch immer eine stattliche Zahl von Patienten, die in ihm nur den Sohn des Landarztes sahen. Wie es schien, mußte er viel Geduld aufbringen, um dies zu ändern. Wieder einmal wanderten seine Gedanken nach Afrika. Er fragte sich nicht mehr, ob seine Entscheidung richtig gewesen war, denn das wußte er mittlerweile. Doch die Sehnsucht nach Julia machte ihm das Herz sehr schwer. Als Max die Rosenapotheke passierte, trat Anna Stadler nach draußen und begrüßte ihn freundlich.

      »Ach, gut, daß ich dich treffe. Hast kurz Zeit, Anna? Ich wollte noch was mit dir besprechen.«

      Sie nickte, wobei ihm das Aufleuchten ihrer Augen entging. »Komm nur rein. Eigentlich wollte ich gerade schließen. Magst noch ein Haferl Kaffee mit mir trinken?«

      Da sagte der Mediziner nicht nein. Nachdem Anna den Laden abgeschlossen hatte, folgte Max ihr in die Wohnung, die über der Apotheke lag. Er schaute sich interessiert um und stellte fest: »Hier hat sich ja vieles verändert. Recht freundlich und gemütlich hast du alles gemacht, Anna.«

      Sie goß Kaffee ein und bat ihn, sich zu setzen. In der geräumigen Küche gab es eine bequeme Eckbank und sogar einen traditionellen Herrgottswinkel. »Ich hab das meiste selbst gemacht, sonst wäre es zu teuer gekommen«, erzählte sie.

      »Ein Madl, das heimwerken kann? Respekt!«

      Sie stellte noch Butterkekse auf den Tisch und setzte sich dann zu ihrem Gast. Etwas Tadel klang aus ihrer Stimme, als sie ihn erinnerte: »Ich bin kein Madl mehr, die Zeiten sind vorbei.«

      »Na, so lange ist es auch wieder net her«, meinte Max charmant. Dann nahm er eine Liste aus seinem Arztkoffer und legte sie auf den Tisch. »Eine neue Bestellung, ich wollte dich bitten, mehr Homöopathika zu bevorraten.«

      »Aha.« Anna spürte die Enttäuschung in sich aufsteigen. Sie hatte geglaubt, Max wolle sie besuchen, doch er kam nur wieder geschäftlich. »Ich war eben noch bei der Lisa. Sie fürchtet sich arg vor morgen. Der Tobias will mit ihr zur Messe gehen, ganz offiziell.«

      Dr. Brinkmeier nickte und aß einen Keks. »Ich finde das gut. Es muß was geschehen, ewig können die zwei ja net in der Luft hängen. Und wenn wir alle mitgehen, wird es schon net so schlimm werden für die Lisa.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Jetzt muß ich aber heim, sonst gibt’s Ärger mit der Afra. Füat di, Anna. Wir sehen uns doch morgen in der Kirche?«

      Sie lächelte ein wenig gezwungen. »Ja, sicher. Bis dann...«

      Als Dr. Brinkmeier das Doktorhaus betrat, hörte er aufgeregte

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