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wichtig sie für das Geschäft ist.«

      »Vielleicht ja auch für ihn.«

      »Hm, sie hat zwar nicht über Gefühle gesprochen«, sagte Leni, »ich mein, nicht so direkt. Aber sie scheint schon noch was für ihn zu empfinden. Na ja, fünfundzwanzig Jahre Ehe und ein gemeinsam aufgebautes erfolgreiches Geschäft wirft man nicht so ohne weiteres weg.«

      »Nicht unbedingt, aber es darf auch nicht ein Grund sein, zu bleiben … aber ich glaube, darum müssen wir uns keine Gedanken machen. Sie wird schon wissen, was sie tut. Im Moment freut sie sich auf jeden Fall wie ein kleines Mädchen, weil sie Fahrradfahren darf … unglaublich, diese kindliche Freude bei einer Frau, die über ein Imperium an Mietautos verfügt.«

      Leni hakte sich bei Bettina ein.

      »Jetzt haben wir genug über unseren Gast gesprochen, es interessiert mich jetzt viel brennender, wie deine Reise verlaufen ist. Wie war es bei Jörg? Hat er sich über deinen Besuch gefreut? Hast du ihm endlich erzählt, wie gut es auf dem Chateau läuft und dass es Medaillen für die Weine regnet?«

      Bettina hielt sich lachend die Ohren zu.

      »Langsam, langsam, alles hintereinander. Also, die Reise war schön, Jörg hat sich riesig über meinen Besuch gefreut … über das Chateau allerdings wollte er nichts hören, ihn interessieren die Medaillen nicht.«

      Voller Nichtbegreifen schaute Leni zu Bettina.

      »Wie bitte? Was hast du da gesagt?«

      »Du hast schon richtig verstanden … es interessiert ihn nicht, überhaupt nicht … Jörg will das Chateau verkaufen.«

      Leni schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.

      »Aber … aber das kann er doch nicht«, ächzte sie schließlich. »Es ist sein Erbe.«

      »Doch, das kann er. Es gehört ihm, und er kann damit machen, was er will.«

      »Bettina, das musst du ihm ausreden, dein Vater würde sich im Grab umdrehen. Er hat sich da in Frankreich abgerackert, aus einer maroden Kaschemme ein blühendes Unternehmen gemacht. So etwas wirft man nicht hin.«

      Bettina legte ihren Arm um Lenis Schulter, als sie nebeneinander in deren Haus gingen.

      »Leni, durch das, was Jörg erlitten hat, hat er eine andere Sichtweise bekommen. Seine Wertvorstellungen sind andere geworden, und er empfindet Besitz als belastend. Wenn er wirklich dabei bleibt, verkaufen zu wollen, müssen wir das respektieren, und ich werde den Teufel tun, ihn davon abzuhalten. Ihm wurde ein zweites Leben geschenkt, und das soll er so führen, wie es ihn glücklich macht.«

      »Du hast ja recht, es geht uns nichts an«, sagte Leni, »aber schade wäre es schon, wenn Chateau Dorleac in fremde Hände käme.«

      »Wenn Jörg bei dem Absturz ums Leben gekommen wäre, hätte ich den Besitz auch verkauft«, entgegnete Bettina, »denn ich hätte ihn unmöglich behalten können. Man kann keinen Besitz im Ausland haben, ohne sich intensiv darum zu kümmern, auch nicht mit dem besten Personal der Welt, aber jetzt, liebste Leni, sollten wir uns deswegen nicht die Köpfe heiß reden. Weil noch nichts geschehen ist … wie heißt es doch so schön? Erst wenn man vor dem Fluss steht, muss man sich Gedanken darüber machen, wie man ans andere Ufer kommt.«

      »Ja, ja, ist schon richtig, aber …«

      »Kein Aber«, erklärte Bettina kategorisch und wechselte rasch das Thema. »Ich habe einen Bärenhunger. Hast du vielleicht noch etwas von deinem Mittagessen übrig? Was hat es überhaupt gegeben?«

      »Nur Bratkartoffeln mit Spinat und Spiegelei, und es ist nichts mehr davon da. Aber ich kann dir schnell einen Salat machen oder ein Champignon-Omelett oder vielleicht einen Speckpfannkuchen?«

      Bettina winkte ab.

      »Nö, lass mal, ich esse schnell ein Brot, das ist auch okay, bis zum Abend ist es ja nicht mehr lang.«

      »Wie du willst«, sagte Leni, »ich war heute früh einkaufen, es gibt frisches Brot und diese italienische Salami aus der Toscana, du weißt schon, die mit dem Fenchel, habe ich auch im Haus.«

      »Phantastisch, liebe Leni«, rief Bettina und drückte der verdutzten Frau einen schmatzenden Kuss auf die Stirn. »Das ist genau das, was ich jetzt brauche.«

      Gemeinsam gingen sie in das Haus der Dunkels, und Bettina konnte es kaum erwarten, ihr frisches, herrliches Mühlenbrot mit der Fenchelsalami zu bekommen. Ihr lief schon allein bei dem Gedanken an den bevorstehenden Genuss das Wasser im Munde zusammen.

      *

      Bettina hatte es sich gerade mit einem spannenden Kriminalroman auf ihrem Sofa gemütlich gemacht, als ihr Telefon klingelte.

      Diese Störung war jetzt genau das, was sie so wenig brauchte wie eine Grippe mitten im Sommer. Ihre Stimme klang nicht besonders freundlich, als sie sich meldete.

      »Oh, ich wollte dich nicht stören«, rief Doris, die die Anruferin war, ein wenig erschrocken aus, die Bettina gut genug kannte, um zu wissen, dass dieser Anruf ihr ungelegen kam.

      Doch Bettina war sofort wieder besänftigt. Sie mochte ihre Ex-Schwägerin und empfand deren Anruf deswegen auch nicht als störend. Die Telefonate mit Doris waren immer recht kurzweilig.

      »Hallo, Doris, natürlich störst du nicht«, sagte sie deswegen, »ich wollte nur gerade anfangen, in meinem Krimi weiterzulesen, aber für dich schiebe ich das natürlich gern hinaus. Was gibt’s?«

      »Oh, das wollte ich eigentlich dich fragen, meine liebe Bettina. Ich mein … du warst doch bei Jörg im Krankenhaus … wie geht es ihm? Hat er …« Sie brach ihren Satz ab, der mit einem – hat er nach mir gefragt – enden sollte.

      »Es war schön, ihn zu sehen, und Jörg hat sich über meinen spontanen Besuch wahnsinnig gefreut. Ist ja auch langweilig in so einem Krankenhaus, wenn man nicht eine Krankheit hat, die einen aus den Puschen haut. Die Untersuchungsergebnisse sind ganz hervorragend. Doris, ist das nicht wundervoll? Er wird wieder ganz normal laufen können. Aber weißt du … wenn es anders wäre, würde ihm das auch nichts ausmachen. Ich glaube, wenn man dem Tod von der Schippe gesprungen ist, macht man sich keine Gedanken darüber, ob man ein Bein ein wenig nachzieht oder eine Narbe im Gesicht hat.«

      »Ja, das stimmt schon. Dieser Flugzeugabsturz, den er wie durch ein Wunder überlebt hat, hat ihn geprägt, ihn verändert. Aber ich glaube, wenn er wieder in seinem Alltagstrott auf dem Chateau sein wird, werden die Erinnerungen verblassen, und das alte Leben hat ihn zurück.«

      Jörg hatte seiner Ex-Frau also noch nichts von seinen Plänen erzählt. Sollte sie es jetzt tun, überlegte Bettina einen Augenblick lang. Aber warum eigentlich nicht? Jörg hatte ihr nicht auferlegt, darüber zu schweigen.

      »Es wird für ihn keinen Alltagstrott mehr auf dem Chateau geben, Doris. Jörg will verkaufen, sein Leben verändern … er empfindet Besitz als belastend …«

      Es dauerte eine Weile, ehe Doris dazu etwas sagen konnte.

      »Er will was tun?«, ächzte sie schließlich.

      »Du hast schon richtig gehört. Er will alles verkaufen, ein neues, unabhängiges Leben beginnen, anders als bisher … zumindest hat er das derzeit vor. Noch ist nichts entschieden, er kann seine Meinung noch ändern, schließlich fängt er gerade erst mal wieder damit an, in die sogenannte Normalität zurückzukehren, in ein Leben in der Zivilisation.«

      Wieder ein Schweigen, dann kam ein ganz leises, kaum wahrnehmbares: »Bettina, ich habe ihn endgültig verloren, diesmal nicht an den Tod, sondern an das Leben.«

      »Wie kommst du darauf?«, wollte Bettina wissen.

      »Ich fühle es ganz einfach«, war Doris’ Antwort. »Wenn er nach Frankreich zurückgekehrt wäre, hätte ich vielleicht eine Chance gehabt, ihn für mich zurückzugewinnen, wieder einen Platz an seiner Seite zu haben, aber so …« Sie brach ihren Satz ab.

      Diesmal war es Bettina, die eine Weile brauchte, eine Antwort zu finden. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander,

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