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für gut befunden, Erhebungen über Eure Verbrechen anstellen zu lassen. Wir wollten sehen, ob es Uns möglich sei, Euch zu vergeben; aber Wir haben befunden, daß die Vaterliebe nur ein Vorwand für Eure Widerspenstigkeit war, und daß Euch verbrecherischer Hochmut zum Ungehorsam angetrieben hat.“

      Bei diesen Worten schlugen die Herzen der Ritter in wildem Schreck, und Staunen erfüllte sie. Jetzt wurden sie der Schlinge gewahr, vor der Dietrich der Fuchs sie gewarnt hatte. Da Gwijde sich nicht regte, blieben auch sie noch auf den Knien. Der König fuhr fort:

      „Ein Vasall, der sich treulos gegen seinen König und Landesherrn auflehnt, geht seines Lebens verlustig, und wer mit Frankreichs Feinden in Verbindung tritt, verwirkt sein Leben. Ihr habt Euch den Befehlen Eures Königs widersetzt; Ihr habt mit Eduard von England, Unserm Feinde, die Waffen wider Uns erhoben und mit Uns Krieg geführt[15]. Somit habt Ihr als ungetreuer Lehensmann das Leben verwirkt. Dennoch wollen Wir dieses Urteil nicht überhastet vollstrecken, sondern vorerst ordnungsgemäß eine Untersuchung anstellen lassen. Deshalb sollt Ihr und die Edlen, die an Eurer Auflehnung teil hatten, in Haft gehalten werden, bis es Uns beliebt, andre Maßregeln zu Eurer Beaufsichtigung zu treffen.“

      Karl von Valois hatte diese Rede mit tiefem Herzeleid mitangehört. Jetzt trat er vor den Thron und sprach:

      „Mein König und Herr! Es ist Euch bekannt, mit welcher Treue ich Eurer Majestät gleich dem geringsten Eurer Untertanen gedient habe. Nie hat jemand sagen können, daß ich mein Wappenschild auch nur durch einen Schein von Feigheit oder Untreue besudelt hätte. Und nun solltet Ihr es sein, o König, der meine Ehre, – die Ehre Eures eigenen Bruders – schändete? Ihr könntet mich zum Verräter machen, – Euer Bruder sollte ein treuloser Ritter genannt werden dürfen. O Sire, bedenkt, daß ich Gwijde freies Geleit verbürgt habe, daß Ihr mich jetzt zu einem Meineidigen macht!“

      Während Karl von Valois also sprach, war er in flammende Wut geraten. Sein Blick strahlte so gewaltige Kraft, daß Philipp der Schöne fast bereit war, sein Urteil zu widerrufen. Da ihm selbst die Ehre des Ritters über alles ging, fühlte er innerlich den Schmerz seines treuen Bruders mit. Derweile hatten sich die Vlaemen erhoben und harrten bangend des Erfolges. Die Übrigen erwarteten in regungsloser Angst, was kommen würde.

      Aber die Königin Johanna ließ ihrem Gemahl keine Zeit zur Antwort; voll Sorge, daß ihr die Beute wieder entgehen könnte, rief sie mit leidenschaftlichem Eifer:

      „Herr von Valois, es steht Euch nicht zu, die Feinde Frankreichs zu verteidigen! Ihr begeht damit eine Treulosigkeit! Es ist dies nicht das erste Mal, daß Ihr Euch dem Willen Eures Königs widersetzt!“

      „Madame,“ widersprach Karl bitter, „Euch ziemt es wahrlich nicht, den Bruder Philipps des Schönen einer Treulosigkeit zu beschuldigen. Soll es um Euretwillen heißen, daß Karl von Valois einen unglücklichen Landesherrn verraten habe? Soll mein Wappenschild mit Schande bedeckt werden? Nein, beim Himmel! das wird nicht geschehen. Ich berufe mich auf Euch, Philipp, mein Fürst und mein Bruder; werdet Ihr es dulden, daß das Blut Ludwigs des Heiligen in mir entehrt wird? Soll das der Lohn für meine treuen Dienste sein?“

      Offensichtlich versuchte der König, Johanna zu einer Milderung des Urteils zu bestimmen; doch in ihrem unerbittlichen Haß gegen die Vlaemen wies sie die Vorstellungen des Fürsten hochmütig zurück und wurde bei den Worten Karls von Valois flammend rot. Plötzlich rief sie mit lauter Stimme:

      „Heda, Leibwachen, des Königs Wille geschehe; man nehme die ungetreuen Lehensmannen gefangen!“

      Auf diesen Ruf drangen zahlreiche Wachmannschaften durch alle Türen in den Saal. Die vlaemischen Ritter ließen sich ohne Gegenwehr gefangennehmen. Sie wußten, daß Gewalt sie nicht retten konnte, da sie unbewaffnet und von vielen Feinden umringt waren.

      Einer der Anführer ging auf den alten Gwijde zu, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte:

      „Herr Graf, ich nehme Euch im Namen des Königs, meines Gebieters, gefangen.“

      Der Graf von Flandern blickte ihn traurig an, wandte sich zu Robrecht hin und seufzte:

      „Weh, unglücklicher Sohn!“

      Robrecht van Bethune stand regungslos bei den französischen Rittern, die ihn fragend anschauten. Als hätte ihn eine unsichtbare Hand mit einem Zauberstabe berührt, zuckte jäh eine krampfhafte Bewegung durch seinen Körper; seine Muskeln spannten sich, seine Augen sprühten. Wie ein Löwe sprang er vor, und der ganze Saal erdröhnte von seiner gewaltigen Stimme, da er ausrief:

      „Unselige, ich sah eine unedle Hand die Schulter meines Vaters berühren; hinweg mit ihr, oder ich will des Todes sein!“

      Im Sprunge riß er einem Söldner gewaltsam die Streitaxt aus den Händen. Ein furchtbarer Schrei entfuhr den Rittern ringsum, und alle zogen die Degen, denn sie glaubten das Leben des Königs bedroht. Doch bald schwand die Furcht, denn Robrecht hatte schon zugeschlagen. Er hatte seine Drohung ausgeführt: der Arm des Anführers, der seinen Vater berührt, lag mit der vermessenen Hand am Boden, und das Blut strömte aus der schrecklichen Wunde.

      Ein Haufen Söldner stürzte auf Robrecht zu, um ihn zu packen, doch blind und toll vor Wut schwang er die Streitaxt ums Haupt, und nicht einer wagte sich in seinen Bereich. Ohne Zweifel würde noch mehr Unglück geschehen sein, wenn nicht der alte Gwijde in ängstlicher Sorge um das Leben seines Sohnes diesem flehend zugerufen hätte:

      „Robrecht, du mein großherziger Sohn, ach, ergib dich um meinetwillen; tue es, ich bitte dich, ich befehle es dir!“

      Bei diesen Worten umfaßte er Robrecht, und dieser fühlte die Tränen seines Vaters auf seine Hand niedertropfen. Jetzt sah er seine Unbesonnenheit ein. Er entrang sich den Armen des Grafen, warf die Streitaxt wuchtig über die Köpfe der Söldner hinweg an die Wand und rief:

      „Heran, ihr feigen Mietlinge! fangt denn den Löwen von Flandern; zaget nicht mehr, er ergibt sich.“

      In großer Anzahl warfen sich die Söldner auf ihn und nahmen ihn gefangen.

      Während er mit seinem Vater aus dem Saale geführt wurde, rief er Karl von Valois zu:

      „Euer Wappenschild ist nicht beschmutzt; Ihr waret und seid weiter der edelste Ritter von Frankreich, Eure Treue bleibt unversehrt. Dies sagt der Löwe von Flandern, auf daß man es höre.“

      Die französischen Ritter hatten ihre Degen wieder eingesteckt, sobald sie inne wurden, daß das Leben des Königs nicht bedroht war. Mit der Gefangennahme der Vlaemen mochten sie nichts zu tun haben, – es hätte ihren Adel geschändet.

      In dem Herzen des Königs und der Königin herrschten sehr verschiedene Gefühle. Philipp der Schöne war schmerzlich ergriffen und betrübt über das gefällte Urteil. Johanna hingegen freute sich über Robrechts Widerstand. Er hatte es gewagt, in Gegenwart des Königs einen seiner Diener zu verwunden; diese Tat konnte ihr in ihren rachsüchtigen Plänen vortrefflich zustatten kommen.

      Der König vermochte seine Rührung und Betrübnis nicht zu bergen und wollte gegen den Wunsch seiner stolzen Gemahlin den Thron und den Saal verlassen. Er erhob sich und sprach:

      „Meine Herren! Wir beklagen den ungestümen Verlauf dieses Verhörs gar sehr. Lieber hätten Wir bei dieser Gelegenheit euer Edlen Unsere Gnade erzeigt; aber zu Unserm großen Leidwesen war das im Interesse Unserer Krone nicht möglich. Gemäß Unserm königlichen Willen sorget, daß die Ruhe in Unserm Palast fürder nicht gestört werde.“

      Auch die Königin erhob sich und wollte mit ihrem Gemahl die Stufen des Thrones herabsteigen, doch ein neues Hemmnis trat ihr in den Weg. Karl vor Valois hatte lange fernab in tiefem Nachdenken gestanden; die Ehrerbietung und Liebe, die er seinem Bruder entgegen brachte, kämpften lange in ihm gegen den Ärger über diesen Verrat. Plötzlich brach sein Zorn los, sein Antlitz ward weiß, rot und blau, und wie rasend warf er sich der Königin entgegen.

      „Madame,“ schrie er, „Ihr sollt mich nicht ungestraft entehren! Hört, meine Herren, ich spreche vor Gott, unser aller Richter: Ihr, Johanna von Navarra, seid es, die das Vaterland durch ihre Verschwendung

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