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habe. Warum hätt' er mich wohl geküßt, wenn er nicht wirklich mein Freund wäre und sein Versprechen halten wollte.

      ALLA-MODDIN. Ach, armer Knabe, Du weißt nicht, daß diese heilige Sitte in Europa nicht so geehrt wird, als bei uns. – Der Europäer küßt seinen Freund auch, und stößt ihm in der Umarmung den Dolch in den Rücken. –

      LINI. Nein Vater! dann ist Valmont gewiß kein Europäer. – Er liebt mich wirklich.

      ALLA-MODDIN. Woher weißt Du es so zuverlässig.

      LINI. Hat er mir denn nicht den schönen Vogel da geschenkt?– Warum hätte er das gethan? Ich konnte ihm ja dafür nichts wieder schenken. – Und so oft nun mein Vogel singt, so oft denk' ich an Valmont und Suhlu, und wie er mich küßte und sagte: Nun, Lini, bald wirst Du auf Suhlu sein. – Auch Omal, so oft ich ihn fragte: Kommen wir nicht bald nach Suhlu? sagte jedesmal: Bald wird der Fremde Dich dahin abholen.

      ALLA-MODDIN. Und doch hat er selbst seine Ankunft nicht erwartet, – ach Omal! – ich nannte Dich meinen edlen Freund, und doch – er versinkt in ein tiefes Nachdenken.

      LINI. Ja Vater, auf Omal bin ich auch recht böse, von ihm will ich mich gewiß nicht wieder auf den Strom fahren lassen, er soll mir keinen einzigen Kranz wieder flechten.

      AMELNI. Warum denn?

      LINI. Sieh nur, liebe Mutter, hätte er uns alle nicht mitnehmen können, als er fortging? Oder wenn das nicht möglich war, so hätte er auch hier bleiben müssen, er hätte mir noch manchmal die Zeit vertrieben, er spielte gern mit mir. – Und dann hat er auch gelogen.

      AMELNI. Wann?

      LINI. Du weißt ja, er riß eine Menge Steine aus der Mauer und sprang hinab. – Einmal konnt' ich in der Nacht gar nicht einschlafen, da hör' ich ein Poltern und finde Omal, der die Steine aushebt; ich mußte ihm versprechen, dem lieben Vater nichts davon zu sagen, weil er es ihm selbst sagen wollte; ich schwieg auch, denn ich hatt' es ihm versprochen. Bei Tage war er immer bei uns, und das Fenster, das er sich gemacht hatte, war nicht da, des Nachts machte er es immer größer und nach ein paar Tagen war er fort.

      ALLA-MODDIN. Was hülf' es mir, wenn auch er den stummen Wänden klagte? Er hätte zuviel gewagt, uns alle zu retten. – Aber ich wäre nicht ohne Dich entflohen, Omal.

      AMELNI. Die Schlösser rauschen, es kömmt jemand zu uns!

      ALLA-MODDIN. Ich wünsche, wir blieben ewig hier ungestört. Widrig sind mir die Blicke neugieriger Fremden, und jene Pfaffen hasse ich, die täglich meinen Geist bestürmen.

       Inhaltsverzeichnis

      VORIGE. EIN FREMDER.

      FREMDER, der in einem Mantel und in spanischer Tracht hereintritt. Er verbeugt sich anständig gegen ALLA-MODDIN, sieht ihn scharf an und unterdrückt einen Seufzer, er grüßt AMELNI und LINI, geht dann auf ALLA-MODDIN zu und reicht ihm freundschaftlich die Hand. Mit niedergesenktem Blick erwiedert ALLA-MODDIN die Begrüßung kalt und fremd. Du bist Alla-Moddin?

      ALLA-MODDIN, der bei dem Ton der Stimme aufmerksam wird. Der unglückliche Alla-Moddin, der sich jedem Blicke neugieriger Fremden bloßstellen muß. – Nein, sieh mich nicht so mitleidig an; dann fühl' ich mein Elend am stärksten, wenn ein durchreisender Fremder, der aus Neugier auch den gefangenen König sehen will, mich mit seinem Mitleid quält. – Setz Dich nieder!

      AMELNI setzt sich im Hintergrunde auf ein Ruhebett, LINI auf eine steinerne Bank auf der andern Seite und klimpert auf seiner Laute.

      FREMDER. Wie menschenfeindlich hat Dich Dein Unglück gemacht! – Glaube mir, nicht Neugier, wahre Theilnahme führte mich in diesen Kerker.

      ALLA-MODDIN. Theilnahme?

      FREMDER. Du mußt es mir glauben, daß Theilnahme eines Freundes mich zu Dir brachte, daß ich über Dein Schicksal Thränen vergoß.

      ALLA-MODDIN. Nun wohl, ich will Dir glauben, um den Ton Deiner Stimme willen; ach, sie erinnert mich an so manche selige verfloßne Stunde, sie erinnert mich an meine Freunde, die mich verlassen haben; denn, indem ich Dich sprechen höre, ist es, als stände mein Freund Valmont vor mir, hell dämmert jene Stunde in meiner Seele auf, als wir durch eine Umarmung das heilige Band der Freundschaft knüpften, als er hier vor mir stand und seine Hand in die meinige legte und mir Befreiung verhieß. – Dein Gesicht, – Dein Auge – Du bist Valmont selbst! –

      FREMDER. Ich?

      ALLA-MODDIN. Bist sein Bruder, – doch nein, wie kömmst Du zu dieser Tracht meiner Feinde, – er war kein Mitglied dieses Volks, das mich elend gemacht hat; – mein Freund glänzt hell in meiner Seele, – aber Du bist es nicht. –

      FREMDER. Und könnt' ich es nicht werden? –

      ALLA-MODDIN. Durch Deine Gegenwart – kehrt Heiterkeit in meine Seele zurück, – nun wohl, wer meinem Valmont gleicht, bei dem ist nichts zu wagen. – Aber Du bist ein Spanier, wer wagt nicht bei der Freundschaft eines Spaniers? – Nein, nein, ich will betrogen sein, wenn Du betrügen kannst, – o wie will ich dann die Welt recht herzlich hassen, ein Schutzort wird mir dieser Kerker scheinen.

      FREMDER, gerührt. Vertraue mir.

      ALLA-MODDIN. Ach! schon viele Europäer sahen mich hier im Elende, bedauerten mich, nannten sich meine Freunde, – und verließen und vergaßen mich. – Unter allen meinen Freunden fliegen nur zweien meine Seufzer nach.

      FREMDER. Wem?

      ALLA-MODDIN. Valmont und Omal.

      FREMDER. Omal? War er nicht mit Dir im Kerker?

      ALLA-MODDIN. Er war.

      FREMDER. Wo ist er jetzt?

      ALLA-MODDIN. Vielleicht todt, vielleicht lebend, stets glücklicher als ich. Er stieß eine Oeffnung in die Mauer und entflohe.

      FREMDER. Und Valmont?

      ALLA-MODDIN. Er war ein edler Mann, den ich wie meine Seele liebe, wenn gleich vom Schicksal unsre junge Freundschaft nach wenigen Tagen wieder zerrissen ward. – Auf einer Reise aus Frankreich, seinem Vaterlande, kam er zu mir auf Suhlu, ich kannte ihn nur kurze Zeit, als ich ihn liebgewann, – wir fuhren einst auf einem kleinen Nachen beim Schein des Abends auf dem See, das Boot schlug um, er sank, – daß ich ihn rettete, verband unsre Seelen noch inniger. – Je länger ich in Dein offnes Auge sehe, je mehr wächst mein Zutrauen zu Dir, und darum erzähl' ich Dir meine Geschichte, wie ich noch nie that. – Bald darauf rief die Pflicht Valmont von Suhlu aus meinen Armen – und ich unternahm, wie ich schon oft gethan hatte, eine Reise zu den Besitzungen der Europäer, meine Gattin, mein Sohn, und Omal, mein Freund, begleiteten mich. – Ach! zur unglücklichen Stunde setzt' ich den Fuß in das Schiff, denn es trug mich in den Kerker. – Ich reiste hieher, nach Manilla, um manche Künste und Erfindungen von den klügern Europäern nach Suhlu hinüberzubringen, um dadurch das Glück und die Sicherheit meines Volks zu vermehren.

      FREMDER. Und?

      ALLA-MODDIN. Der Statthalter schien mein Freund, er und eine Menge Jesuiten umlagerten mich täglich, und schienen um meine Freundschaft zu wetteifern, – o warum traut' ich aber diesen Schlangen? – Kannt' ich nicht die Bosheit der Europäer? – Man wollte mich bereden Christ zu werden, ich weigerte mich: man suchte mich dahin zu bringen, den Jesuiten den Eintritt in Suhlu zu erlauben; auch dieses versagt' ich. – Nun fiel plötzlich wie ein Morgennebel die erheuchelte Freundschaft; in ihrer wahren Gestalt standen die Spanier vor mir. – Ein Kerker verschloß mich, und das, was mir auf dieser Welt am liebsten ist.

      FREMDER. Schändlich!

      ALLA-MODDIN. Um einen Vorwand, diese That zu rechtfertigen, war man nicht lange verlegen, so widersinnig er auch sein mochte. Man behauptete, ich sei hiehergekommen, die Lage des Landes und der Vestung auszukundschaften, dann mit meinen schwachen, wehrlosen Indianern zu landen, – und Manilla

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