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Anne & Rilla - Der Weg ins Glück. Lucy Maud Montgomery
Читать онлайн.Название Anne & Rilla - Der Weg ins Glück
Год выпуска 0
isbn 9783732009039
Автор произведения Lucy Maud Montgomery
Серия Anne Shirley Romane
Издательство Bookwire
„Ich denke, er hat gesagt, sie werden nicht durchkommen“, sagte Rilla ernst. Sie lachte nie über Gertrudes Träume, so wie ihr Vater es gern tat.
„Ich weiß nicht, ob das eine Prophezeiung war oder ein Ausruf der Hoffnungslosigkeit. Rilla, die Angst sitzt mir jetzt noch eiskalt im Nacken. Wir werden sehr bald unseren ganzen Mut einsetzen müssen.“
Am Frühstückstisch lachte Gilbert noch über Miss Olivers Traum, doch das war das letztemal. Denn an diesem Tag kam die Nachricht vom Beginn des Angriffs auf Verdun, und den ganzen Frühling lang lebten die Ingleside-Bewohner in einem Zustand von Angst und Schrecken. An manchen Tagen machten sie sich völlig entmutigt auf das Ende gefaßt, denn die Deutschen näherten sich langsam, aber sicher den Verteidigungslinien des verzweifelten Frankreich.
Während Susan die Küche von Ingleside auf Hochglanz brachte, war sie in Gedanken auf den Hügeln um Verdun. „Liebe Frau Doktor“, sagte sie, als sie am Abend noch einmal den Kopf zur Tür hereinsteckte, „ich kann nur hoffen, daß die Franzosen den Krähenwald – ‚Crow’s Wood’ – behalten haben.“
Und am nächsten Morgen fragte sie sich, ob wohl der Hügel des Toten Mannes – ‚Dead Man’s Hill’ – noch in ihrer Hand war. Susan hätte eine Landkarte von der Gegend um Verdun anfertigen können, über die ein Generalstabschef nur gestaunt hätte.
„Wenn die Deutschen Verdun erobern, dann ist Frankreich mit seiner Kraft am Ende“, sagte Miss Oliver erbittert.
„Sie werden es nicht erobern“, behauptete Susan, obwohl sie an diesem Tag keinen Bissen herunterbekam vor lauter Angst, sie könnten es doch schaffen. „Erstens haben Sie ja geträumt, daß sie nicht durchkommen – Sie haben genau das geträumt, was die Franzosen gesagt haben: ‚Sie werden nicht durchkommen.‘ Ich versichere Ihnen, liebe Miss Oliver, mir lief es kalt den Rücken herunter, als ich das in der Zeitung las und an Ihren Traum denken mußte. Das erinnert mich an die Bibel, wo die Leute auch oft von solchen Dingen träumten.“
„Ich weiß, ich weiß“, sagte Gertrude, während sie unruhig auf und ab lief. „In meinen Träumen habe ich auch einen ganz festen Glauben, aber jedesmal, wenn schlechte Nachrichten kommen, falle ich wieder davon ab. Dann rede ich mir ein, das wäre alles reiner Zufall oder käme vom Unterbewußtsein oder irgend so etwas.“
„Aber ich verstehe nicht, wie man sich an etwas erinnern kann, bevor es je gesagt worden ist“, sagte Susan. „Natürlich bin ich nicht so gebildet wie Sie und der Doktor. Das ist wohl auch besser so, sonst werden die einfachsten Dinge viel zu kompliziert. Aber auf jeden Fall brauchen wir uns um Verdun keine Sorgen zu machen, selbst wenn die Hunnen durchkommen. Joffre sagt, das hätte keine militärische Bedeutung.“
„Damit sind wir schon oft genug vertröstet worden, und dann war das Gegenteil der Fall“, erwiderte Gertrude. „Darauf falle ich nicht mehr herein.“
„Hat es auf dieser Welt jemals eine solche Schlacht gegeben?“ fragte Mr. Meredith eines Abends im April.
„Das Ganze hat ein Ausmaß erreicht, das wir gar nicht mehr erfassen können“, sagte Gilbert. „Was waren dagegen schon die Raufereien von ein paar homerischen Kriegern? Der ganze Trojanische Krieg hätte sich rings um die Feste von Verdun abspielen können, und ein Zeitungsreporter hätte der Sache nicht mehr als einen Satz gewidmet. Ich glaube zwar nicht an übersinnliche Mächte“, und dabei zwinkerte Gilbert Miss Oliver zu, „aber ich werde das Gefühl nicht los, daß der ganze weitere Verlauf des Krieges davon abhängt, was aus Verdun wird. Wie Susan und Joffre richtig sagen, das hat keine wirkliche militärische Bedeutung; aber es hat die enorme Bedeutung einer unglaublichen Idee. Wenn Deutschland nämlich dort gewinnt, dann gewinnt es den Krieg. Wenn es verliert, dann wird der Strom in die entgegengesetzte Richtung fließen.“
„Es wird verlieren!“ ereiferte sich Mr. Meredith. „Die Idee kann nicht erobert werden. Frankreich ist ein wunderbares Land. In ihm sehe ich die weiße Form der Zivilisation, die sich entschlossen gegen die schwarzen Mächte der Barbarei zur Wehr setzt. Ich glaube, daß die ganze Welt das so sieht, und deshalb warten wir alle mit atemloser Spannung auf den Ausgang. Es geht nicht nur darum, ob ein paar Festungen in andere Hände übergehen oder nicht oder ob ein paar Meilen blutgetränkter Erde verloren oder gewonnen werden.“
„Ich wüßte gerne“, sagte Gertrude nachdenklich, „ob wir als Lohn für unser Leid eine besondere Gnade zu erwarten haben, eine Gnade, die dem Preis gerecht wird. Sind die Qualen, die die Welt erschaudern lassen, der Geburtsschmerz eines wunderbaren neuen Zeitalters? Oder sind sie bloß ein vergeblicher Ameisenkampf im Schein von Abermillionen Sonnen? Wenn ein Ameisenhügel zerstört wird und die Hälfte seiner Bewohner dabei umkommt, ist das für uns keine Katastrophe, Mr. Meredith. Ob wohl die Macht, die das Universum regiert, uns für wichtiger hält als wir die Ameisen?“
„Sie vergessen“, sagte Mr. Meredith mit funkelnden Augen, „daß eine unendliche Macht genauso unendlich klein wie unendlich groß sein muß. Wir sind keines von beiden, und deshalb gibt es Dinge, die für uns zu klein sind oder zu groß, als daß wir sie begreifen könnten. Für eine unendlich kleine Macht ist eine Ameise genauso wichtig wie ein Mastodon. Wir sind Zeugen des Geburtsschmerzes eines neuen Zeitalters, aber alles wird am Anfang schwächlich und hilflos sein. Ich gehöre nicht zu denen, die als Resultat dieses Krieges sofort einen neuen Himmel und eine neue Erde erwarten. Das ist nicht die Art und Weise, wie Gott vorgeht. Aber er geht vor, Miss Oliver, und am Ende wird er das erreicht haben, was er vorhatte.“
„So ist’s recht, so ist’s recht“, murmelte Susan zustimmend draußen in der Küche. Hin und wieder gefiel es ihr, wenn der Pfarrer Miss Oliver eins draufgab. Susan hatte Miss Oliver zwar sehr gern, aber sie fand, daß sie gegenüber den Pfarrern viel zu ketzerische Dinge sagte und deshalb ab und zu daran erinnert werden mußte, daß diese Angelegenheiten nicht zu ihrem Aufgabenbereich gehörten.
Im Mai kam ein Brief von Walter, in dem er schrieb, daß man ihm die D. C. – Distinction-Cross-Medaille – überreicht hatte. Wofür, das schrieb er nicht, aber die anderen Jungen sorgten dafür, daß es sich in Glen herumsprach, wie tapfer Walter gewesen war. „In jedem anderen Krieg hätte er eine V. C. – Victory-Cross-Medaille – bekommen“, schrieb Jerry Meredith. „Aber eine V. C. wäre gar nichts Außergewöhnliches mehr, wenn sie allen verliehen würde, die hier tagtäglich mutige Taten vollbringen.“
„Ich finde, er hat die Victory Cross verdient!“ sagte Susan empört. Sie war sich zwar nicht ganz sicher, wem genau sie die Schuld daran geben sollte, daß er sie nicht bekommen hatte, aber angenommen, General Haig steckte dahinter, dann überkamen sie doch ernsthafte Zweifel, ob der sich wirklich zum Oberbefehlshaber eignete.
Rilla war ganz außer sich vor Freude. Ihr geliebter Walter hatte eine tapfere Tat vollbracht – Walter, dem jemand auf dem Redmond-College eine weiße Feder geschickt hatte! Walter war es gewesen, der aus dem sicheren Schützengraben gesprungen war, um einen verwundeten Kameraden hereinzuziehen, der auf Niemandsland gefallen war. Zu gern hätte sie ihn dabei gesehen, mit seinem schönen Gesicht und seinen wundervollen Augen. Und sie, sie war die Schwester eines so großen Helden! Und für ihn war es noch nicht mal der Mühe wert, davon zu schreiben. So viele andere Dinge standen in seinem Brief, kleine, sehr persönliche Dinge, die sie in wolkenlosen, längst vergangenen Tagen miteinander geteilt hatten.
„Ich muß an die Narzissen denken in unserem Garten von Ingleside“, schrieb er. „Bis Du diesen Brief bekommst, werden sie bestimmt schon in voller Blüte stehen unter dem schönen, rosaroten Himmel. Sind sie wirklich genauso leuchtend und golden wie immer, Rilla?