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Erleichterung für mich, wenn ich nur ein einziges Mal ganz leise sagen könnte ‚verda…‘“

      „Und eine heiße Wärmflasche für die Füße kriegen Sie auch noch“, fuhr Susan entschlossen dazwischen, „und außerdem wäre es mit Sicherheit keine Erleichterung für Sie, wenn Sie das Wort, das Ihnen auf der Zunge liegt, aussprechen, Miss Oliver, darauf können Sie sich verlassen.“

      „Na gut, dann werde ich es eben erst mal mit der heißen Wärmflasche versuchen“, sagte Miss Oliver und entschwand zu Susans großer Erleichterung reumütig nach oben. Susan schüttelte bedächtig den Kopf und füllte die Wärmflasche auf. Der Krieg machte es einem aber auch wirklich schwer, sich noch normal zu verhalten. Viel hätte nicht gefehlt, und Miss Oliver hätte geflucht.

      „Diesen Hitzkopf muß man lindern“, sagte sich Susan. „und wenn die Wärmflasche nichts bewirkt, dann werde ich es mit einem Senfpflaster versuchen.“

      Gertrude beruhigte sich und sammelte wieder Kraft. Lord Kitchener begab sich nach Griechenland, was Susan zu der Vorhersage veranlaßte, Konstantin werde bald einen Sinneswandel erleben. Lloyd George drangsalierte die Alliierten in bezug auf Kriegsausrüstung und Waffen, und Susan sagte, von diesem Lloyd George würde man sicher noch öfter hören. Der tapfere Anzacs zog sich aus Gallipoli zurück, und Susan billigte diesen Schritt nur mit Zurückhaltung. Die Belagerung von Kut El-Amara begann, und Susan brütete über Landkarten von Mesopotamien und schimpfte über die Türken. Henry Ford machte sich nach Europa auf, und Susan wetterte über ihn, daß die Fetzen flogen. Sir John French wurde von Sir Douglas Haig abgelöst, und Susan meinte zweifelnd, das zeuge aber von einer armseligen Politik, wenn während einer Krise die Regierung wechselt, „obwohl ich zugeben muß, daß Haig ein guter Name ist und French so einen ausländischen Klang hatte, da könnt ihr sagen, was ihr wollt“. Ob Könige, Läufer oder Bauern, Susan entging nicht ein Zug auf dem großen Schachbrett. Dabei hatte sie sich früher für nichts anderes interessiert als die „Notizen aus Glen St. Mary“.

      „Es gab Zeiten“, seufzte sie, „da kümmerte ich mich überhaupt nicht darum, was außerhalb von Prince Edward Island passierte. Und jetzt kann kein König aus Rußland oder China Zahnschmerzen haben, ohne daß ich mir um ihn Sorgen mache. Das mag zwar den Horizont erweitern, wie der Doktor sagt, und gut für den Verstand sein, aber es ist schlecht für die Seele, weil sie mitleiden muß.“

      Zu Weihnachten deckte Susan diesmal keine leeren Sitzplätze am Festtagstisch. Zwei leere Stühle waren selbst für sie zuviel, nachdem sie im September noch fest daran geglaubt hatte, daß es keinen geben würde.

      „Das ist das erstemal, daß Walter zu Weihnachten nicht zu Hause ist“, schrieb Rilla an diesem Abend in ihr Tagebuch. „Jem fuhr zu Weihnachten immer hinüber nach Avonlea, aber Walter nie. Heute kam ein Brief von Ken und einer von Walter. Sie sind noch in England, rechnen aber damit, daß sie bald in die Schützengräben kommen. Und dann – aber auch das werden wir irgendwie überstehen. Das merkwürdigste von allem, was ich seit 1914 erlebt habe, ist die Feststellung, daß wir uns mit Dingen abfinden können, von denen wir es nie vermutet hätten, daß wir wie selbstverständlich weiterleben können. Ich weiß, daß Jem und Jerry in den Schützengräben sind, daß Ken und Walter auch bald dort sein werden, daß es mir das Herz brechen wird, falls einer von ihnen nicht zurückkommt – und doch mache ich weiter und arbeite und plane; ja, es kommt sogar vor, daß ich das Leben für einen Augenblick genieße. Manchmal, wenn wir das alles für einen kurzen Moment vergessen, sind wir richtig fröhlich, aber dann fällt uns plötzlich alles wieder ein, und das ist schlimmer, als wenn man die ganze Zeit über daran gedacht hätte.

      Heute war ein dunkler, bewölkter Tag, und heute abend stürmt es fürchterlich – wie Gertrude sagt: das richtige Wetter für einen Schriftsteller, um sich einen schrecklichen Mord oder eine dramatische Liebesgeschichte auszudenken. Die Regentropfen, die langsam an den Fensterscheiben herunterlaufen, sehen aus wie Tränen auf einem Gesicht, und der Wind heult dazu durch das Ahornwäldchen.

      Dieser Weihnachtstag hatte überhaupt nichts Erfreuliches. Nan hatte Zahnschmerzen, und Susan hatte rote Augen und schnitt, um das zu vertuschen, ganz fürchterliche Grimassen. Jims war den ganzen Tag schlimm erkältet, und ich habe Angst, daß er Krupp bekommt. Den hat er seit Oktober schon zweimal gehabt. Das erstemal habe ich gezittert vor Angst, weil Vater und Mutter fort waren – mir kommt es sowieso so vor, als ob Vater immer ausgerechnet dann aus dem Haus ist, wenn einer in der Familie krank wird. Aber Susan hat kühlen Kopf bewahrt und hat genau gewußt, was zu tun ist, und bis zum nächsten Morgen ging es Jims wieder gut. Dieses Kind ist mal der Engel und mal der Teufel in Person. Er ist jetzt ein Jahr und vier Monate alt, er tapst überall herum und plappert auch schon. Wie niedlich das klingt, wenn er mich ‚Willa-will‘ ruft! Ich muß dann immer an diesen schrecklichen, lächerlichen, wunderbaren Abend denken, als Ken kam, um mir Lebewohl zu sagen, und ich so wütend und gleichzeitig so glücklich war. Jims hat eine rosige Haut, hellblondes Haar und große Augen und Löckchen, und immer wieder entdecke ich ein neues Grübchen an ihm. Ich kann es gar nicht fassen, daß er derselbe ist wie dieser magere, gelbhäutige, häßliche Balg, den ich damals in der Suppenschüssel nach Hause brachte. Von Jim Anderson hat man nie etwas gehört. Wenn er nicht zurückkommt, dann behalte ich Jims. Alle hier beten ihn an und verwöhnen ihn – oder würden ihn zumindest verwöhnen, wenn nicht Morgan und ich dem so unbarmherzig im Weg stehen würden. Susan sagt, Jims sei das schlaueste Kind, das ihr je begegnet sei, und er stecke bestimmt mit dem Leibhaftigen unter einer Decke, aber das sagt sie bloß, weil Jims mal den armen Doc oben aus dem Fenster geworfen hat. Auf dem Weg nach unten verwandelte Doc sich in Mr. Hyde und landete fauchend und fluchend in einem Johannisbeerstrauch. Ich versuchte, sein Katerherz mit einem Schälchen Milch zu besänftigen, aber er wollte davon nichts wissen und blieb den ganzen Tag lang Mr. Hyde. Jims’ neueste Heldentat ist, daß er das Kissen auf dem großen Sessel im Empfangszimmer mit Sirup vollgeschmiert hat. Bevor es jemand bemerkte, kam Mrs. Fred Clow in irgendwelchen Rotkreuz-Angelegenheiten zu Besuch und setzte sich drauf. Ihr neues Seidenkleid war ruiniert. Daß sie sich darüber geärgert hat, kann ihr keiner übelnehmen. Aber sie mußte gleich aus der Haut fahren und ganz gemeine Sachen sagen. Das ging so weit, daß sie behauptete, ich würde aus Jims einen ‚verzogenen Fratz‘ machen, und da bin ich fast auch übergekocht. Aber ich riß mich am Riemen und wartete, bis sie davongewatschelt war. Dann explodierte ich.

      ‚Dieses fette Ungeheuer!‘ schrie ich, und das tat richtig gut!

      ‚Sie hat drei Söhne an der Front‘, sagte Mutter vorwurfsvoll.

      ‚So, und deswegen muß man ihr alles durchgehen lassen!‘ schimpfte ich. Aber dann schämte ich mich. Es stimmt ja, daß alle ihre Söhne gegangen sind, und sie war dabei sehr standhaft und tapfer. Und dem Roten Kreuz ist sie eine mächtige Stütze. So viele Heldinnen gibt es in dieser Zeit – die kann man sich nur schwer alle merken. Jedenfalls war das ihr zweites neues Seidenkleid in einem Jahr, und das, wo doch alle versuchen zu sparen und zu dienen. Zumindest sollte das jeder tun.

      Neulich mußte ich wohl oder übel meinen grünen Samthut wieder ausgraben, jetzt wo es Winter ist. Dabei hatte ich mich so lange wie möglich an meinen alten Matrosenhut geklammert. Wie ich diesen grünen Samthut hasse! Er ist so fein und fällt richtig auf. Ich verstehe gar nicht, wie der mir jemals gefallen konnte. Aber ich habe fest versprochen, ihn zu tragen, also trage ich ihn auch.

      Heute morgen sind Shirley und ich zum Bahnhof gegangen, um dem kleinen Monday einen Weihnachtsschmaus zu bringen. Monday wartet und wacht dort immer noch und ist immer noch voller Hoffnung und Zuversicht. Manchmal lungert er am Bahnhof herum und unterhält sich mit den Leuten, ansonsten hockt er vor seiner Hundehütte und behält ständig die Bahngleise im Auge. Inzwischen versuchen wir schon gar nicht mehr, ihn wegzulocken; wir wissen, es hat keinen Sinn. Erst wenn Jem zurückkehrt, dann wird Monday mit ihm nach Hause kommen; und wenn Jem nie mehr zurückkehrt, dann wird Monday dort so lange auf ihn warten, wie sein treues Hundeherz schlägt.

      Gestern abend war Fred Arnold hier. Er ist im November achtzehn geworden und will sich zum Kriegsdienst melden, sobald seine Mutter die Operation hinter sich hat. Er ist in letzter Zeit sehr häufig hier gewesen. Das beunruhigt mich, obwohl ich ihn ganz gern habe. Womöglich denkt er noch, er bedeutet mir etwas. Von Ken habe ich ihm nichts erzählt – außerdem, was gäbe es da schon zu erzählen? Und doch widerstrebt

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