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Bernulf gelassen. »Sie wird mir helfen, diesen Hof wieder so richtig flott zu machen.«

      So sieht die auch aus, dachte Leo Jürgens spöttisch. Die macht hier gar nichts flott, höchstens sich selber. Ansonsten fällt die nur von einer Ohnmacht in die andere – und bleibt mit ihren Stöckelschuhen im Hühnermist stecken.

      Der Rentner war ein guter Menschenkenner und behielt seine Meinung für sich. Der Neffe vom alten Justus würde schon selbst merken, dass diese feine Tante hier völlig fehl am Platze und zu nichts nütze war. Er nickte daher nur und verschwand dann in einem Schuppen, während Bernulf und Lara gemächlich zum Haus gingen.

      Er schloss auf, und sie betraten einen schmalen und ziemlich dunklen, muffig riechenden Flur.

      »Elektrisches Licht gibt es hier wohl nicht«, stellte sie säuerlich fest, nachdem sie vergeblich auf einen Schalter gedrückt hatte.

      »Doch, die Glühbirne wird aber kaputt sein. Ich kümmere mich nachher darum. Also, das ist hier das Wohnzimmer. Hier haben Onkel Justus und ich oft gesessen und Apfelkorn getrunken.« Der angehende Kleinbauer hatte eine schmutzige Tür geöffnet und betrat mit langen Schritten einen mäßig großen Raum, in dem nach Laras Ansicht einige vorsintflutliche Möbel standen – ein geblümtes Sofa, zwei dazu passende Sessel, ein sogenannter Nierentisch, zwei Kommoden und ein dunkler Schrank mit Nippesfiguren. Einige von diesen Ziergegenständen hatten anscheinend schon die Bekanntschaft mit dem Fußboden, auf dem ein uralter Teppich lag, gemacht. Der Rokokotänzerin fehlte zum Beispiel ein Arm und dem röhrenden Hirsch das Geweih. Tote Insekten lagen in einer Unmenge von Staub überall herum oder hingen in zahlreichen Spinnennetzen. Na, schön war anders.

      Die Unternehmensberaterin verzog demzufolge angewidert den Mund, was ihrem Freund nicht entging. Nun ja, er hatte es ja geahnt. Sie war nicht die Frau, die ihm jetzt aufmunternd zulächelte und nach Staubwedel und Wischeimer verlangte.

      In den anderen Räumen sah es nicht besser aus – im Schlafzimmer fanden sie in einem Bett sogar ein verlassenes Mäusenest sowie einen Nachttopf – zum Glück ohne Inhalt.

      Am besten sah noch die Küche aus. Sie war zumindest einigermaßen aufgeräumt, und vor dem Bild einer Frau in mittleren Jahren stand ein vertrockneter Blumenstrauß.

      »Hier hat Onkel Justus immer gesessen, den Blick auf Tante Metas Bild gerichtet. Hier hat er seine Pfeife geraucht und mit seiner Katze geschmust.« Bernulf wies auf den großen Ohrensessel, der in der Nähe des Fensters stand. »Und hier in diesem Sessel haben die Nachbarn ihn auch gefunden. Er war tot, und seine Katze ebenfalls.«

      »Wie rührend«, entfuhr es Lara ironisch, worauf er scharf erwiderte: »Ja, sehr berührend. Das finde ich auch. Er hat nach dem frühen Tod seiner Frau nie mehr geheiratet, und in seiner Erinnerung war sie immer bei ihm. Er hat ihre Rosen gehegt und gepflegt und sich lieber eine Katze gehalten, um ein bisschen Wärme zu haben.«

      »Und wenn ihm doch zu kalt war, dann hat er Apfelschnaps getrunken«, ergänzte Lara, während sie ihre rot lackierten Fingernägel betrachtete.

      Er überging ihre spitze Bemerkung und sagte stattdessen: »Ich denke, wir fangen mit dem Schlafzimmer an. Gutes Bettzeug habe ich im Auto …«

      »Du nimmst doch nicht im Ernst an, dass ich in dieser Mäusekammer schlafe?«, rief sie schrill, beruhigte sich aber sofort wieder und sagte entschieden: »Das sieht hier wirklich katastrophal aus, viel schlimmer als ich angenommen habe. Da wirst du wohl eine Firma beauftragen müssen, die hier klar Schiff macht. Wir beide schaffen das garantiert nicht.«

      »Dein Vorschlag ist natürlich ausgezeichnet, aber es geht leider nicht, ich muss mit meinem Geld haushalten«, gab er leise zurück und dachte dabei an seine Freunde, die ihn und seine bescheidenen Verhältnisse zwar wortreich beklagt, seine Bitte um Unterstützung aber vollkommen überhört hatten.

      »Ach ja …« Lara, die sich seinerzeit sehr schnell daran gewöhnt hatte, dass er stets und ständig alles bezahlte, wusste vorerst nicht weiter, stand unschlüssig in der Küche und meinte schließlich: »Wir können ja hier mit dem Aufräumen beginnen und dann in Heinstedt in einem Hotel übernachten.«

      »Wenn du bezahlst, dann gern.«

      Da Frau Paulsen noch nicht vollständig begriffen hatte, dass ihr Freund nicht mehr zahlungskräftig war, starrte sie ihn zuerst entgeistert an und brachte dann nach reiflicher Überlegung nur noch ein schwaches: »Selbstverständlich« heraus.

      »Gut, dann machen wir es so«, entschied er und unterdrückte ein amüsiertes Lächeln. »Wir werden sehen, was wir schaffen, und morgen Abend bringe ich dich wieder nach Hause.«

      In den nun folgenden Stunden reinigten sie Küche und Bad, wobei Lara eigentlich nur im Weg herumstand und nörgelte. Bernulf verkniff sich sämtliche Bemerkungen, er putzte und wischte, fütterte zwischendurch die Schweine und scheuchte am Abend die Hühner in ihren Stall. Gegen neunzehn Uhr fuhren sie nach Heinstedt und übernachteten in einem zweitklassigen Hotel. Mehr konnte sich die Unternehmensberaterin nicht leisten.

      Am nächsten Morgen fühlte sich seine Partnerin so krank, dass sie dringend nach Hause gebracht werden musste, was er dann auch sehr gern tat. Nur gut, dass sich Leo Jürgens unterdessen um die Tiere kümmerte.

      Bernulf fuhr mit Lara sofort zum Bereitschaftsdienst, sobald sie bei ihr zu Hause angekommen waren, harrte dort aus, bis sie das Sprechzimmer verlassen hatte und von ihm gestützt zum Auto gehen konnte.

      »Was hat der Arzt denn nun festgestellt?«, erkundigte er sich unterwegs, während er sie mit einem prüfenden Seitenblick bedachte.

      »Noch nichts Genaues, wahrscheinlich eine allergische Reaktion, die von einem Spezialisten noch genauer untersucht werden muss«, antwortete sie weinerlich. »Auf jeden Fall soll ich morgen meinen Hausarzt aufsuchen.«

      Er nickte zustimmend, wusste aber ansonsten nicht, was er sagen sollte. Möglicherweise hatte sie den Staub und den Schmutz in seinem neuen Heim nicht vertragen. Und als sie ihm jetzt riet, heimzufahren und dort unverzüglich bewohnbare Räume zu schaffen, atmete er heimlich auf. Irgendwie ging sie ihm mit ihren Gejammer und ihren Schimpftiraden auf seine total verkalkten Eltern auf die Nerven.

      Gegen 20:00 Uhr kam er wieder in seinem neuen Zuhause an, telefonierte noch schnell mit Vater und Mutter und richtete sich anschließend ein Nachtlager her.

      Am nächsten Morgen begann er, systematisch Haus, Hof und Garten aufzuräumen, beseitigte Staub, Unrat und jede Menge Strauchwerk. Die Rosen ließ er jedoch alle stehen. Sie hatten einem kleinen Mädchen und dessen Mutter doch zu gut gefallen. Vielleicht kamen die beiden mal wieder.

      Seine schöne Freundin hatte nach drei Wochen ihre Krankheit überwunden, sah sich aber weiterhin außerstande, ihn zu besuchen. Die Fahrt wäre denn doch zu anstrengend für sie, ließ sie ihn wissen, aber sie käme natürlich so bald wie möglich.

      Bernulf lächelte dazu nur und fragte sich, warum sie sich noch nicht von ihm getrennt hatte. Seine Mutter hatte dafür eine plausible Erklärung, sie meinte lachend: »Natürlich hofft Frau Paulsen, dass du uns doch noch überzeugen kannst. Sie wartet daher ab, wie sich die Sache weiterentwickelt.«

      *

      Anne hatte es in den letzten Wochen vermieden, mit ihrer Tochter nach Barkenow zu radeln. Es gab ja schließlich genug andere Ausflugsziele. Leider erinnerte sich das Kind viel zu oft an das Dornröschenhaus und den netten Onkel, der jetzt dort wohnte.

      An diesem Wochenende Mitte September ließ Nathalie keine Ausreden mehr gelten. Noch blühten die Rosen, noch war das Wetter schön, es gab also doch einen triftigen Grund, eine längere Fahrradtour zu unternehmen.

      Anne gab schließlich nach. Sie rechnete ohnehin nicht mehr damit, dass Bernulf Süderhoff immer noch dort anzutreffen war. Wahrscheinlich hatte er den Hof inzwischen verkauft. Und der neue Besitzer hatte die Rosen bestimmt schon entfernen lassen, weil sie viel zu sehr wucherten und anderen Pflanzen Platz und Licht nahmen. Diese Tatsache würde ihrer romantisch veranlagten Tochter dann sehr wehtun, aber sie würde sie akzeptieren müssen.

      »Gut, fahren wir mal wieder hin, bevor die Rosen verblüht

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