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nicht. Er wurde relativ weit draußen gesehen. Die Beobachtungen stammen von Seglern. Aber es ist doch nur eine Frage der Zeit, bis dieses Monster sich an die Strände heranwagt. Ich darf gar nicht daran denken, was passieren wird, wenn mal ein Wassersportler angegriffen wird.«

      »Wen haben Sie bisher informiert, Edward?« Agatha Simpsons Hände spielten mit dem großen Pompadour, der auf ihrem Schoß lag. Dieser perlenbestickte Handbeutel, wie ihn um die Jahrhundertwende die Damen trugen, glich schon fast einem kleinen Seesack, so üppig waren seine Formen.

      »Wen ich informiert habe? Nun, die Küstenwache und die Polizei. Alles unter dem absoluten Siegel der Verschwiegenheit, wie Sie sich vorstellen können. Falls die Öffentlichkeit davon erfährt, können wir hier an der Küste einpacken. Ich weiß, wovon ich spreche, Mylady. Als Vorsitzender der Seebädergemeinschaft habe ich so etwas schon mal vor Jahren erlebt. Damals trieben sich ein paar vorwitzige Heringshaie nahe der Küste herum. Die Feriengäste reisten in Massen ab und brachten unsere Hotels an den Rand des Ruins.«

      »Warum haben Sie ausgerechnet mich alarmiert?« wollte die ältere Dame wissen. »Soll ich den weißen Hai etwa harpunieren?«

      »Das auch, Mylady«, antwortete Sir Edward. Er griff nach einem geöffneten Briefumschlag, der auf seinem Schreibtisch lag, und zerrte mit nervösen Bewegungen einen Brief hervor, den er der Lady reichte. »Lesen Sie, Mylady! Der Text wird alles erklären.«

      Agatha Simpson überflog die wenigen Zeilen.

      Der Verfasser, der seinen Namen unterschlagen hatte, teilte kurz und knapp mit, sein weißer Hai würde in den kommenden Tagen zuschnappen. Er empfahl, die Polizei aus dem Spiel zu lassen, um den erwähnten Hai nicht blutrünstig zu machen.

      »Wann ist der Brief gekommen?« fragte die Detektivin.

      »Gestern abend«, erwiderte Sir Edward. »Ich rief Sie daraufhin sofort an.«

      »Eine hübsche Botschaft«, urteilte die Sechzigjährige wohlwollend.

      »Sie werden den weißen Hai jagen, Mylady?« erkundigte Sir Edward sich hoffnungsfroh.

      »Dumme Frage«, grollte sie. »Natürlich! Ein weißer Hai fehlte noch auf meiner Liste. Ich werde sofort mit meinem Butler reden. Er wird mitmachen müssen, ob er will oder nicht!«

      *

      Die vier jungen Männer langten herzhaft zu und sahen darin kein Problem, ihr Opfer über die Treppe nach unten zu befördern. Sie nahmen die Sache derart auf die leichte Schulter, daß sie ganz bewußt auf ihre gewohnten Schlaginstrumente verzichteten.

      Bruchteile von Sekunden später – ihre Fäuste befanden sich in Bewegung – erlebten die vier jungen Männer eine peinliche Überraschung. Ihr Opfer, das sich als alt, müde und relativ verbraucht bezeichnet hatte, wußte mit dem altväterlich gebundenen Regenschirm schnell und geschickt umzugehen.

      Dieser Regenschirm blockte zwei Schläge ab und ließ die Handgelenke der jeweiligen Besitzer knacken. Dann schwang der Bambusgriff herum und umschmeichelte die Kinnlade des dritten Schlägers. Die Kinnlade krachte diskret, knirschte ein wenig und veranlaßte den Inhaber des Unterkiefers, erst mal zu Boden zu gehen. Der vierte Mann bekam gar nicht erst mit, wie abenteuerlich seine Nase sich verformte, als der Bambusgriff sich auf das Nasenbein senkte. Deshalb verdrehte er nur die Augen, schnaufte beeindruckt und rollte über die Stufen nach unten.

      Der Anführer der Schläger hatte sich beim Angriff seiner Freunde fast gelangweilt umgedreht und starrte herausfordernd auf die Feriengäste vor einem der Strandhotels. Er grinste ausgesprochen höhnisch und wartete wohl nur darauf, daß dort eine falsche, ihm nicht passende Bewegung gemacht wurde. Dieser Anführer hatte die Abwehrschläge, das Stöhnen und Schnaufen seiner Partner zwar mitbekommen, doch er deutete die Geräusche völlig falsch. Er war der festen Ansicht, sie müßten vom malträtierten Opfer stammen.

      »Kann ich möglicherweise auch etwas für Sie tun?« hörte er plötzlich eine höfliche Stimme hinter sich. Der Anführer stutzte, glaubte nicht recht zu hören und drehte sich um.

      Das vermeintliche Opfer sah nach wie vor korrekt und tadellos aus. Es lüftete die schwarze Melone und blickte den jungen Mann abwartend an.

      Der Anführer sah am vermeintlichen Opfer vorbei und traute seinen Augen nicht.

      Zwei seiner Leute kollerten gerade recht schwungvoll über die Stufen nach unten in Richtung Strand. Der dritte junge Mann hielt sich stöhnend das rechte Handgelenk, der vierte schluchzte ein wenig und tastete seinen Unterarm vorsichtig ab.

      »Verzeihen Sie meine gewiß zu heftige Reaktion«, entschuldigte das Opfer sich gemessen. »Möglicherweise habe ich einen harmlos gedachten Scherz völlig mißverstanden. Ich würde das ungemein bedauern.«

      Der Anführer schluckte, trat unwillkürlich einen Schritt zurück und verstand die Welt nicht mehr. Seine Spezialisten hatten eine kollektive Niederlage erlitten! So etwas war noch nie passiert. Die Welt dieses jungen Mannes stand quasi auf dem Kopf.

      »Du Miststück!« Endlich hatte der Anführer zu seiner Sprache zurückgefunden und explodierte förmlich vor Wut und Zorn. »Dafür tätowier’ ich dich!«

      »Was sollte man sich darunter vorstellen?« fragte das Opfer höflich.

      »Das hier!« Der Anführer der Schläger langte blitzschnell in die Innentasche seiner schwarzen Lederjacke und riß eine Fahrradkette hervor, die er wie eine Peitsche schwang. Er fintierte, wollte sein Opfer zu einer Abwehrreaktion bringen und schlug dann heimtückisch zu.

      Das Opfer hatte bisher nicht reagiert, doch nun, als die Kette sein Gesicht treffen sollte, fuhr der altväterlich gebundene Regenschirm hoch und wurde dabei von zwei Händen gehalten, die von schwarzen Zwirnshandschuhen bedeckt waren.

      Die Fahrradkette wickelte sich prompt um den waagerecht gehaltenen Schirm und verlor ihre Wirkung. Das Opfer ließ den Regenschirm los und grüßte erneut mit der schwarzen Melone. Die sanfte Rundung kam dabei in innigen Kontakt zur Nasenspitze des Rowdys.

      Diesem Kontakt war sie nicht gewachsen.

      Die Nasenspitze klappte zur Seite und ließ das Wasser in die Augen des Mannes schießen.

      »Ich fürchte, ich werde mich gehenlassen müssen«, sagte das Opfer sich und verabreichte dem Anführer zwei Ohrfeigen, die den Kopf des Rowdys hin- und herpendeln ließen. Der Mann fuhr zurück, stolperte über ein Bein des Opfers, verlor sein Gleichgewicht und setzte zu einen Tiefflug an, der nicht gerade als gekonnt zu bezeichnen war.

      Der Anführer tat genau das, was er seinem Opfer zugedacht hatte: Er versuchte sich im Segelflug, hob ab und legte etwa dreieinhalb Meter in freiem Flug zurück. Dann kam es zu einer Art Bruchlandung auf einer der Stufen. Der Rowdy überschlug sich, absolvierte eine Reihe von Salti und blieb dann leicht erschöpft unten im Sand liegen.

      Diskreter Beifall war zu hören.

      Die eben noch verstörten und verängstigten Feriengäste in der Nähe der Hotels spendeten dem müden, alten und relativ verbrauchten Mann Beifall. Sie freuten sich über die Abfuhr, die den Schlägern erteilt worden war.

      Das Opfer bedankte sich artig durch eine knappe Verbeugung, die wirklich frei war von Arroganz, hob den altväterlich gebundenen Regenschirm auf und schritt gemessen von dannen. Es kümmerte sich nicht weiter um einen heranpreschenden Streifenwagen der Polizei, der von einer besorgten Hoteldirektion alarmiert worden war.

      »Sir, einen Moment, bitte«, war dann zu vernehmen. Ein stämmiger, untersetzter Sergeant folgte dem Opfer, das sich nun umwandte und grüßend die schwarze Melone hob.

      »Mein Kompliment«, sagte der Sergeant. »Wie ich höre, haben Sie diese Schläger völlig allein ausgeschaltet.«

      »Ich habe mich hinreißen lassen, wie ich bekennen muß«, gestand das Opfer.

      »Sie haben sich da mit den weißen Haien eingelassen«, redete der Sergeant weiter. »Eine ganz berüchtigte Gruppe.«

      »Hoffentlich wird man mir verzeihen.«

      »Bestimmt

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