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      Ihr Ziel war ein traditionsreicher Badeort an der Nordsee. Christine atmete die herrlich klare, frische Luft tief ein. »Komm, laß uns einen richtig langen Strandspaziergang machen!« bat sie, kaum hatten sie ihr Gepäck in dem Hotel direkt am Strand abgestellt. Aber Sven verzog das Gesicht. »Was? Nee, das ist mir zu windig!« Sehnsüchtig sah Christine aus dem Fenster. Der Strand war ziemlich leer, nur einige Kinder buddelten selbstvergessen im Sand nah am Wasser. Sie kreischten glücklich, wenn eine Welle ihre Füße naß machte. Christine dachte, wieviel Spaß ihren Kindern eine solche Reise gemacht hätte. Wie schön es doch wäre, wenn Sven ihnen ein richtiger Vater sein wollte! Aber – liebte sie ihn nicht gerade wegen seiner Unbekümmertheit, seines jungenhaften Leichtsinns? War es nicht gänzlich falsch, von ihm zu erwarten, daß er Verantwortung übernahm?

      Bald darauf war es Zeit, sich zum Abendessen umzukleiden. Sven hatte extra seinen Smoking mitgenommen. »Na, wie sehe ich aus?« rief er stolz, während er sich wohlgefällig im Spiegel betrachtete.

      Als Christine in der Tür des Nebenzimmers erschien, pfiff er begeistert durch die Zähne. Sie trug ein weichfließendes blaues Seidenkleid, das genau die Farbe ihrer Augen hatte und den klaren, gebräunten Teint gut zur Geltung brachte. Dazu hatte sie eine Kette aus Saphiren und passende Ohrringe angelegt, die ihr ihr verstorbener Mann einmal zum Geburtstag geschenkt hatte.

      Mit ihrem anmutigen, leichten Schritt stieg Christine an Svens Seite die Treppe ins Hotelfoyer hinunter. Das lange Kleid schmiegte sich eng an ihre makellose Figur, und einige Strähnen ihrer locker aufgesteckten blonden Haare ringelten sich über den schlanken Nacken. Sie merkte, daß sich die Männer nach ihr umdrehten, und Sven merkte es auch und ergriff rasch ihre Hand. Christines tiefblaue Augen leuchteten, als sie ihre Blicke durch den Saal schweifen ließ.

      »Du bist wirklich wunderschön, Christine«, sagte Sven hingerissen. »Und du siehst keinen Tag älter aus als zwanzig. Kein Mensch würde glauben, daß du schon eine elfjährige Tochter hast. Warum hast du bloß so früh geheiratet?«

      Sie zog ein wenig verletzt die Brauen zusammen. »Ich fand es nicht zu früh, mit achtzehn zu heiraten. Schließlich hatte ich meine Ausbildung als Hotelfachfrau schon fast abgeschlossen, und mein Mann und ich wünschten uns Kinder.«

      »Schon gut«, sagte Sven eilig, »laß uns diesen Abend genießen!« Der Ober führte sie an einen kleinen Tisch in einer gemütlichen Ecke des Saals, der nur von Kerzen erleuchtet war. Auf einer Empore spielte ein Geiger ein leises, zärtliches Lied. Sven und Christine lächelten einander an. Obwohl der Saal voller Menschen war, hatten sie nur noch Augen füreinander.

      Das Menü war köstlich, aber die beiden genossen die langen Pausen zwischen den einzelnen Gängen, in denen sie einander verliebt in die Augen sahen und Händchen hielten, nicht weniger als das Essen. Nachdem sie rote Grütze mit Vanillesauce zum Dessert verspeist hatten, bestellte Sven eine Flasche Champagner.

      »Was feiern wir denn?« fragte Christine lächelnd.

      »Etwas sehr Wichtiges«, sagte Sven geheimnisvoll. »Ich muß dir nämlich etwas sagen, was dich hoffentlich freuen wird.«

      Christines Herz schlug ein bißchen schneller. Was sollte diese mysteriöse Ankündigung bedeuten? Sollte das etwa heißen, daß… Sie wagte kaum, an ein so großes Glück zu glauben.

      »Du weißt ja, daß ich mir vor einem Jahr noch nicht sicher war, ob ich auf Dauer in unserer Stadt bleiben würde«, fuhr Sven fort. »Ich habe lange überlegt, ob ich nicht woanders schneller Karriere machen könnte. Aber ich bin geblieben, auch deinetwegen. Und das Zögern hat sich gelohnt. Ich bin zu einem Entschluß gekommen, ich werde bleiben.«

      Christine hielt den Atem an. Sie war jetzt ganz sicher: Er würde ihr einen Heiratsantrag machen! Endlich würden sie eine richtige Familie werden. Ihre schönen Augen füllten sich mit Tränen des Glücks.

      Sven suchte ein wenig ungeschickt in den Taschen seines Smokings, bis er ein winziges, bunt eingewickeltes Päckchen fand. »Hier, das ist für dich«, sagte er leise.

      Mit zitternden Fingern nahm sie das Geschenk und wickelte es aus. Genau wie sie erhofft hatte, war es ein kleines Schmuckkästchen. Sie wollte es öffnen.

      »Nein, halt!« sagte Sven. »Erst wollen wir auf den Anlaß dieses Geschenks anstoßen.« Die Gläser klangen aneinander. Christine lächelte ihn zärtlich und dankbar an. »Ich habe lange darauf gewartet«, hauchte sie.

      Sven ergriff ihre Hand und küßte sie. »Und jetzt will ich auch nicht mehr so geheimnisvoll tun«, sagte er. »Unser Chef hat mir gestern angeboten, Leiter der Abteilung Text zu werden. Das heißt, ich bin für alle Slogans verantwortlich, die unsere Agentur macht. Ist das nicht phantastisch? He, was ist los?« Erstaunt blickte er Christine an, der plötzlich eine große Träne über die Wange rollte.

      »Ach, nichts«, murmelte sie.

      »Ich verstehe dich nicht. Ich werde eine große Karriere machen – freust du dich denn gar nicht darüber? Schau doch mal hinein!«

      Gehorsam öffnete sie das Schmuckkästchen. Eine große, unregelmäßig gezackte Brosche lag darin. Christine fand sie auf Anhieb furchtbar häßlich.

      »Was machst du denn für ein Gesicht?« Langsam war Sven beleidigt. »Das ist kein Silber, das ist Platin!«

      »Vielen Dank. Sie ist wunderschön«, murmelte Christine, aber es klang alles andere als überzeugend. Sven musterte ihr enttäuschtes Gesicht scharf. »Sie gefällt dir nicht«, sagte er mißgelaunt. »Na schön, macht ja nichts. Wir tauschen sie einfach um.« Er gab Christine einen Kuß und versuchte, seinen Anflug von Ärger wieder zu vergessen. »Ich kaufe dir etwas viel Schöneres«, versprach er. »Aber nun lach mal wieder!«

      Christine schnitt es ins Herz, wie sehr er sie mißverstand, und plötzlich brach sie in Tränen aus. Sven gab ihr ein Taschentuch und beobachtete sie nachdenklich. »Man sollte nie zuviel erwarten«, sagte er bedeutungsvoll. »Wollen wir uns den Abend denn durch solche Dummheiten verderben?« Christine schüttelte den Kopf und versuchte zu lächeln. Aber sie waren beide verstimmt. Die Kerzen auf dem Tisch brannten weiter, der Geiger spielte im Hintergrund eine schmelzende Kantilene, aber der ganze Zauber des Abends war unwiderruflich dahin.

      *

      »Wir müssen eine Hausdurchsuchung bei dem Spion machen.« Julia sah ihre Geschwister herausfordernd an. »Und zwar bald, bevor Mami und Sven zurückkommen.«

      Bernadette, das wußten sie, würde ihre Abwesenheit wohl kaum bemerken. Aus dem Zimmer des Kindermädchens drang seit dem Vormittag der Lärm der Karaoke-Anlage. Bernadette probte gerade »New York, New York«, und Julia hielt sich die Ohren zu, als sie an der Tür vorbeiliefen. Einer nach dem anderen rutschten sie das Treppengeländer ins Erdgeschoß hinab. Dann rannten sie durch den Garten und schlüpften durch das Loch in der Hecke.

      Julia hatte ein Fernglas mitgenommen, das sie jetzt auf die graue Villa richtete. »Ich kann ihn nicht sehen«, flüsterte sie. »Oder… ja, da ist er! Er sitzt an einem Tisch und schreibt. Vor ihm liegt ein Haufen Geheimpapiere. Und der Revolver auch!«

      »Gib mal her.« Markus entriß seiner Schwester das Fernglas, die ihn dafür in die Seite puffte. »Mann, du hast recht. Können wir die Papiere nicht durchs Fernglas lesen? Wenn er da ist, können wir doch nichts durchsuchen.«

      »Ich hab Angst«, jammerte Florentine.

      »Dann geh zurück ins Haus«, fuhr Julia sie an. »Wir können dich sowieso nicht gebrauchen. Das ist nichts für kleine Kinder.«

      Florentine zog eine weinerliche Schnute und kroch zurück in den Garten, um mit ihrem Hasen zu spielen.

      Markus stellte das Fernglas auf die größtmögliche Fernsicht ein. »Jetzt kann ich die Papiere sehen«, flüsterte er aufgeregt. »Aber alle sind in dieser komischen Geheimschrift verfaßt.«

      »Meinst du, wir können sie übers Fernglas aufzeichnen?« fragte Julia aufgeregt. Markus fuhr zusammen und packte sie am Arm. »Jetzt steht er auf und nimmt den Revolver in die Hand!«

      Die beiden Kinder krochen verängstigt tiefer

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