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Glück, auch wenn es immer wieder den Anschein hatte, es würde gleich brechen.

      Die Karavelle schwenkte wieder auf Kurs, und der Profos atmete erleichtert auf.

      Die Insel Graciosa rückte näher. Deutlich war die Rauchfahne eines kleinen Vulkans zu erkennen. Das Eiland war nicht groß, es hatte einen weißen, leuchtenden Strand von Palmen gesäumt. Dahinter wucherte Urwald. Er zog sich bis zu einem Berg hoch, der in dem Vulkankegel endete.

      Hasard sah skeptisch zu der Insel hinüber. Es war die nördlichste in der Mitte der Azorengruppe. Er wußte nicht, ob sie bewohnt war. Jedenfalls zeigten sich keine Eingeborenen am Strand, und Boote waren auch nicht zu sehen. Doch das mußte nicht viel zu bedeuten haben.

      Auf der „Isabella“ begann jetzt eine fieberhafte Emsigkeit.

      Hasard gab die erforderlichen Befehle an Ben Brighton, der sie an die Crew weiterleitete.

      „An die Brassen, an die Schoten! Holt ein die Blinde! Smoky, Tiefe loten!“

      Die Männer standen bereit. Die Blinde, das Segel am Bugspriet, wurde eingeholt, die Männer schufteten.

      Smoky lotete aus. Er kam auf fünfundzwanzig Faden, eine Tiefe, die sich nur sehr langsam veränderte. Klippen gab es nicht, sie konnten gefahrlos mit der „Isabella“ bis an den Strand segeln.

      Ein Segel nach dem anderen wurde aufgegeit. Bramsegel, Marssegel und Großsegel fielen. Rapide nahm die Fahrt der Galeone ab.

      Tucker und Carberry klarierten eilig die provisorisch wiederhergerichtete Nagelbank, die von den Kugeln der „Albion“ getroffen worden war.

      Achtern lief die Karavelle jetzt aus dem Kurs, aber das ließ sich nicht ändern. Sie mußte zwangsläufig auf den Strand laufen.

      Als die Leine im Wasser hing, drehte Hasard sich um.

      „Achtern Schlepptrosse los, Ruder zwei Strich Backbord abfallen!“

      Pete Ballie wiederholte den Befehl. Langsam schwang die „Isabella“ herum, um aus dem Bereich der auflaufenden Karavelle zu gelangen.

      Noch sechs Faden Wasser unter dem Kiel, das jetzt ständig abnahm.

      „Fallen Anker!“

      Der Anker klatschte ins Wasser, das hoch aufspritzte. Carberry gab Lose, bis die ranke Galeone elegant herumschwoite und der Anker Grund faßte. Unter dem Kiel begann es sanft zu knirschen.

      An Steuerbord rückte die Karavelle auf. Auch sie warf gleich darauf Anker, schwoite herum und zeigte den Seewölfen ihre zerschossene Steuerbordseite, ehe sie auflief.

      Tiefe Stille herrschte ringsum, die nur durch das leise Murmeln der Wellen unterbrochen wurde, die an den Strand liefen.

      Hasard hatte diese Stelle bewußt gewählt. Es war eine kleine, ruhige Bucht, in der die Schiffe vor auflandigem Wind einigermaßen geschützt waren. Hier konnten sie in aller Ruhe mit den schwierigen Reparaturarbeiten beginnen.

      Das Deck wurde klariert, Hasard ließ die Ankertrosse noch etwas nachfieren, bis die „Isabella“ so sicher wie in Abrahams Schoß lag.

      „Ein idealer Platz“, ließ sich Big Old Shane vernehmen, der riesige Schmied und ehemalige Waffenmeister der Feste Arwenack. Sein gigantischer Brustkasten war vorgewölbt, bei jeder Bewegung spielten die Muskelstränge an seinem Rücken und den Oberarmen.

      „Ja, das ist er, Shane“, sagte Hasard. „Jetzt bin ich nur noch gespannt, ob unsere Landsleute uns helfen werden.“

      „Zweifelst du daran?“ fragte Big Old Shane, dessen graue Haare wie ein Urwald von seiner Brust abstanden.

      „Ehrlich gesagt, ja! Die Leute selbst sind nicht schlecht, aber ich traue Scinders nicht. Er wird versuchen, sie gegen uns aufzuhetzen.“

      „Scinders! Dieser arrogante Narr. Wir werden ihn schon kleinkriegen“, versprach der Schmied.

      „Drüben steigen die Soldaten an Land“, meldete Blacky.

      Ein Trupp von knapp zwanzig Mann verließ die Karavelle über die Jakobsleitern. Sie sprangen ins Wasser und wateten an Land.

      „Wir gehen auch an Land“, sagte Hasard. „Außerdem muß ich Leutnant Scinders sprechen. Wir wollen die Reparaturarbeiten möglichst schnell vorantreiben. Unser Ziel ist schließlich die Karibik und nicht die Azoren.“

      „Ganz recht“, sagte Tucker. „Und deshalb werden wir diesen Hurenböcken gehörig Dampf unter die Hintern blasen.“

      Etwas später verließen ein paar Männer das Schiff, um sich an dem Strand umzusehen. Hinter dem Urwald, der sich aus der Nähe mehr als großes verfilztes Gestrüpp entpuppte, kräuselte Rauch aus dem Vulkankegel in den Himmel. Es sah aus, als hätte jemand ein großes Feuer angezündet, das nicht so richtig brennen wollte.

      Hasard, Tucker, Brighton und Carberry betraten den Strand. Sie sahen, wie sich bei den Engländern zwei Gruppen gebildet hatten. Die eine scharte sich um Leutnant Jonathan Scinders, die andere scharte sich um den ehemaligen Kommandanten der untergegangenen Galeone, Sir Daniel Nottingham.

      Hasard dachte sich seinen Teil. Sir Nottingham war ein ehrenhafter Mann, der von seiner Mannschaft fast vergöttert wurde. Er war das, was man einen aufrechten Kerl nennt, während Scinders ein fanatischer Offizier war, ehrgeizig, kaltschnäuzig und arrogant. Aber jetzt war er es, der bei den Engländern zu bestimmen hatte.

      Der Strand war heiß und feinkörnig. Gleich dahinter begannen die Palmenhaine, ein paar Kasuarinen und buntschillernde Sträucher.

      Hasard ging auf die Gruppe zu, gefolgt von Brighton, Carberry und dem Schiffszimmermann, der auch diesmal nicht darauf verzichtet hatte, seine riesige, mörderische Axt mitzuschleppen.

      „Was ist das denn?“

      Tucker blieb stehen und deutete auf eine Stelle zwischen den Palmen, wo sich ein mannshohes, hölzernes Gebilde erhob.

      Neugierig traten sie näher heran. Die Engländer hatten das Gebilde noch nicht bemerkt, aber sie äugten herüber.

      Hasard blieb vor dem Ding stehen. Es war so groß wie er, nur breiter. Der untere Teil stellte einen primitiven Körper vor, der grob aus dem Holz herausgeschnitzt war. Anstelle eines Schädels befand sich auf dem oberen Teil der Kopf eines Haifisches mit weit aufgerissenem Maul und spitzen Zähnen.

      „Eine merkwürdige Statue“, sagte Hasard. „Das paßt alles nicht zusammen. Vielleicht stellt es eine Art Gottheit dar.“

      „Das hieße also, auf dieser Insel gibt es Eingeborene“, sagte Ben Brighton.

      Hasard schüttelte den Kopf. „Das muß nicht unbedingt der Fall sein. Hier kann jemand gestrandet sein, der aus Langeweile dieses Ding geschnitzt hat. Sehr kunstvoll ist es ja nicht gerade.“

      Hasard wollte Bens Theorie nicht direkt von der Hand weisen. Vermutlich gab es hier doch Eingeborene, aber warum sollte er seine Leute unnötig beunruhigen? Sie hatten genug um die Ohren. Die angeschlagene Galeone und dann die Engländer. Die nächsten paar Tage würden alles andere als langweilig werden.

      Er betrachtete noch einmal diesen fürchterlichen Haifischkopf, dann wandte er sich achselzuckend ab. Die leichte Beunruhigung zeigte er nicht, niemand merkte ihm etwas an.

      Sir Nottingham erwiderte Hasards Gruß höflich und zuvorkommend. Er achtete den Seewolf, genau wie der ihn auch achtete. Die Soldaten standen im Halbkreis herum und scharrten unruhig im Sand.

      Leutnant Scinders erwiderte den Gruß nicht. Er drehte sich verächtlich zur Seite.

      Scinders war ein hagerer, großer Mann, rötlichblond, mit einem abweisenden Gesicht von der Art, das selbst bei starkem Sonnenschein nie braun wurde. Es blieb immer leicht gerötet. Sein schmallippiger Mund wirkte verkniffen, um die Nase herum befanden sich kleine dunkle Sommersprossen. Seine Nase war leicht gebogen, was seinem Gesicht einen lauernden Ausdruck gab.

      „Ich habe mit Ihnen zu reden, Leutnant“, sagte Hasard.

      Scinders

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