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und schien den ganzen Tag über still zu stehen. Als später der König von Frankreich den Herzog Alba fragte, ob sich denn wirklich bei dieser Schlacht die Geschichte Josuas erneuert habe, erwiderte dieser: »Sire, ich hatte zu viel auf Erden zu tun, um bemerken zu können, was am Himmel vorging.« Gegen alles Erwarten wurde dem Kaiser durch einen Müller namens Strauch, dem die Kurfürstlichen zwei Pferde weggeführt hatten, eine Furt gezeigt; Moritz, sein Landesherr, versprach ihm dafür hundert Kronen, zwei andere Pferde und einen Herrenhof. Die Furt war von festem Boden, sieben Pferde konnten nebeneinander gehen, das Wasser reichte den Reitern bis an die Sättel. Einige Kavaliere des Kaisers hatten große Furcht, wenn der Kaiser selbst nicht vorangeritten wäre, hätten sie nicht gewagt, sich einer solchen Gefahr auszusetzen. Am jenseitigen Ufer angelangt, schickte Moritz einen seiner Offiziere mit einem Trompeter an den Kurfürsten und ließ ihn auffordern, sich dem Kaiser zu ergeben. Johann Friedrich schlug es ab. Er glaubte nicht an den Ernst der Dinge. Er konnte nicht glauben, daß ein ganzes Heer die Elbe durchwaten könne; er vermutete ganz und gar nicht, daß der Kaiser selbst gegen ihn anziehe; er zog sich vorsichtig zurück, und seinem bedächtigen Sinn wurde die Situation erst klar, als die Angriffe der kaiserlichen Armada immer ungestümer wurden. Jetzt empfand er mit einemmal die große Verantwortlichkeit, daß er sich gegen den ihm von Gott gesetzten Herrn, gegen das allerhöchste Reichsoberhaupt vergangen habe. Auf freiem Felde fiel er vor seinen Leuten auf die Knie, hob die Augen und Hände empor und betete: »Ach Gott im Himmel! Bin ich mit meinem Vornehmen gegen die Majestät ungerecht, so strafe mich, aber nicht mein Volk.«

      Er stellte sein kleines Heer in Schlachtordnung auf und bestieg einen schweren friesischen Hengst; er trug einen schwarzen Harnisch mit weißen Streifen und darunter noch ein Panzerhemd mit kleinen Ringen.

      Es war vier Uhr nachmittags. Der Vortrab der Kaiserlichen rückte zur Hauptattacke zusammen; es waren die Reiter von Herzog Moritz, die Neapolitaner und die Husaren. Mit dem Ruf »Hispania« und »das Reich« brachen sie los. Die Kurfürstlichen feuerten. Aber von der anderen Seite her rückten die vollen Gewalthaufen des Kaisers an. Die Haltung ihres Kriegsfürsten hatte der kleinen sächsischen Armee wenig Zuversicht und heldenmütiges Vertrauen eingeflößt. Da nun die Gefahr sich deutlich offenbarte, rief er sie an, getreu bei ihm zu stehen, wie er getreu bei ihnen stehen werde. Trotzdem kam allgemeine Verwirrung über die Leute. Aber es traf noch etwas weit schlimmeres ein. Der Patrizier Imhof aus Nürnberg, der unter Karls Fahnen diente, erzählt: »Es ist seltsam zu vernehmen, wie des Kurfürsten Räte und große Hansen, so er bei sich gehabt, mit ihm umgegangen sind. Wie die Schlacht angegangen, hat der Kurfürst seinem Volke zugeschrien: ›er wolle auf diesen Tag Leib und Blut bei ihnen lassen, sie sollten auch ehrlich halten bei ihm.‹ Als nun das Treffen angegangen, haben seine Räte und großen Hansen, auf die er sich verlassen, zur Flucht geschrien, auch unter sein eigenes Volk gehauen und gestochen und die Ordnung seiner Haufen getrennt. Das habe ich zu Torgau von etlichen von Karl gehört, auch habe ich an der Walstatt gesehen, daß alles durch Verräterei zugegangen.«

      Das Heer stob auseinander, die Ritter zuerst, und als das Fußvolk die Ritter fliehen sah, warf es Gewehre und Piken weg und suchte sein Heil gleichfalls in der Flucht. Die Ritter entkamen, aber das Schicksal des Fußvolks war schrecklich; obwohl es die Waffen weggeworfen hatte und um Pardon bat, ward es samt und sonders niedergehauen. Karl, von Gottes Gnaden römischer Kaiser, allzeit Mehrer des Reiches, zu Hispanien König, hatte ausdrücklichen Befehl erteilt, alles über die Klinge springen zu lassen. Damals lernte man im Herzen von Deutschland das Haus Hispanien-Habsburg mit seinen Husaren kennen.

      Johann Friedrich, den seine Ritter verlassen hatten, sah sich plötzlich ganz allein im Wald, wo alles voller Leichen lag, von Husaren vorn und hinten umgeben. Der schwerbeleibte Herr mußte sich zur Wehr setzen, er tat es ritterlich. Ein Ungar hatte ihn in die linke Backe gehauen, das Blut rann ihm über das Gesicht auf den schwarz und weißen Harnisch herab. Dennoch wollte er sich diesen Husaren und auch den neapolitanischen Reitern, die ihn umdrängten, nicht ergeben. Endlich sprengte ein Herr vom Hofgesinde des Herzogs Moritz heran, Thilo von Trotha; dieser rief ihn auf deutsch an, Pardon zu nehmen. Johann Friedrich ergab sich an diesen Deutschen; er zog einen Ring unter seinem Panzerhandschuh hervor. Die Waffen des sächsischen Kurfürsten, Schwert und Dolch, fielen den Ungarn zur Beute zu.

      Thilo von Trotha brachte den gefangenen Kurfürsten unter einer Bedeckung von neapolitanischen Reitern zum Herzog von Alba. Dieser erstattete dem Kaiser Meldung. Karl wollte den edlen Fang sogleich sehen, aber dreimal weigerte sich der sonst so pflichtbewußte Alba, denn aus politischen Gründen fürchtete er mit Recht, daß Karl in der ersten Hitze den Kurfürsten allzu ungnädig behandeln werde. Der Kaiser bestand aber auf seinem Willen. Er hielt in der Heide zu Pferd.

      Als der noch aus seinen Wunden blutende Johann Friedrich des Kaisers ansichtig wurde, den er in seinen Absagebriefen als »Karl von Gent, der sich römischer Kaiser heißt« betitelt hatte, seufzte er tief und rief aus: »Miserere miserere mei domine, nos sumus jam hic!« Der Kaiser erkannte den friesischen Hengst wieder; es war derselbe, den Johann Friedrich vor drei Jahren auf dem Reichstag zu Speier geritten hatte. Von Alba unterstützt stieg der Kurfürst vom Pferd, wollte nach spanischer Sitte vor dem Kaiser aufs Knie fallen und zog auch wieder nach deutscher Sitte seinen Blechhandschuh aus, um als Kurfürst dem Kaiser die Hand zu reichen. Karl lehnte sowohl die spanische Devotions- als die deutsche Vertraulichkeitsbezeigung ab. Er war sehr finster; er wendete sich zur Seite. Endlich brach der Kurfürst das Stillschweigen mit der Titulatur, mit der ihm die Kurfürsten schrieben. Er sprach: »Großmächtigster, allergnädigster Kaiser.« Karl erwiderte: »Ja, ja, nun bin ich Euer gnädiger Kaiser; Ihr habt mich lange nicht so geheißen.« Der Kurfürst fuhr fort: »Ich bin auf diesen Tag Euer Gefangener und bitte um ein fürstlich Gefängnis. Kaiserliche Majestät wolle sich gegen mich als einen geborenen Fürsten halten.« Darauf sagte der Kaiser zornig: »Ja, wie Ihr verdient habt. Ich will mich so gegen Euch halten, wie Ihr Euch gegen mich gehalten habt. Führt ihn hin! Wir wissen uns wohl zu halten.«

Moritz von Sachsen
Moritz von Sachsen,
nach einem Holzschnitt aus der Werkstatt Cranachs.

      Erst spät in der Nacht kam Herzog Moritz von der Verfolgung der Ritter und Reiter zurück, bei der ihm heller Mondschein geleuchtet hatte. Mehr als zwanzig Stunden hatte er an diesem Tag zu Pferde gesessen, war mehr als einmal dem Tod entgangen, und nun fand er den Stammvetter in Gefangenschaft. Die Kur Sachsen war auf seinem Haupte fest.

      Karl zog nun vor Wittenberg und belagerte die Stadt. Die Bürger wollten sich bis auf den letzten Mann wehren, und Johann Friedrich weigerte sich, sie zur Übergabe aufzufordern. Da ließ der Kaiser durch ein spanisches Kriegsgericht das Todesurteil über ihn aussprechen, welches lautete, »daß bemeldeter Hans Friedrich, der Ächter, ihm zur Bestrafung und andern zum Exempel durch das Schwert vom Leben zum natürlichen Gericht fürgebracht und solch Urteil auf der im Feld aufgerichteten Walstatt vollzogen werden solle.«

      Der Kurfürst, dem es im Glück so sehr an der nötigen Energie gemangelt hatte, bewies im Unglück den ganzen Heldenmut des Glaubens, der sein einfaches Gemüt durchdrang. Er vernahm das Todesurteil, als er eben mit seinem Leidensgenossen Franz von Grubenhagen beim Schachbrett saß. Er erwiderte gelassen: »Ich kann nicht glauben, daß der Kaiser also mit mir handeln werde, ist es aber bei der kaiserlichen Majestät gänzlich beschlossen, so begehre ich, man soll es mir fest zu wissen tun, damit ich bestellen kann, was meine Frau und meine Kinder angeht.«

      Neun Tage lang ließ Karl seinen Gefangenen in der Todesfurcht schweben. Dem Kurfürsten von Brandenburg und dem Herzog von Cleve gelang es aber, das Unheil abzuwenden: die Wittenberger kapitulierten. Johann Friedrich blieb Gefangener des Kaisers so lange als es diesem gefallen würde; selbst nach Spanien sollte er ihn schicken dürfen. Zum Unterhalt für ihn und sein Haus wurde ein Teil von Thüringen mit einem Jahreseinkommen von fünfzigtausend Gulden bestimmt. Es war ein Artikel in der Kapitulation, demzufolge Johann Friedrich alles annehmen sollte, was das Konzil zu Trident oder die kaiserliche Machtvollkommenheit in Sachen der Religion beschließen werde; diesen Artikel anzunehmen weigerte

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