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unschuldigen Dr. Jekyll für seine Missetaten büßen, indem sie ihn schimpfend aus ihrem Revier jagte, sobald er sich erdreistete, die Nase zur Tür hereinzustecken, und ihm so manchen Leckerbissen verwehrte, nach welchem er lechzte.

      „Miss Faith Meredith, Gerald Meredith und James Blythe“, las Susan und ließ die Namen genüßlich auf ihrer Zunge zergehen, „haben das Redmond College absolviert und sind von ihren Freunden zu Hause herzlich begrüßt worden. James Blythe, der 1913 in den Geisteswissenschaften promovierte, hat sein erstes Jahr in Medizin hinter sich.

      „Faith Meredith mausert sich langsam zum hübschesten Mädchen, das ich je gesehen habe“, kommentierte Miss Cornelia, während sie sich über ihre Filetstickerei beugte.

      „Erstaunlich, was aus diesen Kindern geworden ist, seit Rosemary West ins Pfarrhaus gekommen ist. Die Leute haben schon fast vergessen, was für Flegel Jerry, Faith, Una und Carl früher waren, bevor der Pfarrer endlich zum zweiten Mal geheiratet hat. Weißt du noch, liebste Anne, was für ein Theater die immer veranstaltet haben? Wirklich erstaunlich, wie gut Rosemary mit ihnen zurechtgekommen ist. Sie ist auch eher wie eine Freundin zu ihnen als wie eine Stiefmutter. Alle mögen sie sehr, und Una liebt sie heiß und innig. Was den kleinen Stiefbruder Bruce betrifft, muß ich sagen, daß Una sich regelrecht zu seiner Sklavin macht. Er ist zwar ein netter Kerl. Aber seid ihr jemals einem Kind begegnet, das seiner Tante dermaßen ähnlich sieht wie Bruce seiner Tante Ellen? Genauso dunkelhaarig und genauso energisch. Von Rosemary hat er überhaupt nichts, finde ich. Norman Douglas behauptet ja steif und fest, der Storch hätte Bruce eigentlich für ihn und Ellen vorgesehen gehabt und hätte ihn nur aus Versehen im Pfarrhaus abgeliefert.“

      „Bruce bewundert Jem“, sagte Anne. „Wenn er zu uns kommt, dann folgt er Jem überallhin, wie ein braver kleiner Hund, und sieht ehrfürchtig unter seinen schwarzen Augenbrauen hervor zu ihm auf. Ich glaube ernsthaft, der würde für Jem alles tun.“

      „Wollen Jem und Faith eigentlich heiraten?“

      Anne lächelte. Man wußte ja, daß Miss Cornelia – ehemals überzeugte Männerhasserin – mit den Jahren dazu übergegangen war, Ehen zu stiften.

      „Bis jetzt sind die beiden nur gute Freunde, Miss Cornelia.“

      „Sehr gute Freunde, das könnt ihr mir glauben“, betonte Miss Cornelia. „Mir entgeht nichts von dem, was die jungen Leute so treiben.“

      „Ich schätze, dafür wird Ihre geschwätzige Mary Vance schon sorgen, liebe Mrs. Marshall Elliott“, sagte Susan und tat sehr wichtig. „Ich jedenfalls finde, es ist eine Schande, so über Kinder zu reden.“

      „Kinder! Jem ist einundzwanzig und Faith neunzehn“, regte sich Miss Cornelia auf. „Vergiß nicht, Susan, daß wir alten Leute nicht die einzigen Erwachsenen sind auf der Welt.“

      Susan haßte es, wenn jemand eine Anspielung auf ihr Alter machte, nicht etwa aus Eitelkeit, sondern aus Angst, man könnte sie dann zum Arbeiten für zu alt halten. Wütend vertiefte sie sich wieder in ihre Notizen.

      „Carl Meredith und Shirley Blythe sind vergangenen Freitag von der Queens Academy nach Hause zurückgekehrt. Laut unseren Informationen wird Carl nächstes Jahr die Schule in Harbour Head übernehmen. Sicherlich wird er ein beliebter und erfolgreicher Lehrer werden. “

      „Den Kindern alles über Käfer beizubringen wird er wohl noch schaffen“, sagte Miss Cornelia. „Jetzt, wo er die Queen’s hinter sich hat, wollten Mr. Meredith und Rosemary ihn eigentlich im Herbst in Redmond weiterstudieren lassen, aber Carl hat seinen eigenen Willen und will erst mal sein eigenes Geld verdienen. Das wird wohl auch das beste für ihn sein.“

      „Walter Blythe hat seine Lehrertätigkeit in Lowbridge aufgegeben, wo er zwei Jahre lang tätig war“, las Susan. „Es heißt, daß er im Herbst nach Redmond gehen will.“

      „Ist Walter denn schon kräftig genug, um nach Redmond zu gehen?“ wunderte sich Miss Cornelia.

      „Bis zum Herbst ist er hoffentlich stark genug“, sagte Anne Blythe. „Ein erholsamer Sommer in frischer Luft und Sonnenschein wird ihm sehr gut tun.“

      „Von Typhus erholt man sich nicht so schnell“, bemerkte Miss Cornelia, „schon gar nicht, wenn man wie Walter nur mit knapper Not davongekommen ist. Ich finde, er sollte lieber noch ein Jahr mit dem College warten. Andererseits ist er so ehrgeizig. Gehen Di und Nan denn auch?“

      „Ja. Sie wollten beide noch ein Jahr unterrichten, aber Gilbert möchte lieber, daß sie schon diesen Herbst nach Redmond wechseln.“

      „Da bin ich froh. Die werden dann ein Auge auf Walter haben und aufpassen, daß er sich nicht überanstrengt“, sagte Miss Cornelia und fuhr mit einem Seitenblick auf Susan fort: „Ich nehme an, daß es für mich nicht ratsam ist, nach der Abfuhr von vorhin die Vermutung zu äußern, daß Jerry Meredith Nan schöne Augen macht?“

      Susan ging nicht darauf ein, und Anne mußte lachen.

      „Liebste Miss Cornelia, habe ich nicht schon genug Verliebte um mich herum? Es würde mich ja umbringen, wenn ich das alles ernst nähme. Ich tue es nicht, es ist nämlich schon schwer genug, sich damit abzufinden, daß die Kinder erwachsen sind. Wenn ich mir meine beiden großen Söhne so ansehe, kann ich mir gar nicht vorstellen, daß das die süßen, runden Babys waren, die ich doch eben erst geküßt und liebkost und in den Schlaf gesungen habe. Als wäre es gestern gewesen, Miss Cornelia. War Jem nicht das allerliebste Baby in unserem alten Traumhaus? Und jetzt ist er Bachelor of Arts und wird bezichtigt, auf Freiersfüßen zu wandeln!“

      „Wir alle werden älter“, seufzte Miss Cornelia.

      „Ich fühle mich nur an einer Stelle alt“, sagte Anne, „nämlich an dem Knöchel, den ich mir damals auf Green Gables brach, als Josie Pye mich dazu herausforderte, den Dachfirst von Mr. Barry entlangzumarschieren. Er tut mir weh, wenn der Wind von Osten kommt. Ich will nicht behaupten, daß es Rheumatismus ist, aber es tut wirklich weh. Was die Kinder betrifft, wollen sie mit den Merediths einen fröhlichen Sommer verbringen, bevor sie im Herbst ihr Studium wiederaufnehmen. Sie sind eine so muntere kleine Bande. Mit ihnen geht es immer lustig zu in diesem Haus.“

      „Geht Rilla auch auf die Queen’s, wenn Shirley zurückgeht?“

      „Das steht noch nicht fest. Ich glaube, eher nicht. Erstens findet Gilbert, daß sie nicht widerstandsfähig genug ist. Sie wächst und wächst. Sie ist wirklich lächerlich groß für ein Mädchen, das noch keine fünfzehn ist. Ich hätte keine Sorge, sie gehen zu lassen, aber es wäre doch schrecklich, nächsten Winter kein einziges meiner Kinder mehr bei mir zu haben. Susan und ich, wir würden uns wahrscheinlich nur noch streiten, um der Eintönigkeit zu entgehen.“

      Susan grinste bei dieser Vorstellung. Das war zu komisch, sie und mit der „lieben Frau Doktor“ streiten!

      „Will Rilla selbst denn gehen?“ wollte Miss Cornelia wissen.

      „Nein. Um ehrlich zu sein, Rilla ist die einzige aus meiner Kinderschar, die keinen Ehrgeiz hat. Ich wünschte wirklich, sie hätte ein bißchen mehr davon. Sie hat überhaupt keine ernsthaften Ziele. Das einzige, was sie anstrebt, ist anscheinend, es sich gutgehen zu lassen.“

      „Und was spricht dagegen, liebe Frau Doktor?“ ereiferte sich Susan. Sie konnte es nicht ertragen, wenn über irgend jemanden von Ingleside schlecht gesprochen wurde, auch nicht von einem eigenen Familienmitglied. „Ich finde, ein junges Mädchen sollte sein Vergnügen haben. Für Latein und Griechisch wird schon noch genug Zeit übrigbleiben.“

      „Wenn sie wenigstens ein bißchen Verantwortungsgefühl an den Tag legen würde, Susan. Und du weißt doch selbst, wie furchtbar eitel sie ist.“

      „Dazu hat sie auch allen Grund“, gab Susan zurück. „Sie ist das hübscheste Mädchen in ganz Glen St. Mary. Ein Mädchen mit einer so zarten Haut wie Rilla hat doch noch keiner von den vornehmen MacAllisters, Crawfords und Elliotts jemals gesehen. Nein, liebe Frau Doktor, ich weiß, es steht mir nicht zu, aber ich kann nicht zulassen, daß Sie Rilla schlechtmachen. – Hören Sie her, Mrs. Marshall Elliott!“

      Susan hatte eine Gelegenheit entdeckt, es Miss Cornelia für ihre

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