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bis auf ein gelegentliches Husten und Stöhnen hinter den Wänden aus Kokosnußblättern. In Vailima fiel jeder einzelne Samoaner dieser »fremden Krankheit« zum Opfer. Die Halle unseres Hauses wurde in einen Krankensaal mit einer doppelten Reihe von Betten verwandelt. Auch mein Mann steckte sich an und lag eine Zeitlang schwer darnieder. Aber selbst eine Influenza mit nachfolgendem Lungenbluten vermochte ihn nicht von der Arbeit, speziell von »St. Ives« abzuhalten. Seine Sekretärin lehrte ihn das Taubstummenalphabet, mit dessen Hilfe er langsam und mühselig etwa fünfzehn Seiten diktierte.

      Eine bedeutsamere Unterbrechung brachte eine Reise nach Sydney. Mein Mann machte diese Fahrt zu seiner Erholung, ohne während seines Aufenthaltes in den Kolonien auch nur einen Strich zu arbeiten. Er hatte die Influenza vollständig überwunden, befand sich in bester Stimmung und genoß alles, was er unterwegs erlebte, selbst die Reden und Trinksprüche, die er in den Hotels halten mußte. Wir gaben Gesellschaften auf unseren Zimmern im Hotel, besuchten anderer Leute Gesellschaften, machten lange Spazierfahrten und durchstreiften zu Fuß den ganzen Stadtbezirk. Fremde, die meinem Mann in Sydney begegneten, vermochten kaum zu glauben, daß er eben erst von einem Krankenlager genesen sei. Einer Londoner Journalistin fiel es zu, alle Kräfte, die er während dieser Erholungszeit gesammelt hatte, wieder zunichte zu machen. Auf unserer Rückfahrt nach den Inseln legte sie ihm an einem zugigen Platz des Dampfers einen Hinterhalt, um ein Interview zu erlangen, und fesselte ihn durch einen Monolog so lange an Ort und Stelle, daß er sich von neuem schwer erkältete und bis zu unserer Ankunft in den Tropen an seine Kabine gefesselt war.

      Nun folgte der aufreibendste Abschnitt in meines Mannes Leben. Bei unserer Ankunft in Samoa tobte dort ein Krieg, wie immer von den Weißen zu selbstsüchtigen Zwecken geschürt. Ich stehe davon ab, seine politische Seite zu berühren; wo meines Mannes Sympathien lagen, geht klar aus den Artikeln hervor, die er damals schrieb. Alles, was sich seither begeben hat, zeigt eindeutig die Weisheit der Maßregeln, für die er sich einsetzte.

      Geraume Zeit zuvor hatte er verschiedene der führenden Häuptlinge überredet, Kakao zu pflanzen, und hatte ihnen auch den Samen für die Plantagen geschenkt. Jetzt schlug er einem von ihnen, Mataafa, vor, eine Fabrik zur Verwertung von Kokosfasern zu errichten. Er selbst beabsichtigte das Geld zur Beschaffung der Maschinen und des erforderlichen Materials zu stiften und hatte sich zu diesem Zweck bereits mit englischen Firmen in Verbindung gesetzt, als der Krieg ausbrach. Da das geplante Unternehmen viel Geld zu verschlingen versprach, arbeitete er angestrengt an den beiden angefangenen Romanen, von denen er erwartete, daß sie ihm die nötigen Summen einbringen würden. Nach der Deportation Mataafas hoffte er immer noch, die übrigen Häuptlinge zu der Einsicht bringen zu können, daß es unter den bestehenden Verhältnissen notwendiger denn je sei, ihr Land zu bebauen, statt ihre Kräfte in nutzlosen Kämpfen zu vergeuden. In seiner Ansprache an die Häuptlinge, die für ihn die »Straße des liebenden Herzens« bauten, sagte er: »Wer kämpft am besten für Samoa? … Der Mann, welcher Wege baut, Fruchtbäume pflanzt, Ernten einsammelt und als ein nützlicher Diener des Herrn sich des kostbaren Talentes bedient, das seiner Obhut anvertraut ist … denn alle Dinge in diesem Lande sind miteinander verknüpft wie die einzelnen Glieder einer Ankerkette; der Anker selbst jedoch ist der Fleiß.« An anderer Stelle spricht er von Mataafa: »Er hatte begriffen, was ich euch heute sage; kein Mensch erkannte das besser als er. Er sah den Tag voraus, da Samoa einen neuen Weg beschreiten würde und nicht nur mit Kanonen und pulvergeschwärzten Gesichtern, mit dem Gebrüll schreiender Krieger, nein, durch Graben und Pflanzen, Mähen und Säen verteidigt werden müßte. Als er noch unter uns weilte, widmete er sich dem Pflanzen des Kakaostrauches; er interessierte sich eifrig für Landwirtschaft und Handel. Ich wollte, jeder einzelne Häuptling dieser Inseln würde sich zur Arbeit anschicken, würde Wege bauen, seine Felder bestellen und Fruchtbäume pflanzen, würde seine Kinder erziehen und so sein Talent mehren – nicht um Tusitalas willen, sondern seinen Brüdern und Kindern, ja den langen Reihen ungeborener Geschlechter zuliebe.«

      Das Gerücht, daß Tusitala die Absicht hätte, Mataafa auf irgendeine Weise zu helfen, wurde bald überall ausgestreut. Die einzige Erklärung, welche die weißen Ansiedler mit wenigen Ausnahmen finden konnten, war, daß wir Waffen und Munition für Mataafas Armee einschmuggeln wollten. Die Summe, die wir hierfür aufgewendet haben sollten, wuchs ins Ungeheuerliche. Eine Laterne für unsere Veranda, ein Geschenk meiner Schwiegermutter, sollte angeblich als Signallicht für ein geheimnisvolles Schiff dienen, das sich in der Nähe der Küste aufhielte. Einige von diesen Geschichten waren unglaublich töricht – zum Beispiel die über einen verborgenen Weg, den wir über die Berge nach Mataafas Dorf Malie erschlossen hätten; oder das Gerücht, daß dreitausend von Mataafas Kriegern in unseren Wäldern einquartiert lägen. Ich erinnere mich noch, wie wir lachen mußten, als ein hoher, europäischer Beamter, der auf unserer Veranda Tee trank, fast ohnmächtig geworden wäre, als er das Pu oder Kriegshorn blasen hörte, mit dem wir unsere Arbeiter zusammenzurufen pflegten; er glaubte fest an einen verräterischen Überfall. Der König, Laupepa, erwies sich als weit tapferer. Er blickte meinen Mann lediglich mit einem fragenden Lächeln an.

      Mein Mann bemühte sich sowohl öffentlich wie im geheimen nach Kräften, eine Versöhnung zwischen Mataafa, den er sehr hoch schätzte, und dem liebenswürdigen, gebrochenen Laupepa, der zu einer Marionette in den Händen weniger Weißer geworden war, herbeizuführen. Diese Aussöhnung wurde von beiden Anführern ersehnt und hätte dem Lande den Frieden gebracht. Allein eine derartige Entwicklung würde verschiedenen, an dem Handel mit gewissen Gebrauchsgegenständen stark interessierten Persönlichkeiten finanzielle Verluste beigebracht haben, ganz zu schweigen von einer Reihe ehrgeiziger Beamter, die jede Gelegenheit begrüßten, sich der Öffentlichkeit ins Gedächtnis zu rufen. Beide Cliquen hielten meines Mannes Gegenwart auf der Insel für eine Gefährdung ihrer Pläne. Daher setzte von ihrer Seite eine förmliche Verfolgung ein. Verschiedene neu eingestellte Arbeiter in Vailima gestanden, daß man sie als Spione gegen Tusitala gedungen hätte. Man drohte ganz öffentlich mit einer Deportation. Viel später erzählte mir der Kapitän eines Passagierdampfers, man wäre an ihn herangetreten mit dem Vorschlag, meinen Mann an Bord seines Schiffes zu locken und ihn zu verschleppen. »Ich würde aber nicht den Mut dazu gehabt haben, selbst wenn ich es gewollt hätte«, sagte der Kapitän. »Wie hätte ich eine derartige Tat in irgendeinem Hafen der englischen Kolonien rechtfertigen sollen? Man hätte mich ja in Stücke gerissen, wenn es herausgekommen wäre.« Vergeblich versuchte man Laupepas Krieger zu einem Angriff gegen Vailima aufzuhetzen. Sobald eine Bande Mataafaner eine Niederlage erlitten hatte, hielt man meinem Mann höhnisch dieses Scheitern seiner Pläne vor. Allerlei versteckte Anspielungen und Verleumdungen gegen Tusitala erschienen in der einzigen Zeitung unserer Insel. Ja, einmal erließ Sir John Thurston, der Britische Kommissar der Fidschiinseln, ein gegen meinen Mann gerichtetes Edikt, das jedoch sofort auf telegraphischem Wege widerrufen wurde, sobald es Downing Street erreichte.

      Eine Seite von meines Mannes Charakter ist fast gänzlich unbekannt; seine Neigung für den schriftstellerischen Beruf kam bei ihm erst an zweiter Stelle. Lediglich seiner schlechten Gesundheit als Kind ist es zuzuschreiben, daß er nicht die militärische Laufbahn wählte. Seine Bibliothek enthielt zahlreiche Werke über Taktik, Befestigungskunst usw., über die er ein gründliches Examen hätte ablegen können. Man kann sich daher vorstellen, wie aufreibend es für ihn war, Bücher schreibend auf seiner Veranda zu sitzen, während er wußte, daß draußen bei beiden Parteien die törichtsten Mißgriffe vorkamen und daß es eine Kleinigkeit sei, die Waagschale zugunsten der einen niedergehen zu lassen. Es gab Momente, in denen er stark versucht war, das zu tun, was man ihm vorwarf: nämlich sich auf Mataafas Seite zu schlagen. Allein immer wieder siegte seine Vernunft und sandte ihn an den Schreibtisch und an das Tintenfaß zurück. Eine der geringeren Schikanen, die er sich gefallen lassen mußte, war ein Verbot, Feuerwaffen zu kaufen. Der einzige Grund, weshalb er ein paar Gewehre zur Verfügung zu haben wünschte, war, daß wir rund dreieinhalb Meilen tief im Busch auf historischem Grund und Boden wohnten, an der Grenze der beiden feindlichen Gebiete. Jederzeit konnte es unmittelbar vor unserer Tür zu einem Zusammenstoß kommen. Wir hatten nur in einem einzigen Falle Grund zur Furcht: Auf Samoa wurden keine Gefangenen gemacht. Selbst ein verwundeter Gefangener wurde sofort geköpft und sein Haupt als Beweis der Tapferkeit dem Häuptling überbracht. Tusitala wußte, daß Verwundete von beiden Parteien sich zu ihm flüchten würden. Mit leeren Händen, ohne Waffen, konnte er sie nicht beschützen. Daher kam er um die Erlaubnis

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