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Handeln ruft; und dieser jetzt so nüchterne Hob hatte ein für allemal das Ausmaß des Teufels, der ihn ritt, gezeigt. Er war verheiratet und wurde von seiner Frau dank des verklärenden Schimmers jener legendären Nacht auf Händen getragen. Er besaß eine Horde kleiner, kräftiger, barfüßiger Kinder, die in einer langen Karawane die vielen Meilen zur Schule marschierten und die einzelnen Stationen ihrer Pilgerfahrt durch Zerstörungswut und allen möglichen Unfug bezeichneten. In der ganzen Gegend waren sie als eine Landplage verschrien, aber daheim verhielten sie sich mucksmäuschenstill, »wenn der Vater zu Haus’ war«. Mit einem Wort, Hob bewegte sich im Geschwindschritt durchs Leben – wie das der Lohn eines jeden ist, der inmitten eines von der Zivilisation geknebelten und verzärtelten Landes unter grausigen und romantischen Begleitumständen seinen Mann getötet hat.

      Es gab ein geflügeltes Wort im Lande: Die Elliotts wären wie die Sandwichs – auf jede schmackhafte Scheibe folgt eine unschmackhafte –, und wirklich wechselten durch einen sonderbaren Unterschied die Träumer mit den Tüchtigen ab. Der zweite Bruder, Gib, war von Beruf ein Weber und war schon als junger Mensch in die Welt nach Edinburg gezogen, von wo er mit versengten Schwingen heimkehrte. In seiner Natur lag eine gewisse Exaltation, die ihn veranlaßte, sich mit Begeisterung die Prinzipien der französischen Revolution anzueignen. Die Folge war, daß er gelegentlich jenes wütenden Ansturms gegen die Liberalen, der Muir und Palmer in die Verbannung hetzte und die ganze Partei gleich Spreu in alle Winde trieb, Lord Hermiston in die Quere kam. Man munkelte, Mylord habe in seiner grenzenlosen Verachtung und von einer gelinden, freundnachbarlichen Regung bewogen, Gib noch rechtzeitig einen Wink erteilt. Als dieser ihm eines Tages in der Potterrow begegnete, hatte Mylord ihn mit den Worten angehalten: »Gib, du Idiot, was muß ich von dir hören? Politik, Politik, nichts als Politik, Weberpolitik, nach allem, was die Leute sagen! Wenn du nicht ganz von deiner Idiotie besoffen bist, marschierst du schnurstracks nach Cauldstaneslap zurück; dort treib deinen Webstuhl, treib deinen Webstuhl, Mann!« Und Gilbert hatte den Wink beherzigt und war mit einer Hast, die man fast als Flucht bezeichnen konnte, in das Haus seiner Väter zurückgekehrt. Sein klarstes Erbe war jene Familienbegabung fürs Gebet, deren Kirstie sich rühmte; und der gescheiterte Politikus wandte jetzt seine Aufmerksamkeit religiösen Dingen oder – wie andere es nannten – der Ketzerei und dem Schisma zu. Er begab sich von nun an jeden Sonntag nach Crossmichael, wo er allmählich eine Sekte, bestehend aus einem Dutzend Mitgliedern, zusammenbrachte, die sich »Gottes letzte Streiter des wahren Glaubens« oder kurz nur »Gottes letzte Streiter« nannten. Den Lästermäulern waren sie als »Gibs Teufel« bekannt. Bailie Sweedie, ein bekannter Witzbold jener Stadt, schwur, der Gottesdienst würde regelmäßig mit der Melodie »Die Zollbeamten soll der Teufel holen« eingeleitet und das Sakrament würde in Form von heißem Whisky-Toddy genommen. Beides war ein boshafter Hieb gegen den Evangelimann, den man in seiner Jugend der Schmuggelei verdächtigt hatte und der einmal während des Jahrmarkts »knüppelhagelvoll« (wie der Ausdruck lautet) in den Straßen von Crossmichael aufgefunden worden war. Man wußte, daß diese letzten Streiter allsonntäglich den Segen auf Bonapartes Waffen herabflehten. Aus eben diesem Grunde waren sie wiederholt vor dem Häuschen, das ihnen als Tempel diente, von den Kindern mit Steinen beworfen worden; ja Gibs eigener Bruder Dand hatte einmal als Mitglied der freiwilligen Grenzwacht mit gezogenem Schwert gegen ihn eine Attacke geritten. Die »Letzten Streiter« hatten den Ruf, im Prinzip »Antinomisten« zu sein, was anderenfalls ein schwerer Vorwurf gewesen wäre, bei der damalig herrschenden öffentlichen Meinung jedoch gänzlich von dem Skandal um Bonaparte verschlungen wurde. Im übrigen hatte Gilbert seinen Webstuhl in einem der Nebengebäude von Cauldstaneslap aufgestellt, wo er sechs Tage in der Woche fleißig arbeitete. Seine Brüder waren über seine politischen Ansichten entsetzt und sprachen, um Zwistigkeiten zu vermeiden, nur selten mit ihm; er jedoch noch seltener mit ihnen, da er fast ständig im Studium der Bibel und im Gebet versunken war. Dagegen wurde der hagere Weber zur Kinderfrau von Cauldstaneslap; alle Kleinen liebten ihn zärtlich. Außer wenn er ein Kind auf den Armen trug, sah man ihn nur selten lächeln; überhaupt waren die Lächler rar in der Familie. Wenn dann seine Schwägerin ihn neckte und ihm vorschlug, er solle doch selbst eine Frau nehmen und Kinder zeugen, da er sie so liebe, pflegte er zu erwidern: »In jenem Punkte bin ich noch zu keiner Klarheit gekommen.« Falls man ihn nicht zum Essen rief, blieb er einfach fort. Mrs. Hob, eine harte, wenig mitfühlende Frau, machte einmal die Probe aufs Exempel. Er blieb den ganzen Tag ohne Nahrung, aber etwa um die Dämmerung, als das Licht versagte, betrat er von sich aus mit verwirrtem Ausdruck das Haus. »Heut hab’ ich mächtig im Gebet gerungen«, bemerkte er. »Ich weiß nicht, ich kann mich nicht so recht besinnen, was es zu Mittag gab.« Die Sekte der »Gottesstreiter« ward durch ihres Gründers Leben gerechtfertigt. »Und doch, wer weiß«, meinte Kirstie, »vielleicht ist er gar nicht mal schlimmer als seine Nachbarn! Er ist mit den anderen ausgeritten und soll sich nach allem, was man so hört, gut gehalten haben! Gottes letzte Streiter? Des Teufels Marktschreier! Viel Christliches war aber auch nicht an der Art, wie Hob Johnny Dickieson traktierte! Gott allein weiß Bescheid! Ist Gib überhaupt ein Christ? Meines Wissens könnte er ebensogut ein Mohammedaner oder ein Teufel oder ein Feueranbeter sein!«

      Der dritte Bruder schrieb seinen Namen in der Stadt Glasgow auf ein messingnes Türschild so lang wie sein Arm: »Mr. Clemens Elliott«, nicht mehr und nicht weniger. In seinem Falle hatte jener Geist der Neuerung, der sich bei Hob nur schüchtern in Versuchen mit Düngemitteln hervorwagte und sich bei Gilbert an umstürzlerische Politik und ketzerische Dogmen verschwendete, die Form von sinnreichen, mechanischen Erfindungen angenommen und wahrhaft nützliche Früchte getragen. Als Knabe hatte man ihn dank seiner Neigung zu allerlei seltsamen Versuchen mit Hölzchen und Bindfaden für den Sonderling der Familie gehalten. Aber das war jetzt längst vorbei: Clemens war inzwischen Teilhaber seiner Firma geworden und würde aller Wahrscheinlichkeit nach als Alderman sterben. Auch er hatte geheiratet und zog nun inmitten des Rauchs und Lärms von Glasgow eine zahlreiche Familie auf; er war reich, und man flüsterte, er könne seinen Bruder, den Dungkärrner, sechsmal auskaufen; und wenn er sich jetzt auf Cauldstaneslap eine wohlverdiente Erholung gönnte, was er so oft tat, als es ihm möglich war, setzte er die Nachbarn durch seinen feinen Tuchanzug, seinen Kastorhut und die üppigen Falten seines Halstuchs in Erstaunen. Obgleich im Grunde seines Herzens ein durchaus solider Mann nach dem Vorbilde Hobs, hatte er sich eine gewisse Glasgower Smartneß und einen Aplomb angeeignet, die ihn vor allen auszeichneten. Alle übrigen Elliotts waren mager wie die Heringe, Clemens aber setzte allmählich Fett an und schnaufte zum Gottserbarmen, wenn er sich die Stiefel anzog. Dand pflegte dann wohl kichernd zu bemerken: »Ja, Clem, der hat die Elemente zu einem ganzen städtischen Gemeinderat in sich.« »Zum Bürgermeister und zum Rat«, erwiderte Clem, und seine Schlagfertigkeit wurde viel bewundert.

      Der vierte Bruder, Dand, war seines Zeichens nach ein Schäfer und tat sich zeitweise in seinem Beruf hervor, wenn er sich dazu zwingen konnte, ihn auszuüben. Niemand verstand wie Dandie einen Hund zu dressieren; keiner zeichnete sich in den Fährnissen der großen winterlichen Schneestürme durch größere Tapferkeit aus. Allein trotz seiner vollendeten Geschicklichkeit war er nur ein unregelmäßiger Arbeiter, und er diente seinem Bruder lediglich gegen Wohnung und Beköstigung und ein geringes Taschengeld, das er auf Verlangen erhielt. Er liebte Geld zwar sehr und wußte es auch auszugeben. Ja, er verstand sich sogar gelegentlich, wenn er wollte, zu einem schlauen, vorteilhaften Handel. Aber er zog doch das unklare Bewußtsein, genügend Kleingeld im Beutel zu haben, der genauen Kenntnis der Summe in seiner Tasche vor; er fühlte sich reicher so. Hob hielt ihm dann vor: »Du machst; daß ich in der Schafzucht nur ein Stümper bleibe«, worauf Dand gewöhnlich erwiderte: »Ich werd’ dir deine Schafe hüten, wenn ich Lust dazu habe, aber meine Freiheit hüt’ ich mir auch. Ich lasse keinen Menschen an mir rumnörgeln.« Clem pflegte ihm die wunderbaren Resultate von Zins und Zinseszins auseinanderzusetzen und ihm eine Anlage seiner Ersparnisse zu empfehlen. »Was?« meinte Dandie: »Mann, glaubst du wirklich, wenn ich Hob das Geld aus der Tasche zöge, daß ich’s nicht in Schnaps und in Geschenken für die Mädels anlegte? Überhaupt ist mein Reich nicht von dieser Welt. Entweder bin ich ein Dichter, oder ich bin gar nichts.« Clem gemahnte ihn an seine alten Tage. »Ich sterbe jung wie Robbie Burns«, lautete die tapfere Antwort. Ohne Frage zeichnete er sich auch wirklich durch eine Begabung für volkstümliche Verse aus. Sein Lied »Der Bach von Hermiston« mit dem einschmeichelnden Refrain

      Gedankenvoll weil’ ich beim Bache, so eilig,

      

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