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Ihre Schönheit wirkt verwirrend auf ihn, noch mehr aber der Blick ihrer tiefgründigen, fragenden Augen.

      »Charlotte«, beginnt er, mit einem Ruck sich ihr zuwendend, »ich war bei Maria!«

      »Ach!« bringt sie mühsam heraus.

      »Maria ist glücklich, denn sie weiß nichts von ihrem traurigen Leben«, spricht Bernd weiter. Er hat nun seine Ruhe und Besonnenheit wiedergefunden. Aber Charlotte scheint seine Worte gar nicht zu hören. »Maria ist nicht zu helfen, aber ihre Kinder leben, und diese haben Anspruch auf die Liebe und Sorge eines Mutterherzens. Sicherlich ist meine Mutter lieb und gut zu den Kleinen, aber ihre Kräfte werden mehr und mehr aufgezehrt. Für die Dauer ist sie dem, was sie übernommen hat, weder körperlich noch seelisch gewachsen.« Er atmet tief auf. »Deshalb habe ich mich entschlossen, meinen Kindern eine zweite Mutter zu geben.«

      Er neigt sich tiefer, greift nach ihren verkrampften Händen, was sie nicht einmal bemerkt. »Charlotte – werden Sie meine Frau – und meinen Kindern eine gute Mutter!«

      Ihr eben noch rosiges Antlitz überzieht sich jäh mit tiefer Blässe.

      »Ich – ich soll – ach, mein Gott!« Ihr Kopf lehnt sich wie Halt suchend an seine Schulter. Ihr ganzes Inneres ist aufgewühlt, und die widerstreitendsten Empfindungen beherrschen sie.

      »Charlotte!« hört sie jetzt wie aus weiter Ferne die geliebte Stimme an ihr Ohr dringen. »Soll ich – soll ich vergebens gefragt haben?«

      Da schlägt sie die Augen auf und sagt innig: »Nein, Bernd, du hast nicht vergebens gefragt, ich will deinen Kindern eine gute Mutter sein.« So sehr Charlotte sich auch beherrscht, ihre ganze tiefe Liebe zu ihm liegt in diesen Worten, und langsam tropft Träne um Träne aus ihren vor Erregung dunklen Augen.

      »Ich danke dir, Charlotte!« Und mit einem weichen Lächeln setzt er hinzu: »Du sollst es niemals bereuen, Charlotte. Wenn mir noch einmal ein zweites Glück beschert sein soll, dann erhoffe ich es von dir. – Noch kann ich dir zwar mein Herz nicht anbieten, denn es ist immer noch nicht frei. Du weißt es – und du wirst mich doch immer verstehen. Habe Geduld mit mir, darum bitte ich dich!«

      Seine Lippen berühren sanft ihren blassen Mund.

      »Gib mir deine Hand, Bernd«, bittet Charlotte leise. Gern überläßt er sie ihr. »Gemeinsam wollen wir nun durch das Leben wandern, Bernd. Zu zweien trägt sich alles viel, viel leichter.« Ihre Augen forschen ernst in den seinen. »Du mußt mit allen Sorgen zu mir kommen, Bernd, mit allen. Du darfst auch mit mir über Maria sprechen, hörst du. Ich will mir Mühe geben, dich all das Schreckliche vergessen zu machen, was du erlebtest. Versprichst du mir das?«

      »Ich verspreche es dir«, sagt er fest und ohne Zögern. Bernd ist auf einmal so frei und leicht zumute wie seit langem nicht. Er weiß, ihm ist nun zum zweiten Male eine große Liebe geschenkt, die fortan sein Leben überstrahlen wird.

      Dann gehen sie zu den anderen zurück, um mit den Kindern das Fest der Freude und der Liebe feierlich zu begehen.

      Frau Hanna küßt die junge Braut weich und mütterlich, und dann liegt Charlotte ihrer geliebten Delian im Arm.

      Nun erst vermag sie ihr Glück, die Wendung ihres Geschicks völlig zu begreifen.

      Bernd wechselt einen verständnis­innigen Blick mit seiner Mutter, als wollte er sagen: »Habe ich es so recht gemacht? Bist du nun zufrieden mit mir?«

      Frau Hanna ist die erste, die den Bann bricht. »So – nun wollen wir Weihnachten feiern!«

      Bernd schiebt die Flügeltüren auseinander und zündet die Lichter am Baume an. Wie selbstverständlich nimmt Charlotte den Platz vor dem Flügel ein. Unter ihren schlanken Fingern wird die schlichte Weihnachtsmelodie zu einer Jubelhymne.

      Frau Hanna trägt Klein-Monika auf dem Arm, deren Mündchen offen steht vor Staunen, während Ingrid an Frau von Delians Hand ihr kleines Herz dem Weihnachtswunder weit öffnet.

      »Stille Nacht, Heilige Nacht…«, klingt es auf.

      Dann mischt sich Ingrids Jubel in die weihnachtliche Weise. Sie hüpft, übersprudelnd vor Wonne, um den strahlenden Lichterbaum und all die herrlichen Sachen, die liebe Hände für sie auf dem Tisch aufgebaut haben. Plötzlich stutzt sie und zieht wieder einmal ihr Schmollmünd­chen.

      »Kein Puppenhaus?« fragt sie mit vor Erwartung fiebernden Bäckchen.

      Charlotte gibt Bernd einen Wink. Darauf gehen sie in ein Nebenzimmer, kommen nach wenigen Augenblicken zurück und tragen einen recht umfangreichen Bau herein, den sie vor den immer größer werdenden Augen Ingrids niedersetzen.

      »Da, mein Liebling!« Charlotte führt die staunende Kleine näher heran. »Der Weihnachtsmann hat es versehentlich bei mir abgegeben – es ist für dich.«

      »Für mich?« Noch kann Ingrid es gar nicht fassen. Aber schon nach wenigen Augenblicken kniet sie am Boden, und von nun an ist sie von ihrem Puppenhaus, das sie sich so heiß gewünscht hat, nicht mehr fortzubringen. – Es ist aber auch ein kleines Kunstwerk, das Charlotte heimlich hat anfertigen lassen.

      Ingrids Jubel nimmt kein Ende. Immer wieder hängt sie an Charlottes Hals und küßt sie stürmisch ab. »Meine gute Tante Charlotte!«

      Bernd erblaßt, das Kind muß nun doch erfahren, daß ihr der Weihnachtsmann noch viel mehr beschert hat!

      Charlotte errät seine Gedanken. Sie zieht Ingrid auf ihren Schoß, um sie aufzuklären. Es dauert jedoch lange, bis Ingrid den nötigen Ernst aufbringt.

      »Du bist doch schon ein verständiges Mädchen«, beginnt Charlotte mit klopfendem Herzen. Energisch bejahend nickt Ingrid.

      »Ganz verständig, Tante Charlotte!« versichert sie eifrig.

      Charlotte lächelt und fährt über das wirre Haar, über das heiße Gesichtchen. Sie weist auf das Puppenhaus.

      »Siehst du dort die feine Dame in dem prächtigen Seidenkleid? Das ist die Mutti deiner vielen Puppenkinder.«

      »Ach nein, Tante Charlotte, die Mutti bin doch ich!« widerspricht Ing­rid, nun ganz aufmerksam und nicht mehr ungeduldig zappelnd.

      »Schau mal an, die rote Dame da sieht doch ganz blaß aus. Sie muß viel leiden und immer ruhen. Hier auf diesem schönen Bett muß sie liegen. Was machen denn da die vielen hübschen Kinder? Sie müssen doch gewaschen, gekämmt und versorgt werden, und dann muß doch jemand mit ihnen spielen.«

      Klein-Ingrid blickt ganz ratlos drein. »Die armen Puppenkinder müssen aber doch eine Mutti haben, die das alles macht!«

      »Gewiß, mein Herzblatt, und diese neue Mutti, das bist du! Von heute an werden die Puppenkinder keine Not mehr leiden, nicht wahr? Die vornehme rote Dame wird sich auf ihr Ruhebett legen, und du nimmst ihr alle Sorgen ab, willst du das?«

      Wie Sonnenstrahlen huscht es über das reizende Kindergesicht.

      »Ja, und ich werde die Kinder sehr lieb haben!« Plötzlich verschwindet das Kinderlächeln, und um den kleinen Mund zuckt es. »Tante Charlotte, unsere Mutti ist doch auch sehr krank, nicht wahr? Vati hat es gesagt. Müssen wir da nicht auch eine neue Mutti haben?«

      »Da hast du recht, Ingrid. Aber wer ist dir denn so richtig lieb, außer der Oma?«

      Charlottes Augen sind voll Spannung auf das nachdenkliche Kind gerichtet. Mit einem Male schlägt Ing­rid die Hände zusammen, das helle Stimmchen jubelt es förmlich hervor: »Dann bist du eben unsere Mutti, Tante Charlotte! Du bist doch so gut zu uns! Du bringst uns abends ins Bettchen und – und«, sie schmiegt sich innig an Charlotte, »ich habe dich sehr lieb, Tante Charlotte!«

      Nach diesem rührend kindlichen Geständnis bleibt es still zwischen Charlotte, Bernd und dem Kinde, das wohlgeborgen in Charlottes Arm ruht.

      »Ingrid hat entschieden«, sagt sie leise, unter Tränen zu Bernd aufblickend. »Nun bin ich deine Mutti, ja?« wendet sie sich sofort wieder an Ingrid. »Und wir wollen uns immer liebhaben, ja?«

      »Dann mußt du aber

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