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paar Minuten sitzt sie in ihrem Schlafzimmer, ohne eine Hand zu rühren. Ganz abgespannt sieht sie aus.

      Ob Bernd auch wirklich nicht leidet? – Zum wievielten Male stellt sie sich wohl diese Frage? – Ja, sie muß ihn einmal fragen, ganz vorsichtig aushorchen. Aber sie hat wenig Talent dazu und kann nur schlecht ihre wahren Empfindungen verbergen. Das hat sie noch nie gekonnt.

      »Mutti – Mutti!« Die hellen Stimmen der Mädels reißen sie aus ihrer Versunkenheit. Flüchtig schlingt sie ein seidenes Tuch über das blonde Haar, schlüpft in den Automantel und geht zu den anderen.

      Dann fahren sie hinaus zu Bob Rodischs Haus. Sie bleiben nicht lange.

      »Wir müssen fort«, drängt Charlotte mit einem Male, gegen ein leichtes Schwindelgefühl ankämpfend.

      Bernd bemerkt die Erregung Charlottes und führt sie aus dem Zimmer.

      Langsam lenkt er kurz danach den Wagen durch die Straßen, auf die die letzten Sonnenstrahlen fallen. Bernd möchte Charlotte sehr gern etwas Liebes sagen, denn zuviel Sehnsucht spricht aus ihren Augen, doch er findet nicht den richtigen Anfang. Mit leisem Knirschen hält jetzt der Wagen. Bernd wendet sich zu Charlotte.

      »Wollen wir hier aussteigen und ein wenig zu Fuß gehen?«

      Sie nickt.

      Rechts erstrecken sich wogende, reife Kornfelder, dazwischen tiefgrüne, saftige Wiesen. Zur Linken liegt die spiegelblanke Wasserfläche des kleinen Sees. Bernd hat Charlottes Arm durch den seinen gezogen, während die Kinder ein Stückchen vor ihnen her laufen, sich ab und zu niederbeugen, um Blumen zu pflücken und um dann wieder in die Abendluft hinauszujubeln.

      Bernd bricht endlich das Schweigen. »Du gefällst mir heute nicht, Charlotte.«

      Ihr blasses Gesicht wird rot. Scheu weicht sie seinen forschenden Blicken aus. »Mir fehlt wirklich nichts, Bernd«, versicherte sie.

      »Wirklich nicht?« Ganz nahe bringt er sein Gesicht dem ihren.

      Liebe und Verständnis liest sie in seinen Augen, und da bricht es mit einem Male aus ihr heraus, die ganze maßlose Sehnsucht nach Mutterglück, so daß er sie besorgt in die Arme nimmt, bis das Zittern ihres schlanken Körpers nachläßt.

      »Wir haben doch Ingrid und Monika«, tröstet er sie. »Wenn uns der Stammhalter wirklich versagt bleiben sollte, dann müssen wir uns eben damit abfinden, Charlotte. Übrigens teile ich deine Mutlosigkeit nicht, wir sind doch noch jung und dürfen immer noch hoffen. Du brauchst deswegen doch nicht unglücklich zu sein. Freilich trage ich die gleiche Sehnsucht in mir, aber erzwingen läßt sich nichts, und sich deswegen das Herz zu belasten, hat doch keinen Zweck.«

      »Du bist nicht unglücklich dar­über?« Unfaßbar erscheint es ihr.

      »Nicht im geringsten, Charlotte! Du bist heute etwas durcheinander. Ich kann das sehr gut verstehen. Vielleicht grämst du dich auch nur meinetwegen«, setzt er forschend hinzu.

      »Deinetwegen in der Hauptsache, Bernd«, gesteht sie. Ihr ist plötzlich eine schwere Last vom Herzen genommen, als sie ihn so sorglos lachen hört.

      »Kleine, empfindsame Charlotte!« sagt er weich, und da ist, wie schon oft, die Gewißheit in ihm, daß er sie niemals so sehr lieb gewonnen hätte, wenn sie nicht in mancher Hinsicht Maria ähnlich wäre. –

      Charlotte kehrt als eine andere von dieser Ausfahrt zurück, wenn auch die Sehnsucht in ihr bleibt; sie läßt sich jedoch nicht mehr davon unterkriegen. Aber eine körperliche Schwäche bleibt.

      Im Kinderzimmer setzt sie sich auf eine mit buntem Stoff bezogene Truhe und hat den Kopf an die Wand gelehnt.

      Monika läuft schnell zu ihr hin. »Du siehst ganz blaß aus, Mutti! Soll ich dir ein Glas Wasser holen?«

      »Ja, bitte!« flüstert Charlotte. – Wieder ist dieses Schwindelgefühl da, gegen das sie schon am Morgen mit aller Macht hat ankämpfen müssen.

      Monikas Hände zittern, als sie der Mutter das Glas an die Lippen setzt.

      »Danke, Monika.«

      Ein paar Minuten atmet Charlotte stoßweise, mit geschlossenen Lidern. Dann schlägt sie die Augen auf, sieht die erschrockenen Augen der Mäd­chen und reißt sich zusammen.

      »Die Hitze! Nun ist mir schon wieder wohl.« Sie gibt ihrer Stimme die nötige Festigkeit, und die Kleinen lassen sich auch täuschen. »Ihr seid noch nicht fertig? Rasch, ins Bett!«

      Eine Viertelstunde später liegt das reizende Mädchenstübchen still und dunkel da. Sanft läßt Charlotte die Tür ins Schloß gleiten, faßt mit beiden Händen an den schmerzenden Kopf. Wie ihr nur zumute ist! In dieser Verfassung kann sie unmöglich zu Bernd und Hans gehen. Schritt für Schritt schleppt sie sich bis in ihr Zimmer. Das unsagbare Schwächegefühl verläßt sie nicht, es droht ihr den Atem zu nehmen. Charlotte hat gerade noch so viel Kraft, die Tür hinter sich zu schließen – dann sinkt sie mit einem wehen Laut zu Boden, ohne den Lichtschalter erreicht zu haben.

      Bernd bemerkt nicht, daß Charlotte über Gebühr lange ausbleibt. Erst als Frau von Delian auf der Terrasse erscheint und die Hausfrau vermißt, wird er aufmerksam.

      Bernd blickt auf seine Uhr. Charlotte ist schon fast eine Stunde ausgeblieben.

      »Bitte, Frau von Delian, sehen Sie nach meiner Frau und –«

      Er kommt nicht weiter, denn soeben erscheint Charlotte unter der Terrassentür. Geisterhaft bleich sieht sie aus, aber sie lächelt tapfer.

      »Verzeihung«, sagt sie mit fremd klingender Stimme. »Ich habe mich nur ein bißchen ausgeruht, mir war so dumpf im Kopf.«

      Man glaubt ihr. Frau von Delian schiebt ihr ein Kissen unter den Kopf. Charlotte nickt ihr dankbar zu.

      Voll Sorge betrachtet Bernd seine junge Frau. An eine Ohnmacht denkt niemand, und Charlotte ist froh, daß man sie nicht beargwöhnt. Durch besondere Lebhaftigkeit versucht sie, unter allen Umständen die Aufmerksamkeit von sich abzulenken.

      Doch sie erreicht damit nur das Gegenteil. Da Charlotte heute sehr bedrückt und niedergeschlagen war, muß ihre jetzige Lebhaftigkeit auffallen. Ihre Augen glänzen fiebrig, ihre Hände lösen und verschlingen sich in nervösem Spiel, ihre Wangen brennen, und ihre Lippen glühen dunkelrot. Etwas Starres, Fremdes liegt in ihrem Wesen.

      »Soll ich dir nicht lieber morgen den Arzt schicken?« fragt Bernd.

      »Einen Arzt? – Aber Bernd, bei einem bißchen Kopfweh holt man doch nicht gleich den Arzt!« wehrt sie lächelnd ab.

      Nachdem ein paar Tage vergangen sind und Charlotte wieder in alter Weise ihren Pflichten als Hausfrau und Mutter nachkommt, mildert sich die Sorge ihrer Angehörigen.

      *

      Eine drückende Hitze lastet über dem Park des Sanatoriums zu Dörflingen. Die Kranken verlassen ihre Ruheplätzchen im Freien und suchen vor der Schwüle Zuflucht in den kühlen Aufenthaltsräumen.

      Auch Maria Imhoff fühlt sich durch die große Hitze bedrückt. »Wollen wir nicht lieber ins Haus gehen?« fragt sie in kindlich bittendem Tone Schwester Johanna.

      Die Pflegerin faßt liebevoll ihren Schützling unter und begleitet Maria auf ihr Zimmer. Die junge Frau meidet die anderen Kranken auffallend. Überhaupt duldet sie nur Schwester Johanna und den Professor um sich und zeigt für ihre sonstige Umgebung nicht das geringste Interesse.

      Maria ist nach wie vor die schöne, sanfte Kranke, die sich willig von der Schwester leiten läßt. Nie murrt sie oder tut etwas, das aus dem Rahmen ihrer sonstigen Gewohnheit fiele. Auch an ihr sind die letzten Jahre spurlos vorübergegangen. Sie wirkt mit ihrer schlanken, biegsamen Gestalt und dem glänzenden dunklen Haar wie ein junges Mädchen.

      Heute geht Maria Imhoff aufgeregt, hastig durch ihr geräumiges Zimmer, nimmt ab und zu einen Gegenstand auf, betrachtet ihn mit gerunzelter Stirn, lauscht angestrengt zum Fenster hin – und legt ihn dann an falscher Stelle wieder hin.

      Schwester Johanna hat sich am offenen Fenster

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