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bestätigte: »Ja. Ich habe Roy mitgebracht.«

      »Warum?«, erkundigte sich Gwen.

      Roy antwortete: »Um das erklären zu können, müsste der Junge reden.«

      Martin fragte: »Können wir reinkommen?«

      Sie trat zur Seite und ließ sie ein.

      Sie kannte Roy. Er und Jeff schienen gut befreundet bis unzertrennlich zu sein. Die Beziehung zwischen Gwen und Roy war heikel. Das war jedoch bereits eine Verbesserung, denn zu Anfang war sie geradezu beklemmend gewesen. Vermutlich lag das zum Teil daran, dass sie zu unterschiedlichen Generationen gehörten. Klar, er sah viel älter aus als sie, was aber bei Zeitreisenden nichts heißen musste. Geistig war sie wesentlich älter, als es ihr Aussehen verriet, aber beide waren in unterschiedlichen Zeiten großgeworden. Zum Teil lag es auch an seinem militärischen Auftreten, welches ihr so gar nicht eigen war. Der Hauptgrund war aber wohl, dass Roy in Gwens Gegenwart stets äußerst nervös wirkte. Sie konnte nicht entspannt sein, in Gegenwart von jemandem, der nicht entspannt sein konnte. Die Tatsache, dass er sie oft mit »Miss« oder »junge Dame« ansprach, war auch nicht sehr hilfreich gewesen. Dass sie wirkte wie Anfang zwanzig, mit ihrer zierlichen Gestalt und der frechen Kurzhaarfrisur, erschwerte es ihm, zu akzeptieren, dass sie geistig fast so alt war wie er.

      Martin schlich wortlos hinein. Roy nahm beim Eintreten seinen Hut ab, wodurch sein dünner werdender Bürstenhaarschnitt sichtbar wurde. Er sah sich im Zimmer um, das eher wirkte wie die Resteabteilung einer Stofffabrik als wie jemandes Zuhause. Er sagte: »Hallo, Miss. Schön, Sie wiederzusehen.«

      Gwen erwiderte: »Schön, dich zu sehen, Roy. Mach‘s dir bequem.«

      Roy bedankte sich und blieb an der Tür stehen, seinen Hut in den Händen. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit Martin zu.

      »Na«, fragte sie, »wie war der Abend der schlechten Filme?«

      »Der erste Film war schleppend und anstrengend, mit einem niederschmetternden Ende.«

      Gwen kommentierte: »Wie erwartet, also.«

      »Besser als sonst, ehrlich gesagt«, meinte Martin. »Dann sind alle verschwunden.«

      »In dem Film sind alle verschwunden?«, fragte Gwen.

      »Nein, der Film war aus. Wir wollten gerade den zweiten anschauen, als, außer Roy und mir, alle verschwunden sind«, stellte Martin richtig.

      »Verstehe«, sagte Gwen. »Meinst du nicht, sie spielen euch einen Streich?«

      Martin verdrehte die Augen. »Gwen, Gary ist dabei. Natürlich dachten wir an einen Streich, aber nachdem wir eine halbe Stunde darauf gewartet hatten, dass das lebende Stinktier, oder was auch immer, materialisiert, bekamen wir langsam das Gefühl, dass irgendwas nicht stimmt. Schließlich sind wir zu mir gegangen und haben in der Datei nachgesehen, und ihre Koordinaten ergeben keinen Sinn. Ihre Längen-und Breitengrade sind durch einen Computercode ersetzt worden, der irgendein Hilfsprogramm aufruft.«

      »Habt ihr versucht, sie zurückzuholen?«, fragte Gwen.

      »Ja, aber die Datei hat uns nicht gelassen. Wir konnten nichts verändern. Und während wir das versucht haben, ist uns noch etwas anderes aufgefallen. Ihre Einstellungen wurden zurückgesetzt. Wo immer sie sind, sie verfügen nicht über ihre Kräfte und könnten verletzt werden.«

      Martin hätte Gwens nächsten Gedanken vorhersagen können. Es war auch das Erste gewesen, was ihm durch den Kopf geschossen war, als er das alles herausgefunden hatte.

      Gwen sagte: »Jetzt hat Jimmy es doch getan.«

      Roy wandte ein: »Vielleicht.«

      Martin gab Gwen recht: »Ich glaube es auch.«

      Jimmy war mit Philip und Gwen einer der ersten Zauberer gewesen, die in dieser Zeit aufgetaucht waren, und hatte vom ersten Tag an Schwierigkeiten gemacht. Wie so oft bei wirklich großen Problemen, hatte zunächst alles ganz harmlos gewirkt. Er war umgänglich und gerne bei allem behilflich. Mit der Zeit zeigte sich, dass er stets bereitwillig die Regie übernahm und die Lorbeeren einheimste, und dass er unkompliziert genug war, um damit auch durchzukommen. Irgendwann hatte er sich eine einigermaßen einflussreiche Stellung erschlichen, sowohl bei den Zauberern als auch bei den normalen Bürgern des mittelalterlichen Englands. Seine Macht war ihm langsam zu Kopf gestiegen, was damit endete, dass er aus Versehen eine Menge Leute umbrachte und mit voller Absicht vielen anderen Leuten Schaden zufügte.

      Zur Strafe sperrten die Zauberer ihm den Zugang zur Datei, der Quelle all ihrer Kräfte, und verbannten ihn zurück in seine eigene Zeit. Darin verbrachte er dreißig einsame und mittellose Jahre, während er versuchte, einen Weg zurück zu finden. Als ihm das endlich gelungen war, hatte er vorgegeben, reumütig zu sein. Er hatte sich der Gnade der anderen Zauberer unterworfen, die ihm gestattet hatten zu bleiben, unter der Bedingung, dass sie ihn ständig beaufsichtigten. Sie taten dies zum einen, weil sie glauben wollten, dass Menschen sich ändern können, hauptsächlich aber deswegen, weil keiner von ihnen Jimmy über den Weg traute und sie ein Auge auf ihn haben wollten. Wenn sie ihn permanent überwachten und kontrollierten, welche Kräfte er zur Verfügung hatte, könnten sie verhindern, dass er größeren Schaden anrichtete. Das hofften sie zumindest. Insbesondere Martin und Philip rechneten jedoch damit, dass Jimmy früher oder später wieder zum Problem werden würde.

      Es schien, als sei dieses früher oder später nun gekommen.

      »Wir haben uns Jimmys Dateieintrag angesehen«, sagte Martin. »Wo auch immer die Jungs sind, Jimmy ist auch da.«

      Roy fragte: »Und?«

      »Es scheint, als seien auch seine Einstellungen zurückgesetzt worden«, erläuterte Martin, »was aber gar nichts heißen muss.«

      »Es bedeutet, er ist genauso verwundbar wie die anderen«, meinte Roy.

      »Danach sieht es zumindest aus«, bestätigte Martin. »Vielleicht sollen wir das aber auch nur glauben.«

      Roy runzelte die Stirn. »Du traust Jimmy ja ziemlich viel zu, mein Junge.«

      Gwen schaltete sich ein: »Roy, du warst nicht hier, als Jimmy versucht hat, uns alle loszuwerden. Du weißt nicht, wozu er fähig ist.«

      »Du hast recht, ich war nicht hier«, sagte Roy, »aber ich weiß ganz genau, wozu er fähig ist. Ich weiß, dass er euch nicht nur loswerden wollte. Er wollte euch umbringen. Ich weiß, wenn ich da gewesen wäre, gäbe es ihn wahrscheinlich nicht mehr, und er könnte uns nicht mehr behelligen.«

      Martin wollte gerade widersprechen, aber Roy stoppte ihn, indem er einen Finger hob und einen versöhnlicheren Ton anschlug. »Ich will nicht behaupten, dass ich ihn eher geschnappt hätte. Wäre ich dabei gewesen, als ihr diskutiert habt, was ihr mit ihm anstellen sollt, hätte ich allerdings Einwände dagegen gehabt, ihn am Leben und für dreißig Jahre in seinem eigenen Saft schmoren zu lassen.«

      »Du hättest ihn also getötet«, dachte Gwen laut.

      »Ja. Es hätte mir kein Vergnügen bereitet und ich hätte mich auch nicht vorgedrängelt, aber ja. Manchmal findet man sich in einer schrecklichen Lage wieder und muss mit ihr fertig werden. Im Moment sind vier unserer Freunde, und Jimmy vielleicht auch, in Gefahr. Damit müssen wir fertig werden. Stattdessen reden wir hier rum.«

      Gwen hielt dagegen: »Wir wissen nicht genau, ob sie in Gefahr sind.«

      »Nein, Gwen«, sagte Martin sanft. »Das sind Roy und ich schon durchgegangen.«

      »In aller Ausführlichkeit«, murmelte Roy.

      »Jimmy, oder wer auch immer dafür verantwortlich ist, hat vorsätzlich dafür gesorgt, dass man ihnen wehtun kann. Das ist bestimmt nicht ohne Grund geschehen.«

      Gwen überlegte kurz. »Ja, da hast du recht. Wir müssen etwas unternehmen.«

      Martin bestätigte: »Finde ich auch.«

      Roy stimmte ein: »Endlich.«

      Gwen schlug vor: »Wir sollten mit Brit reden.«

      »Gute

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