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billigte. Ich habe Gewinn- und Verlustrechnungen aufgestellt, sowie Kostenvoranschläge, in die ich das letzte Brett und den letzten Nagel einkalkuliert hatte. Die habe ich bei einer Versammlung mit unseren Handwerkern vorgelegt. Ich habe die Männer gefragt, ob sie unter meiner Führung den Sprung in eine großartige Zukunft wagen oder sich lieber wie gehabt unter Mr. Kellingworth abmühen wollten. Zwei waren dafür, mich rauszuwerfen. Die andern vier – darunter der Bauzeichner – entschieden sich, die neuen Aufträge anzunehmen.«

      »Und Mr. Kellingworth?«, fragte Matthew mit hochgezogenen Augenbrauen. »Der hatte doch sicher auch etwas dazu zu sagen?«

      »Der war zuerst so wütend, dass er kein Wort herausbrachte. Und dann … ich glaube, dass er erleichtert war, weil er die Verantwortung nicht tragen wollte. Er sehnte sich nach einem ruhigen Leben, in dem er sich keine Sorgen um geschäftliches Versagen machen musste.« Bidwell nickte. »Ja, ich glaube, dass er schon lange nach einem Ausweg aus dem Unternehmen gesucht hatte und nur auf einen Schubs wartete. Den habe ich ihm gegeben – und dazu eine sehr anständige Abfindung und prozentuale Beteiligung an späteren Gewinnen, die sich natürlich im Laufe der Zeit senkte. Aber jetzt stand mein Name über der Tür – mein Name und sonst keiner. Damit hat für mich alles angefangen.«

      »Ich nehme an, dass Euer Vater stolz auf Euch war.«

      Bidwell sagte eine Weile nichts, sondern starrte verbissen ins Leere. »Eines der ersten Dinge, die ich von meinen Gewinnen kaufte, waren zwei Prothesen«, sagte er. »Die besten Holzbeine, die es in England zu kaufen gab. Ich hab sie ihm gebracht. Er hat sie sich angeschaut. Ich habe ihm gesagt, dass er damit wieder laufen lernen konnte. Ich habe gesagt, dass ich jemanden einstellen würde, der es ihm beibringt.« Langsam leckte sich Bidwell über die Oberlippe. »Er hat gesagt … dass er sie sich nicht anschnallen würde, selbst wenn es ein Paar echte Beine wäre, die wieder anwachsen würden. Er hat gesagt, dass ich damit zur Hölle gehen sollte, denn dort werden alle Verräter eines Tages brennen.« Bidwell atmete tief ein und langsam wieder aus. »Das waren die letzten Worte, die er zu mir gesagt hat.«

      Obwohl Matthew Bidwell nicht sonderlich mochte, fühlte er doch etwas mit ihm. »Das tut mir leid.«

      »Leid?«, fuhr Bidwell ihn an. »Warum?« Er reckte sein mit Essen bekleckertes Kinn. »Es tut Euch leid, dass ich es zu etwas gebracht habe? Dass ich etwas aus mir gemacht habe? Leid, dass ich reich bin und dieses Haus und diese Stadt gebaut habe, und dass noch mehr gebaut werden wird? Dass Fount Royal ein Handelszentrum werden wird? Oder tut es Euch leid, dass endlich das Wetter umgeschlagen ist und dass sich meine Bürger entsprechend besser fühlen werden?« Er stach auf eine weitere Kartoffel ein und schob sie sich in den Mund. »Ich glaube«, sagte er mit vollem Mund, »dass die bevorstehende Verbrennung dieser verdammten Hexe das Einzige ist, was Euch leidtut – weil Ihr ihr nicht unter den Rock kommt!« Ihm kam ein böser Gedanke, der seine Augen glitzern ließ. »Aha! Vielleicht habt Ihr dort die Nacht verbracht! Wart Ihr bei ihr im Gefängnis? Ich würde das sofort glauben! Der Wanderprediger Jerusalem hat mir erzählt, wie Ihr ihn gestern geschlagen habt!« Er grinste finster. »Habt Ihr Euch mit der Backpfeife für den Prediger ein Schäferstündchen mit der Hexe verdient?«

      Langsam legte Matthew sein Messer und seinen Löffel nieder. Ihm brannten die Wangen, aber er erwiderte kalt: »Der Prediger Jerusalem hat seine eigenen Interessen, was Rachel angeht. Glaubt, was Ihr wollt, aber vergesst bitte nicht, dass er Euch an der Nase herumführen kann.«

      »Aber natürlich! Und sie kann Euch wohl nicht an der Nase herumführen? Hat sie Euch vielleicht als Siegel ihrer Zustimmung einen Kuss auf Eure Eier gedrückt? Ich kann sie mir gut vorstellen, wie sie vor den Stäben ihrer Zelle dicht vor Euch kniet! Was für ein Anblick!«

      »Ich habe letzte Nacht einen herrlichen Anblick gesehen!«, sagte Matthew, der nun doch die Kontrolle verlor. »Als ich in den …« Er konnte sich die Worte gerade noch verbeißen. Fast hätte er Bidwell von den Eskapaden seines Stadtverwalters und den Eimern mit dem Griechischen Feuer erzählt, aber er wollte seine Entdeckung nicht unüberlegt verraten. Er senkte den Blick auf seinen Teller. Ein Muskel zuckte an seinem Kinn.

      »Ich habe noch nie einen jungen Mann so voller Feuer und mit so viel Schwachsinn im Kopf kennengelernt wie Euch«, fuhr Bidwell fort. Er sprach nun in ruhigerem Ton, schien aber nicht zu ahnen, was Matthew fast gesagt hätte. »Wenn es nach Euch ginge, wäre meine Stadt ein wahrer Zufluchtsort für Hexen, nicht wahr? Ihr würdet sogar gegen die Wünsche Eures eigenen armen, kranken Herrn handeln, um die Frau vor dem Scheiterhaufen zu bewahren! Ich finde, Ihr solltet einem Kloster in Charles Town beitreten und ein Mönch werden, um Eure Seele zu retten. Entweder das, oder in ein Bordell gehen und die Mädels durchnehmen, bis Euch die Augen aus dem Kopf quellen.«

      »Mr. Rawlings«, sagte Matthew mit gepresster Stimme.

      »Was?«

      »Mr. Rawlings«, wiederholte er und merkte, dass er nun einen Fuß in den unwegsamen Sumpf gesetzt hatte. »Kommt Euch der Name bekannt vor?«

      »Nein. Sollte er?«

      »Und Mr. Danforth«, sagte Matthew. »Kennt Ihr diesen Namen?«

      Bidwell kratzte sich das Kinn. »Ja, kenne ich. Oliver Danforth ist der Hafenmeister von Charles Town. Ich hatte einige Schwierigkeiten mit ihm, dort meine Güter zu verschiffen. Was ist mit ihm?«

      »Jemand hat seinen Namen erwähnt«, erklärte Matthew. »Ich hatte noch niemanden getroffen, der so heißt, und habe mich nur gefragt, wer das wohl ist.«

      »Wer hat denn seinen Namen erwähnt?«

      Matthew sah einen Irrgarten vor sich entstehen, aus dem er so schnell wie möglich hinausfinden musste. »Mr. Paine«, sagte er. »Das war noch, bevor ich zu meiner Gefängnisstrafe verurteilt wurde.«

      »Ach, Nicholas?« Bidwell runzelte die Stirn. »Das ist komisch.«

      »Ach ja?« Matthews Herz hämmerte.

      »Ja. Nicholas kann Oliver Danforth nicht ausstehen. Die beiden haben sich wegen der Versorgungsgüter in die Haare gekriegt, und seitdem lasse ich Edward mit ihm reden. Nicholas geht zwar mit, aber nur, um Edward auf der Straße nach Charles Town zu beschützen. Edward ist ein wesentlich besserer Diplomat. Ich verstehe nicht, warum Nicholas sich mit Euch über Danforth unterhalten sollte.«

      »Er hat sich nicht mit mir über ihn unterhalten. Ich habe nur den Namen gehört.«

      »Ihr habt wohl große Ohren, was?« Bidwell grunzte und leerte seinen Krug. »Das hätte mir gleich klar sein sollen!«

      »Mr. Winston scheint ein sehr geschätzter und verlässlicher Mann zu sein«, wagte Matthew zu sagen. »Arbeitet er schon lange für Euch?«

      »Seit acht Jahren. Was sollen diese Fragen?«

      »Ich bin nur neugierig.«

      »Himmel Herrgott, beherrscht Eure Neugierde! Mir reicht's!« Er stand auf, um das Speisezimmer zu verlassen.

      »Bitte habt noch eine Minute Geduld mit mir«, sagte Matthew und erhob sich ebenfalls. »Ich schwöre bei Gott, dass ich Euch nicht mehr mit Fragen belästigen werde, wenn Ihr mir nur noch ein paar beantworten könntet.«

      »Warum? Was wollt Ihr über Edward wissen?«

      »Nichts über Mr. Winston, sondern über den Quellsee.«

      Bidwell sah aus, als wüsste er nicht, ob er lachen oder weinen sollte. »Über die Quelle? Habt Ihr jetzt völlig den Verstand verloren?«

      »Über den Quellsee«, wiederholte Matthew mit fester Stimme. »Ich wüsste gern, wann und wie er entdeckt wurde.«

      »Ihr meint das ernst, nicht wahr? Herr im Himmel, tatsächlich!« Bidwell wollte seiner Ungeduld Luft machen, aber er schien nicht mehr die Energie dazu zu haben. »Ich bin erschöpft«, gab er zu. »Ihr habt mich müde gemacht.«

      »Bitte tut mir doch den Gefallen. Es ist so ein herrlicher Morgen«, sagte Matthew unbeirrbar. »Ich wiederhole mein Versprechen, Euch nicht wieder zu piesacken, wenn Ihr mir erzählt, wie Ihr diese Quelle gefunden habt.«

      Bidwell lachte

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