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sie Danusias Leichnam nicht auf den Wagen, sondern trugen ihn auf der mit Blumen geschmückten Bahre dem Zuge voraus.

      Das Geläute der Glocken hatte nicht aufgehört, es schien sie zu rufen und einzuladen, und sie schritten singend über die weiten, von der goldenen Abendröte beleuchteten Triften, wie wenn die Dahingeschiedene sie zu ewigem Glanze, zu ewigen lichten Höhen führe. Der Abend hatte schon begonnen, und die Herden waren von der Weide zurückgekehrt, als der Zug anlangte. Die Kapelle, worin die sterbliche Hülle Danusias niedergesetzt wurde, erstrahlte von Fackeln und Wachskerzen. Auf Befehl des Pater Kaleb beteten sieben Jungfrauen abwechselnd die Litanei an der Leiche bis zum Anbruch des Tages. Bis zum Anbruch des Tages verließ auch Zbyszko die Dahingeschiedene nicht, und am Morgen legte er sie in einen Sarg, der während der Nacht von geschickten Handwerksleuten aus Eichenholz gezimmert und in dessen Deckel, gerade wo das Haupt der Toten ruhen sollte, goldglänzender Bernstein eingefügt worden war.

      Jurand befand sich nicht in der Kapelle. Gleich nach seiner Rückkunft in die Burg hatten ihm die Füße den Dienst versagt, und als man ihn auf sein Lager gebracht hatte, war er plötzlich nicht mehr fähig, sich zu bewegen, wußte er weder, wo er sich befand, noch was mit ihm vorging. Umsonst sprach Pater Kaleb zu ihm, umsonst fragte er, was ihm fehle, Jurand hörte ihn nicht, verstand ihn nicht; auf dem Rücken liegend, hob er nur die Lider und lächelte mit strahlendem, glückseligem Antlitz. Zuweilen bewegte er auch die Lippen, wie wenn er mit jemand spräche. Die bei ihm Anwesenden sagten sich dann, daß er wohl mit seiner in das ewige Heil eingegangenen Tochter zu sprechen glaube und ihr zulächle. Sie sagten sich auch, daß es zu Ende mit ihm gehe, und er sich schon in die ewige Glückseligkeit entrückt glaube, aber darin täuschten sie sich, denn unempfindlich und taub für alles, was um ihn her vorging, verharrte er so ganze Wochen hindurch, ohne daß das Lächeln von seinem Gesichte schwand. Als Tolima schließlich mit dem Lösegeld für Macko wieder aufbrach, befand sich Jurand noch am Leben.

      Zweites Kapitel.

      Inhaltsverzeichnis

      Nach dem Begräbnis Danusias war zwar Zbyszko nicht erkrankt, nicht bettlägerig geworden, aber eine Art von Erstarrung hielt seine Sinne gefangen. Anfangs, während der ersten Tage, stand es noch nicht so schlimm mit ihm, denn er ging umher, er besprach sich im Geiste mit seinem toten Weibe, oder er begab sich zu Jurand und setzte sich an dessen Lager nieder. Auch berichtete er dem Priester von der Gefangenschaft Mackos, und sie beschlossen, Tolima nach Preußen und Marienburg zu senden, damit er in Erfahrung bringe, wo der alte Ritter sich befand, und ihn loskaufe, zugleich aber auch für Zbyszko die Summe bezahle, welche mit Arnold von Baden und dessen Bruder vereinbart worden war. In den unterirdischen Gewölben in Spychow fehlte es nicht an Silber, das Jurand teils aus seinen Besitzungen zugeflossen, teils von ihm erbeutet worden war, und Pater Kaleb nahm als wahrscheinlich an, daß die Kreuzritter, sofern sie das Geld erhielten, den alten Mann freilassen und nicht verlangen würden, daß der junge Kämpe sich persönlich bei ihnen einstelle.

      »Gehe nach Plock,« sagte der Priester zu Tolima bei dessen Aufbruch, »und lasse Dir dort von dem Fürsten einen Geleitsbrief geben, sonst könnte der erste beste Komtur Dich ausrauben und gefangen nehmen.«

      »Ei, ich kenne sie ja gut,« entgegnete der alte Tolima. »Sie sind im stande, sogar auch diejenigen zu berauben, welche Geleitsbriefe haben.«

      Und er machte sich auf den Weg. Aber es währte nicht lange, so bereute Pater Kaleb es schon, daß er nicht Zbyszko selbst abgesandt hatte. Zwar hatte er befürchtet, im ersten Augenblick des Schmerzes könne der junge Ritter entweder nicht so vorgehen, wie es nötig war, oder am Ende gar seiner Wut gegen die Kreuzritter allzusehr die Zügel schießen lassen und sich irgend einer Gefahr aussetzen. Auch hatte er sich gesagt, daß es dem Tiefbetrübten wohl schwer fallen werde, sich sogleich nach solchem Herzeleid und Kummer vom Grabe der Geliebten zu trennen, zumal nach einer so schrecklichen und traurigen Fahrt, wie die, welche durch ihn von Gotteswerder bis Spychow unternommen worden war. Jetzt hingegen bereute der Priester, all diesen Bedenken Raum gegeben zu haben, denn Zbyszko ward mit jedem Tag schwermütiger. Bis zum Tode Danusias hatte er in beständiger Erregung gelebt, hatte er stets all seine Kräfte angespornt. Ans Ende der Welt war er gedrungen, er hatte manchen Kampf bestanden, er hatte sein Weib aus der Gefangenschaft befreit, durch Wüsteneien war er gewandert, und plötzlich sollte nun alles zu Ende sein, wie auf einen Schlag. Nichts blieb zurück als die Erkenntnis, daß alles umsonst, daß die erlittenen Mühseligkeiten vergeblich gewesen – und daß er diese zwar überwunden hatte, daß aber zugleich mit ihnen unendlich viel, auch die Hoffnung, alles Gute und die Liebe aus seinem Leben entschwunden waren. Ein jeder Mensch lebt in der Zukunft, ein jeder entwirft Pläne und beschließt manches für die kommenden Tage, für Zbyszko hingegen war das »morgen« gleichgültig geworden, und was die Zukunft anbelangte, so hatte er dasselbe Gefühl wie Jagienka, als sie, von Spychow wegreitend, sagte: »Hinter mir, nicht vor mir liegt das Glück!« Dies Gefühl von Freudlosigkeit, von Schwäche, die Empfindung, daß alles um ihn her öde und leer sei, ward durch den unendlichen Schmerz, den immer wachsenden Gram um Danusia hervorgerufen. Der Schmerz, welcher über ihn gekommen war, nahm ihn ganz gefangen und ward so gewaltig, daß schließlich in Zbyszkos Herzen nichts anderes mehr Raum fand. Er dachte nur noch an sein Leid und versenkte sich förmlich darein. Unempfindlich für alles, zog er sich in sein Inneres zurück, gleichsam in einem Traume umherwandelnd, ohne zu wissen, was um ihn her vorging. All seine Körper-und Geisteskräfte schienen nachgelassen zu haben, seine ehemalige Energie und Kühnheit waren entschwunden und hatten einer gewissen Lässigkeit Platz gemacht. In Blick und Bewegung hatte er jetzt etwas von der Würde eines Greises. Ganze Tage und Nächte saß er entweder in der Gruft am Sarge Danusias oder vor dem Hause, sich während der Nachmittagsstunden in der Sonne wärmend. Zuweilen war er so geistesabwesend, daß er keine Frage beantwortete. Pater Kaleb, der ihn liebte, befürchtete, der Gram, könne an ihm zehren wie der Rost am Eisen zehrt – und voll Betrübnis sagte er sich immer wieder, daß es vielleicht besser gewesen wäre, wenn er Zbyszko mit dem Lösegeld zu den Kreuzrittern geschickt hätte. »Es ist notwendig,« sprach er zu dem Küster des Ortes, mit dem er sich in Ermanglung eines andern über die eigenen Kümmernisse zu unterhalten pflegte, »daß ihn irgend etwas aufrüttle, sonst wird er vollständig zu Grunde gehen.« Und der Küster stimmte ihm bei, indem er den klugen Vergleich anführte: für einen Menschen, der an einem Knochen würge, sei es am besten, ihm einen tüchtigen Schlag in das Genick zu geben.

      Zwar trat nun kein besonderes Ereignis ein, aber einige Wochen später langte unerwarteter Weise Herr de Lorche in Spychow an. Sein Anblick erschütterte Zbyszko tief, mahnte er ihn doch an den Kriegszug mit den Samogitiern und an die Befreiung Danusias. De Lorche selbst scheute sich nicht, diese schmerzlichen Erinnerungen aufzurühren. Im Gegenteil, da er schon von Zbyszkos Verlust gehört hatte, verweilte er beständig an seiner Seite, betete mit ihm am Sarge Danusias und sprach unaufhörlich von ihr. Auch dichtete er, der sich mit Recht ein Minstrel hätte nennen dürfen, ein Lied auf die Dahingeschiedene, das er des Nachts am Gitterfenster der Gruft zur Laute sang, ein so trauriges, rührendes Lied, daß Zbyszko, obwohl er die Worte der Dichtung nicht verstand, durch die Weise allein schon tief bewegt, in einen Strom von Thränen ausbrach, der nicht versiegte bis zum Morgen.

      Erschöpft vom Weinen, von Kummer und Schlaflosigkeit, sank er dann in langen Schlummer, und als er wieder erwachte, war es offenbar, daß die Thränen ihm das Herz erleichtert hatten, da er erfrischt und gestärkt schien, auch vertrauensvoller in die Zukunft schaute. Die Anwesenheit Herrn de Lorches machte ihm Freude, er dankte ihm dafür, daß er gekommen war, und fragte schließlich, wieso er von seinem Unglück gehört habe. De Lorche erwiderte durch Pater Kaleb, daß er Danusias Tod zuerst in Lubowa, von dem alten Tolima erfahren, den er dort im Gefängnisse bei dem Komtur gesehen habe, daß er aber in jedem Falle nach Spychow gekommen wäre, um sich Zbyszko wieder zu stellen.

      Die Kunde von Tolimas Gefangennahme brachte sowohl auf den jungen Ritter als auch auf den Priester einen großen Eindruck hervor. Sie begriffen sofort, daß das Lösegeld als verloren zu betrachten sei, denn nichts auf der ganzen Welt war schwieriger, als den Kreuzrittern eine Summe zu entreißen, die sie einmal in den Klauen hatten. Darum war es nötig, zum zweitenmal mit Lösegeld auszuziehen.

      »Wehe!«

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