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mehr“, erwiderte Silvania.

      „Mal abgesehen davon, dass überall bei uns im Haus Vampire herumhängen, sie durch die Bindburger U-Bahn-Tunnel fliegen und wer weiß wo noch“, begann Elvira. „Wie, bitteschön, sollen sich denn all diese Vampire hier ernähren?“

      „Keine Sorge, liebste Schwägerin“, sagte Vlad. „Ich habe alles unter Kontrolle. Vor unserer Flucht gelang es mir noch, in einer heimlichen Aktion ausreichend Blutfässer aus Oktavians Gruft zu entwenden, zu leihen, sozusagen. Des Weiteren habe ich einige Säcke Heimaterde mitgebracht. Es besteht nicht der geringste Grund zur Beunruhigung.“

      „Ich finde, es gibt allerhand Grund zur Beunruhigung, und zwar ungefähr zweihundertundeinundzwanzig Gründe“, erwiderte Elvira und Silvania nickte.

      Familienrat

      Elvira, Mihai, Daka, Silvania und Franz hatten sich in Dakas Zimmer versammelt. Das heißt, genau genommen sollte dieses Zimmer ursprünglich Daka gehören. Doch da Frau Tepes die Klobrillen, die sie günstig von einem transsilvanischen Großhändler bezog, irgendwo trocken und sicher lagern musste und in ihrem kleinen Laden kein Platz war, wohnten in diesem Zimmer die Klobrillen und Daka musste sich ein Zimmer mit ihrer Schwester teilen.

      Im Klobrillen-Zimmer tagte jetzt der Familienrat. Es war der einzige Raum im Haus der Familie Tepes, in dem kein Vampir baumelte. Und es sah nach einer längeren Sitzung aus.

      Im Bad schlief ein grauhaariger Vampir kopfüber an der Duschvorhangstange. An der Garderobe hingen zwei Vampire nebeneinander. Einer nuckelte im Schlaf am Ärmel von Elviras Lieblingsmantel. Der andere hatte sich Dakas schwarze Wollmütze über den Kopf gezogen. Im Zimmer der Vampirschwestern hatten es sich gleich drei Vampire an der Metallleine bequem gemacht, die durchs Zimmer gespannt war.

      „Das geht so nicht, Mihai. Das kann nicht gut gehen!“, sagte Elvira und blinzelte ihren Mann nervös an.

      „Moi miloba, ich weiß, wie wichtig es dir ist, dass wir hier in Bindburg nicht auffallen. Aber mein Bruder braucht unsere Hilfe. Ganz Bistrien, meine geliebte Heimat, braucht unsere Hilfe“, sagte Mihai. „Du musst dich beruhigen. Es sieht schlimmer aus, als es ist.“

      „Nein, falsch, es ist schlimmer, als es aussieht!“, sagte Elvira Tepes. Seit dem Umzug von Transsilvanien nach Deutschland hatte Elvira Tepes darauf geachtet, dass niemand mitbekam, dass ihr Mann nicht ganz normal war und ihre Kinder nur halb normal waren. Sie hatte sogar sieben Goldene Regeln für das Verhalten in Deutschland aufgestellt. Kein Fliegen bei Tageslicht, zum Beispiel, oder: Keine lebenden Mahlzeiten. Silvania hielt sich meistens an die Regeln. Daka manchmal. Und Mihai, na ja …

      „Aber Papa, wie sollen denn über zweihundert Vampire in Bindburg auf Dauer unentdeckt bleiben?“, fragte Silvania. „Auch wenn sie nur nachts herumfliegen und tagsüber schlafen.“

      „Die meisten Menschen sehen nur, woran sie glauben. Und da die meisten Menschen – bis auf unseren reizenden Nachbarn – nicht an Vampire glauben, werden sie sie auch nicht sehen. Ganz einfach!“, sagte Mihai und tätschelte Franz, der aufgewacht war und Mihai am Ohrläppchen zog.

      „Und was, wenn ein paar ausgewachsene Vampire sich nachts im Stadtpark amüsieren und einen einsamen Spaziergänger umfliegen oder im Tiefflug in eine Gruppe Theaterbesucher auf dem Heimweg krachen?“, fragte Silvania.

      „Oder wenn sie nachts um den Rathausturm kreisen und schlendernde Touristen sie entdecken? Die gucken doch ständig nach oben auf der Suche nach Sehenswürdigkeiten!“, sagte Elvira Tepes.

      „Dann hat Bindburg eben eine echte Touristenattraktion mehr.“ Daka grinste.

      „Und eine einzigartige Sehensmerkwürdigkeit.“ Mihai stieß Daka in die Seite und gluckste.

      „NICHT LUSTIG!“, riefen Silvania und ihre Mutter gleichzeitig.

      Sofort machten Mihai und Daka wieder ernste Gesichter. Oder versuchten es zumindest.

      Doch der Gedanke, der sie insgeheim erfreute, blieb: Würden die Menschen die Vampire in Bindburg entdecken und würden sie schließlich begreifen, dass es Vampire tatsächlich gab, dann hätte das Versteckspiel endlich ein Ende. Mihai und Daka – und auch Silvania – würden sich nicht mehr verstellen müssen. Daka könnte zur Schule fliegen, statt morgens in der langsam ruckelnden Straßenbahn neben schlecht gelaunten Menschen zu sitzen. Die lästige Dentiküre (das regelmäßige Abfeilen der Eckzähne) wäre Vergangenheit. Die Vampirschwestern müssten sich keine seltsamen Ausreden mehr einfallen lassen, warum sie sich im Sommer nicht den ganzen Tag im Freibad in die Sonne brettern wollten.

      Mihai räusperte sich. „Ich glaube, moi miloba, du siehst das alles zu schwarz. Ich lebe schon eine ganze Weile hier als Vampir unter Menschen und bin niemandem aufgefallen.“

      Elvira, Silvania und Daka schielten alle gleichzeitig zum Nachbarhaus.

      „Nun ja, so gut wie niemandem“, gab Mihai zu. „Und sollten die Vampire den Menschen tatsächlich auffallen, vielleicht wäre das gar nicht so eine Katastrophe, wie du denkst. Natürlich wäre es für die Menschen erst mal ein kleiner Schock, aber du weißt doch am besten, dass Menschen und Vampire durchaus miteinander auskommen können.“ Mihai beugte sich zu Elvira und raunte ihr ins Ohr: „Sehr gut sogar.“

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