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gab. Wer, wenn nicht unsterbliche Vampire, sollte sich um den Erhalt der Erde kümmern? Sie hatten schließlich das größte Interesse daran, dass die Umwelt nicht zerstört wurde. Denn im Gegensatz zu den Menschen würden nicht nur ihre Kindeskinder diese Erde noch bewohnen wollen, sondern sie selbst. Und wo kein Wald mehr war, gab es auch keine blutigen Häppchen auf zwei oder vier Beinen mehr.

      Das Entscheidende war, dass der BEF diese Zukunft für alle Vampire wollte. Ihr Motto war: „Alle Vampire sind gleich. Kein Vampir ist gleicherer!“ Dieses Motto verstanden zwar nicht alle Vampire, aber sie wussten, dass sie alle beim BEF willkommen waren, sowohl ein Chefarzt wie Dr. Liviu Chivu als auch Hinke-Dudu, der alte Vampir, der den Schulschweinestall betrieb.

      Der Vorsitzende der Fiesen Vampirpartei hieß Honk Prut. Er stammte aus einer angesehenen Vampirfamilie, die sich bisher nur mit dem Gewinnen von Höhlenhockey-Meisterschaften und nicht mit Politik beschäftigt hatte. Zusammen mit seiner Schwester betrieb Honk Prut das Luxushotel Vier Fleischmahlzeiten in Bistrien. Doch seit er in die Politik eingestiegen beziehungsweise rasant eingeflogen war, hatte er sich weitgehend aus dem Hotelgeschäft zurückgezogen, um sich ganz seinen neuen Aufgaben als Vorsitzender der FVP zu widmen.

      Die Anhänger der FVP waren Verfechter der traditionellen vampirischen Werte. Sie liebten ihre Heimat und die alten Lieder – mindestens ebenso sehr wie Mihai Tepes – und es gab keinen transsilvanischen Feiertag, an dem sie keine glühende Rede auf die Vampirheit hielten. Sie unterstützten die kräftigsten und reichsten Vampire, denn nur die würden die Vampire als Ganzes voranbringen. Ihr Motto war: „Vampirisch gute Zukunft – nur für uns und nur mit der FVP!“

      Der Wahlkampf war in Bistrien schon seit einigen Wochen im Gang. Mihai wäre am liebsten in seine Heimat geflogen, um seinen Bruder Vlad in der Wahlkampfzentrale zu unterstützen. Plakate kleben, mit Bannern über Bistrien hinwegfliegen, von Vlad signierte Blutwurstscheiben an die Bürger verteilen oder dem Publikum bei einer seiner zahlreichen Wahlkampfreden richtig einheizen. All das hätte er gerne getan.

      Doch Mihai war jetzt Tagesvater und hatte selbst rund um die Uhr zu tun. Er hätte nie gedacht, dass ein kleiner Halbvampir so viel Arbeit machen würde. Und ihn so glücklich.

      Wenn er seinem Bruder zwar im Wahlkampf nicht helfen konnte, eins stand felsenfest fest: Selbstverständlich würde Mihai an der Wahl in seiner Heimat teilnehmen. Dazu musste er noch nicht einmal nach Bistrien fliegen – schließlich gab es Briefwahl!

      Ein paar Tage vor der Wahl in seiner Heimat nahm Mihai sich den blutroten Wahlzettel, machte ein dickes schwarzes Kreuz beim Blutigen Einheitsflügel, steckte den Zettel in den Umschlag, ließ den Umschlag von Franz anlecken und klebte ihn zu. Dann gab er den Wahlbrief vertrauensvoll in die Krallen der Postfledermaus. Diese machte sich sofort auf den Nachtflug nach Transsilvanien.

      Mihai war sich sicher, dass sein Bruder mit dem BEF die Wahl gewinnen würde. Er hatte so ein gutes Programm und so viele Anhänger in Bistrien – es musste schon nicht mit rechten Dingen zugehen, sollte der Blutige Einheitsflügel keine Mehrheit unter den Wählern bekommen.

      Doch auch ein Mihai Tepes irrt manchmal …

      Fledermauspost

      Es war Sandmännchen-Zeit im Hause Tepes. Nicht, dass das irgendjemanden der Bewohner interessiert hätte. Dennoch lagen Silvania und Daka bereits in ihrem Zimmer, als hätte ihnen jemand Schlafsand in die Augen gestreut.

      „Ich kann nicht mehr“, stöhnte Daka aus ihrem Schiffsschaukelsarg. „Wenn das jetzt wochenlang so weitergeht, muss ich dringend länger abhängen.“

      Jeden Tag waren Silvania und Daka in dieser Woche nach der Schule zur Klobrille gelaufen und hatten für ihre Mutter Klobrillen bemalt, beklebt, betackert und sogar behäkelt. Ihre Hände waren übersät von Farbklecksen und Kleberresten. Sie hatten es aufgegeben, sie zu säubern.

      „Wir brauchen Urlaub. Richtig schön lange. Genau wie Oma Zezci.“ Silvania lag auf ihrem Bett und sah auf eine der vielen Postkarten, die an ihrer Wand hingen und die Oma Zezci ihnen geschickt hatte. Von den Osterinseln, den Nikolausinseln und Feuerland. Seit dem Tod von Opa Gobol (er war in Griechenland an einer Knoblauchvergiftung gestorben und ruhte seitdem in einem Tonaschenbecher, der auf der Anrichte im Wohnzimmer stand) reiste Oma Zezci munter durch die Welt. „Die hat es gut. All die exotischen Länder, das exotische Essen und die exotischen Abenteuer.“ Silvania seufzte.

      „Ja, viel besser als exotische Klobrillen“, sagte Daka.

      In dem Moment knallte etwas gegen die Fensterscheibe.

      Daka sprang auf. „Schlotz zoppo! Fledermauspost! Bestimmt von Oma Zezci. Kaum redet man von ihr …“ Sie riss das Fenster auf, holte eine kleine Fledermaus herein, die vom langen Flug etwas zerzaust war, und nahm ihr den Brief ab, der an ihren Krallen hing.

      Daka sah auf den Umschlag und machte ein enttäuschtes Gesicht. „Och nee. Nur für dich! Von deinem Verliebten.“ Sie warf den Brief auf Silvanias Bett, setzte sich auf den Schreibtisch und kuschelte mit der Fledermaus.

      Silvania schnappte sich den Brief und öffnete ihn. „Bogdan ist nicht mein Verliebter, mal ganz davon abgesehen, dass dieses Wort voll Kindergarten ist. Bogdan ist mein Schlammkastenfreund.“

      Silvania war mit Bogdan zusammen in den Vampirgarten und später in die Schule geflogen. Von Anfang an gab es eine besondere Verbindung zwischen ihnen, hatten sie sich verstanden und einander vertraut. So nah wie Bogdan war Silvania bisher kein anderer Junge gewesen. Er war ihr bester Freund in Bistrien. Aber ein Freund zum Reden, nicht zum Knutschen. Obwohl es Momente gegeben hatte, in denen sich Silvania da nicht mehr ganz so sicher gewesen war. Aber das musste Daka ja nicht wissen. Es würde sie sowieso nur verwirren. Für Daka war Liebe reinste Wissenschaft, und zwar die uninteressanteste und komplizierteste und unnötigste Wissenschaft der Welt.

      „Und, was schreibt dein Schlammkastenverliebter?“ Daka ließ die Beine vom Schreibtisch baumeln, auf dem ein Aquarium stand. Sie holte Karlheinz, ihren Blutegel, aus dem Aquarium und machte ihn mit der Fledermaus bekannt.

      Silvania stopfte sich ein Kissen hinter den Rücken und las: „Moi inimajuschka fantazyca …“

      „Meine fantastische Freundin – meint der echt dich?“, warf Daka ein.

      Silvania bedachte Daka mit einem strengen Blick und las weiter: „Mein Herz ist vor Kummer dunkelblau und schwer und droht im finstersten Tiefseegraben zu versinken. All die Stunden, Tage und Wochen, die sich ohne dich in eine sehr trostlose Schwarz-Weiß-Version verwandeln, in denen der Zucker nur wie Süßstoff schmeckt, der Vollmond wie eine alberne Glühbirne scheint und die Schulflugfeier zur langweiligsten Nacht meines Lebens wurde. Doch nicht nur …“

      „Bla, bla, bla! Lu, La, Liebe, bah! Von dem klebrigen Liebesgesäusel verstopfen meine Ohren“, rief Daka. „Ich kann mir schon denken, wie es weitergeht. ‚Oh Silvania, du holde Hippe, ich vermisse dein Gerippe, bist du auch manchmal ’ne Zicke.‘“

      Silvania beachtete ihre Schwester nicht und las still weiter. Je mehr sie las, desto weiter richtete sie sich auf ihrem Bett auf und desto mehr zitterte der Brief in ihren Händen. „Aber … das ist ja … UNGLAUBLICH!“

      „Hat Bogdan dir einen Heiratsantrag gemacht?“

      Silvania starrte auf den Brief. „ENTSETZLICH!“

      „Das finde ich auch. Bist viel zu jung zum Heiraten. Als Halbvampir solltest du noch mindestens hundert Jahre damit warten.“

      Silvania blickte schließlich auf und sah ihre Schwester verständnislos an. „Es geht überhaupt nicht ums Heiraten. Es geht um Bistrien! Weißt du, was die Fiese Vampirpartei macht?“

      Daka zuckte mit den Schultern. „Ich nehme an, sie regiert.“

      Auch wenn Silvania und Daka noch nicht wählen durften, hatten sie den Ausgang der Wahl in ihrer Geburtsstadt dennoch mitverfolgt. Zur Überraschung aller und zum großen Entsetzen von Mihai und Onkel Vlad hatte die FVP die Wahl deutlich gewonnen. Onkel Vlad war nach dieser Niederlage so deprimiert, dass sie seit der Wahl nichts mehr von ihm gehört hatten.

      „Sie

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