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      Unterschlupf

      Onkel Vlad sah seinen Bruder erschöpft und verzweifelt an. „Wir dachten, wir können bei euch Unterschlupf finden. So viele sind wir doch gar nicht. Und die meisten kennt ihr auch.“ Onkel Vlad zeigte auf die Teppichrolle. „Tante Karpa zum Beispiel.“

      Silvania und Daka war der Teppich gleich etwas dick vorgekommen. Jetzt erkannten sie auch den goldblonden Haarturm ihrer Tante, der aus der Teppichrolle ragte. Mit zarten 1120 Jahren war Tante Karpa Miss Vampire gewesen. Jetzt war sie Vampir-Sushi.

      „Das sind alles gute Freunde oder Nachbarn, alles Anhänger des Blutigen Einheitsflügels. Für jeden lege ich meinen Eckzahn ins Feuer“, fuhr Onkel Vlad fort. „Sie wissen sich zu benehmen.“

      Der Vampir an der Schrankwand hatte aufgehört zu schnarchen. In der entstandenen Stille war dafür ein kräftiger Furz zu hören. Im gleichen Moment krachte die Gardinenstange entzwei. Der Vampir, der daran gehangen hatte, stürzte zu Boden, landete kopfüber auf einem Sitzsack und schlief unbeirrt weiter.

      Onkel Vlad blinzelte hinter seinem Monokel. „Das … muss an dem langen Flug liegen. Sonst ist ihr Verhalten wirklich tadellos.“

      „Deine Freunde und Nachbarn können sich von mir aus benehmen, wie sie wollen“, sagte Mihai Tepes. „Mich interessiert nur, warum sie in meinem Wohnzimmer hängen!“

      Onkel Vlad riss die Augen auf, das Monokel fiel heraus und baumelte an einer Kette auf seiner schwarzen Weste. „Mihai, ja bist du denn völlig ahnungslos? Weißt du denn nicht, was in unserer geliebten transsilvanischen Heimat vor sich geht? Es ist ein Skandal! Eine Katastrophe! Eine Tragödie!“

      Mihai legte seinem Bruder die Hand auf die Schulter. „Jetzt beruhig dich erst mal. Silvania, sei so gut und mache deinem Onkel und mir einen Kaffee mit Blut und Zucker, pitschko.“

      Silvania war froh, dass sie einen Grund hatte, das von Vampiren bevölkerte Wohnzimmer zu verlassen. Sie war ein Halbvampir, deshalb fühlte sie sich unter Vampiren auch nicht so ganz wohl. Ihrer Schwester Daka erging es anders. Sie fühlte sich unter Menschen nicht so ganz wohl.

      Auch in der Küche waren die Rollläden heruntergelassen. Silvania schaltete das Licht ein, stellte den Wasserkocher an und nahm zwei saubere Tassen aus der Spülmaschine. Dann ging sie zum Schrank, in dem auf einer Seite Zucker, Müsli und Honig aufbewahrt wurden und auf der anderen die Küchenschürzen, Besen und anderes Putzzeug. Sie öffnete die Schranktür, starrte in ein pausbäckiges Gesicht mit gelben Augen und stieß einen Schrei aus.

      „Boi motra, Cousine!“

      „Woiwo, lass den Unfug!“, rief Onkel Vlad aus dem Wohnzimmer.

      Woiwo war der Sohn von Onkel Vlad und Tante Karpa und ein paar Jahre jünger als die Vampirschwestern. Er hing kopfüber zwischen Besen und Kittelschürzen im Schrank.

      „Freust du dich, mich zu sehen?“, fragte Woiwo und grinste, dass man seine Zahnlücke sehen konnte (natürlich fehlte kein Eckzahn, sondern ein Schneidezahn).

      „Und wie“, sagte Silvania trocken, nahm den Zucker aus dem Schrank und knallte die Tür wieder zu. Schnarchende Vampire im Wohnzimmer und ein Cousin im Küchenschrank – was kam wohl als Nächstes?

      Als Nächstes brachte Silvania ihrem Vater und Onkel Vlad erst einmal den Kaffee mit Schuss. Sie schlürften genüsslich und Onkel Vlad ging es gleich sichtlich besser.

      „Hat die Tragödie etwas mit dieser Fiesen Vampirpartei zu tun?“, fragte Daka.

      Onkel Vlad nahm einen großen Schluck Kaffee und nickte. „Wie ihr wisst, hat die FVP bei den Wahlen gewonnen. Ein Skandal!“

      „Aber wenn die meisten Vampire in Bistrien sie nun einmal gewählt haben“, sagte Silvania. „Das ist Demokratie.“

      „Das ist Wahlbetrug, wenn du mich fragst.“ Onkel Vlad schnaufte. „Seit die FVP an der Macht ist, macht sie allen Anhängern des Blutigen Einheitsflügels das Leben schwer.“

      Daka nickte wissend. „Sie panieren und schinden euch, wo es nur geht.“

      „All die neuen Verbote und Regeln. Wir können uns kaum noch frei bewegen, noch nicht einmal friedlich protestieren dürfen wir“, fuhr Onkel Vlad fort. „Wir haben es einfach nicht mehr ausgehalten. Wir mussten fliehen.“

      „Nach Bindburg?!?“ Silvania sah ihren Onkel entsetzt an.

      „Natürlich nach Bindburg. Wohin denn sonst? Schließlich lebt mein geliebter Bruder hier schon seit einiger Zeit glücklich und zufrieden. Es ist der ideale Ort für Vampire.“

      „Äh …“, machte Mihai, doch bevor er noch etwas Sinnvolleres hinzufügen konnte, flog die Haustür auf und ungefähr sieben Klobrillen kamen herein. Und Elvira Tepes.

      Eins und eins ist zweihundert

      Elvira Tepes reichten drei Sätze zur Belagerung ihres Wohnzimmers und sie war im Bilde. Beruhigt war sie allerdings keineswegs. Denn auch wenn sie es eher mit Kunst und weniger mit Mathe hatte, konnte sie trotzdem eins und eins zusammenzählen. Beziehungsweise die Vampire in ihrem Haus und die seltsamen Schatten, die sie auch auf der Heimfahrt mit der U-Bahn wieder gesehen hatte.

      „Vlad, ich frage dich nur ein Mal und erwarte eine ehrliche Antwort von dir: Wie viele Vampire sind mit dir aus Bistrien nach Bindburg geflohen?“ Elvira sah Vlad so eindringlich an, dass es auch nichts half, dass er sein rechtes Auge wieder hinter dem Monokel versteckt hatte.

      „Nun ja, genau nachgezählt habe ich natürlich nicht“, begann Vlad. „Auf der Flucht musste alles schnell gehen, liebste Schwägerin. Es war eben eine Flucht und kein Schulklassenausflug, bei dem noch mal nachgezählt werden kann.“

      „WIE VIELE?“

      Onkel Vlad räusperte sich. „Vermutlich, so circa, mal ganz grob geschätzt, Pi mal Eckzahn, würde ich sagen, an die hundert. Es könnten auch zweihundert sein. Der BEF hat nun einmal viele Anhänger.“

      „ZWEIHUNDERT Vampire in Bindburg?“ Elvira sank auf die Couch und fuhr sofort wieder hoch, weil dort bereits drei übereinandergestapelte Vampire schliefen.

      „Und ungefähr einundzwanzig bei euch im Haus“, fügte Vlad hinzu.

      Mihai stützte seine Frau, die sehr blass und beinahe selbst wie ein Vampir aussah. „Du musst jetzt ganz stark sein, El Virus“, flüsterte Mihai ihr zu.

      „Nenn mich bloß nicht El Virus!“, zischte sie. „Ich bin nicht wütend, ich bin … sprachlos.“

      „Das ist sicher die Wiedersehensfreude!“, krähte Tante Karpa aus der Teppichrolle.

      Elvira schluckte. „Und wie lange, wenn ich fragen darf, wollt ihr bleiben?“

      „Ihr wollt doch irgendwann wieder zurück nach Bistrien, oder?“, fragte Silvania argwöhnisch.

      „Natürlich wollen wir zurück nach Bistrien. Jeder Vampir will in seine Heimat! Nicht nur wegen der Heimaterde“, donnerte Onkel Vlad und nickte seinem Bruder zu. „Aber erst müssen wir dort wieder als freie Vampire leben können. Die Fiese Vampirpartei muss gestürzt werden!“

      „Und wie wollt ihr das machen, hier von unserem Wohnzimmer aus?“, fragte Elvira. „Wollt ihr ihnen böse Gedanken schicken oder böse Beschwerdebriefe schreiben?“

      „Zunächst einmal müssen wir uns vom langen Flug ausruhen. Dann müssen wir uns versammeln und danach muss ein Programm her“, sagte Vlad entschlossen.

      „Ein Fernsehprogramm?“, fragte Daka.

      „Nein, ein Parteiprogramm. Ein Plan, wie wir die schändlichen Taten der FVP entlarven und sie entmachten können.“

      „Ich bin für Revolution!“ Daka streckte die Faust in die Höhe.

      „Und ich für Wackelpudding“, sagte Silvania.

      Daka sah sie verstört an.

      „Na,

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