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      Shawcombe sog langsam an seiner Pfeife. »Na«, sagte er, »dann passt auf, wo Ihr hintretet. Ist ganz schön matschig da draußen.«

      Matthew nickte. Er machte sich auf den Weg zur Tür, aber Shawcombe sprach erneut: »Euer Herr würde sich wohl nicht von seiner feinen Weste trennen wollen, oder?«

      »Nein, würde er nicht.« Obwohl er wusste, dass Shawcombe ihn mit der Bemerkung reizen wollte, konnte er das so nicht stehen lassen. »Mr. Woodward ist nicht mein Herr.«

      »Ist er nicht? Na, wie kommt es dann, dass er Euch sagt, was Ihr zu tun und zu lassen habt? Mir scheint, dass er der Herr ist und Ihr der Sklave seid.«

      »Mr. Woodward will nur das Beste für mich.«

      »Aha.« Shawcombe legte seinen Kopf schief und blies einen Rauchpfeil an die Decke. »Er lässt Euch das Gepäck tragen und dann erlaubt er Euch nicht mal, Euren Schwanz nass zu machen? All dieser Scheiß über die Gesellschaft von Wölfen und dass Ihr beschützt werden müsst. Und Ihr seid ein zwanzig Jahre alter Mann! Ich wette, der lässt Euch den Dreck von seinen Schuhen kratzen, stimmt's?«

      »Ich bin sein Gerichtsdiener«, betonte Matthew. »Nicht sein Kammerdiener.«

      »Macht er seine Stiefel sauber oder Ihr?«

      Matthew zögerte. Es stimmte, er bürstete dem Richter die Stiefel, aber es störte ihn nicht. Manche Dinge, wie das Ablegen der Gerichtsunterlagen, aufzuräumen, die Kleidung zu flicken, die Koffer zu packen und eine Vielzahl kleinerer Aufgaben waren Matthew ganz einfach zugefallen, weil er besser darin war, sich um solche Einzelheiten zu kümmern.

      »Hab ich's doch gewusst«, fuhr Shawcombe fort. »So einer wie der hat blaues Blut. Der will sich nicht die Hände dreckig machen, was? Tja, wie ich schon sagte – der ist der Herr und Ihr seid der Sklave.«

      »Ihr könnt glauben, was Ihr wollt.«

      »Ich glaube, was ich sehe«, entgegnete Shawcombe. »Kommt her, ich zeige euch was. Ihr als Sklave könnt das gern mal sehen.« Bevor Matthew etwas sagen und hinausgehen konnte, hob Shawcombe die rechte geballte Hand und öffnete die Finger. »Hier ist was, dass Ihr noch nie gesehen habt und wohl auch nie wieder sehen werdet.«

      Das Licht der Laterne glitzerte auf einer Goldmünze. »Hier!« Shawcombe hielt sie Matthew hin. »Ich lasse Euch sie sogar in die Hand nehmen.«

      Entgegen seiner Vernunft – und seines dringenden Bedürfnisses, pinkeln gehen zu müssen – näherte sich Matthew dem Mann und nahm die Münze. Er hielt sie dicht an die Laterne und betrachtete die Gravuren. Es war ein abgenutztes Stück Geld, die meisten Buchstaben waren abgewetzt, aber in der Mitte war ein Kreuz zwischen zwei Löwen und zwei Schlössern zu sehen. Am Rand der Münze konnte Matthew die schwachen Buchstaben Charles II und Dei Grat ausmachen.

      »Wisst Ihr, was das ist?«, fragte Shawcombe.

      »Charles der Zweite ist der König von Spanien«, sagte Matthew. »Das muss also eine spanische Münze sein.«

      »Spanisch, stimmt. Und Ihr wisst, was das bedeutet, oder?«

      »Dass vor Kurzem ein Spanier hier gewesen ist?«

      »Fast. Ich hab die Münze aus dem Säckel einer toten Rothaut. Aber wie kommt eine Rothaut an eine spanische Goldmünze?« Er wartete nicht darauf, dass Matthew zu raten anfing. »Es bedeutet, dass sich hier irgendwo ein verdammter spanischer Spitzel herumtreibt, der wahrscheinlich die Indianer aufrührt. Ihr wisst, dass die Spanier da unten im Florida-Land hocken, keine zweihundertfünfzig Meilen von hier. Die haben Spitzel in allen Kolonien und verbreiten die Nachricht, dass jeder schwarze Kerl, der von seinem Besitzer flieht und es ins Florida-Land schafft, ein freier Mann sein kann. Habt Ihr so was schon mal gehört? Die Spanier versprechen das auch allen auf der Flucht vorm Gesetz, Mördern – jedem, der ein übler Mensch ist.«

      Er schnappte sich die Münze aus Matthews Hand. »Wenn Ihr Euch nach Florida davonmachen würdet und Euer Herr Euch wiederhaben wollte, würden die Spanier den nur auslachen. Genauso, wenn einer gestohlen oder gemordet hat. Wer's bis nach Florida schafft, den beschützen die Spanier. Ich sag's Euch, sobald die Neger anfangen zu Dutzenden nach Florida durchzubrennen und da zu freien Menschen werden, wird die Welt im Höllenfeuer schmoren.« Shawcombe ließ die Münze in seinen Humpen fallen, in dem sich dem nassen Plopp-Geräusch zufolge noch ein Rest Flüssigkeit befand. Er lehnte sich Pfeife rauchend zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Jawohl«, sagte er und nickte wissend, »da draußen treibt sich ein Spitzel der Spanier rum und bezahlt die Rothäute, dass sie aufmüpfig werden. Verdammt, es könnte auch wer aus Fount Royal sein – ein Engländer, der die Seiten gewechselt hat!«

      »Möglich.« Matthews Blase drückte inzwischen gnadenlos. »Entschuldigt mich, ich muss mich erleichtern gehen.«

      »Na, dann geht schon. Wie ich sagte, passt auf, wo Ihr hintretet.« Shawcombe wartete, bis Matthew die Tür erreicht hatte, und sagte dann: »He, Herr Sekretär! Seid Ihr Euch sicher, dass er sich nicht von der Weste trennen will?«

      »Vollkommen sicher.«

      Shawcombe, dessen Kopf vom blauen Rauch seiner Pfeife umkränzt war, grunzte. »Hab ich mir schon gedacht«, gab er leise von sich.

      Matthew schob den Riegel zurück und trat hinaus. Das Unwetter hatte sich fast gelegt. Nur noch ein leichter Sprühregen nieselte herab. In weiter Ferne zuckten jedoch Blitze durch die Wolken. Der Schlamm saugte sich an Matthews Schuhen fest. Nach einem halben Dutzend Schritten durch den Matsch musste er sein Nachthemd heben und einfach Wasser lassen, wo er stand. Der Anstand verlangte allerdings, dass er seinen Darm im Wald hinter der Scheune entleerte, denn hier gab es weder Blätter noch Kiefernnadeln, mit denen er sich hätte abwischen können. Nachdem er mit dem Pinkeln fertig war, folgte er dem Lichtschein seiner Laterne hinter die Scheune. Seine Schuhe versanken bis zu den Knöcheln im Morast. Als er in den Waldrand eingetaucht war, sammelte er eine Handvoll nasses Laub und kauerte sich hin, um sein Geschäft zu verrichten. Über ihm tanzten Blitze. Er war durchnässt, schlammbespritzt und fühlte sich erbärmlich – es war eine unerfreuliche Situation. Doch egal, wie viel Mühe er sich gab, sein Verdauungstrakt ließ sich Zeit.

      Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der Matthew Shawcombe verfluchte und sich schwor, auf die nächste Reise einen Nachttopf mitzunehmen, hatte er endlich sein Geschäft verrichtet und die nassen Blätter ihrer Bestimmung zugeführt.

      Er richtete sich auf und hielt die Laterne hoch, um den Weg zurück zum sogenannten Wirtshaus zu finden. Erneut schmatzte und saugte die durchweichte Erde an seinen Schuhen, und seine Knie knacksten bei jedem Schritt, der seine Füße aus dem Schlamm befreite. Er wollte noch kurz nach den Pferden schauen, bevor er sich wieder auf seine Schlafstatt begab – »Bett« konnte man wohl kaum dazu sagen -, wo ihn das Schnarchen des Richters, das Rascheln der Ratten und das Tropfen auf seinen …

      Er fiel der Länge nach hin.

      Es geschah so schnell, dass er es kaum mitbekam. Zuerst dachte er, dass der Morast ihm die Beine unter dem Körper weggezogen hatte. Sein nächster Gedanke, auf den zu reagieren ihm kaum noch Zeit blieb, war, die Laterne nicht verlöschen zu lassen. Und so konnte er, als er in den richterlichen Mantel gehüllt bäuchlings in Matsch und Wasser klatschte, gerade noch den Arm hochreißen und den Lichtschein retten. Mit wutverzerrtem Gesicht spuckte er den Schlamm aus und zischte: »Verdammte Hölle!« Dann versuchte er, wieder hochzukommen. Sein Gesicht war mit Dreck bespritzt und er konnte kaum sehen. Aufzustehen war schwieriger, als es hätte sein sollen. Matthew wurde klar, dass seine Beine von der Erde verschluckt worden waren: Der Boden hatte unter seinen Schuhen nachgegeben, und seine Füße waren in den Tiefen des Morasts in etwas gefangen, das sich wie ein Brombeerstrauch anfühlte. Vorsichtig, um die Laterne nicht zu löschen, riss er seinen rechten Fuß los. Doch was auch immer sich um seinen linken Fuß gelegt hatte, wollte nicht lockerlassen. Blitze zuckten erneut und der Regen fiel nun stärker. Es gelang ihm, sein rechtes Bein unter sich zu schieben. Er stützte sich ab, so gut es ging, und zerrte sein Bein aus dem Schlamm.

      Ein sprödes Knacksen erklang. Sein Bein war befreit.

      Doch als Matthew mit der Laterne auf sein Bein leuchtete,

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