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Es war, als müsse ich aus meinem eignen Körper herausfahren, zuweilen sah ich mich ordentlich als ein zweiter Berganza daliegen, und das war ich wieder selbst, und der Berganza, der den andern unter den Fäusten der Hexen sah, war ich auch, und dieser bellte und knurrte den liegenden an und forderte ihn auf, doch tüchtig hineinzubeißen und mit einem kräftigen Sprunge aus dem Kreise herauszufahren – und der liegende – doch! – was ermüde ich dich mit der Beschreibung eines Zustandes, der, durch höllische Künste hervorgebracht, mich in zwei Berganzas teilte, die miteinander kämpften.

      Ich. Soviel ich aus deinem frühern Leben, aus den Worten der Cannizares, aus den Umständen des Hexenkongresses abnehmen kann, war es auf nichts anders abgesehen, als dir eine andere Gestalt zu geben. Der Sohn Montiel, für den sie dich nun einmal hielten, sollte vielleicht als ein schmucker Junge erscheinen, und darum salbten sie dich mit jenem bekannten Hexenöl, das solche Verwandlungen hervorzubringen vermag.

      Berganza. Du hast ganz recht geraten, denn indem die Hexen mich streichelten und drückten, sangen sie in hohlen wimmernden Tönen ein Lied, dessen Worte auf meine Verwandlung hindeuteten:

      »Söhnlein! Uhu läßt grüßen,

       Uhu hat Kater gebissen! –

       Söhnlein, hab' wohl acht,

       Mutter hat was mitgebracht.

       Söhnlein, den Hund laß liegen,

       Hui! – mußt den Junker betrügen,

       Dreh' dich, Spuk und Graus,

       Söhnlein, fahr nur fix heraus.«

      Und so oft das Lied zu Ende war, schlug die Alte auf der Eule die knöchernen Fäuste klappernd zusammen, und ihr Geheul durchschnitt in wildem Jammer die Lüfte. Meine Qual wuchs mit jedem Augenblick; da krähte im nächsten Dorfe der Hahn; ein roter Schimmer durchflog den Osten, und brausend und sausend fuhr das Gesindel durch die Luft, daß in einem Moment der ganze Spuk zerstoben und verflogen war und ich einsam und entkräftet an der Heerstraße lag.

      Ich. Wahrhaftig, Berganza, die Szene hat mich angegriffen, und daß du in deiner Betäubung die Hexenlieder so gut gemerkt hast, das nimmt mich wunder.

      Berganza. Außerdem daß sie die Hexenverse hundertmal abkreischten, so war es ja eben der starke Eindruck, die Qual der vergeblichen Zauberkünste, die mir alles tief einprägen und so meinem ohnehin nur zu treuen Gedächtnis zu Hilfe kommen mußte. – Das eigentliche Gedächtnis, höher genommen, besteht, glaube ich, auch nur in einer sehr lebendigen, regsamen Phantasie, die jedes Bild der Vergangenheit mit allen individuellen Farben und allen zufälligen Eigenheiten im Moment der Anregung hervorzuzaubern vermag. Wenigstens hörte ich dies von einem meiner gewesenen Herren behaupten, der ein erstaunliches Gedächtnis hatte, unerachtet er selten Namen und Jahrzahlen behielt.

      Ich. Er hatte recht, dein Herr, und also möcht' es sich auch mit Worten und Reden, die tief ins Gemüt drangen, und die man im innersten, tiefsten Sinn aufnahm, anders verhalten als mit auswendig gelernten Vokabeln. – Doch wie ging es weiter mit dir, Berganza?

      Berganza. Mühsam schleppte ich mich, matt und entkräftet wie ich war, von der Heerstraße in einen nahe gelegenen Busch und schlief ein. Als ich erwachte, stand die Sonne hoch am Himmel, und das Hexenöl schmorte auf meinem borstigen Rücken. Ich stürzte mich in den Bach, der durch das Gebüsch rauschte, um mich von meiner widrigen Salbung rein zu baden, und eilte dann mit verjüngter Kraft rasch davon, da ich nach Sevilla nicht zurückkehren und so vielleicht der verruchten Cannizares noch einmal in die Hände geraten mochte. – Jetzt aber merke auf, denn nun erst kommt, wie die Moral nach der Fabel, dasjenige, was dir zu wissen nötig, um meine Existenz zu begreifen.

      Ich. Das wünsche ich in der Tat zu hören. Denn indem ich dich so anschaue, indem ich so bedenke, daß nun schon seit mehreren hundert Jahren –

      Berganza. Sprich nicht weiter! – Das Vertrauen, das ich zu dir faßte, ist wert, von dir vergolten zu werden, oder bist du auch einer von denen, die es für gar nicht wunderbar halten, daß die Kirschen blühen und nachher zu Früchten reifen, weil sie diese dann essen können, die aber alles für unwahr halten, wovon ihnen bis dato die leibliche Überzeugung abgeht? O Lizentiat Peralta! – Lizentiat Peralta!

      Ich. Ereifre dich nicht, mein lieber Berganza! Man sagt im Sprichwort: das sind Menschlichkeiten; nimm diesen Zweifel, diesen Unglauben an das Unglaubliche, der mir wider Willen aufsteigt, dafür.

      Berganza. Du gibst selbst den Ton zu der besonderen Melodie an, in die ich bald fallen werde! – Wie ich nun von neuem aufgelebt und ermutigt über Wiesen und Felder sprang, wie ich auf die Art, die dir aus meinem früheren Leben schon bekannt ist, bei diesem oder jenem glücklich unterkam, das übergehe ich, um dir gleich zu sagen, daß ich von Jahr zu Jahr jedesmal an dem verhängnisvollen Tage, der mich in den verfluchten Hexenkreis trieb, die Wirkung des vermaledeiten Zaubers auf eine eigene qualvolle Weise spürte. – Wenn du mir versprichst, keinen Anstoß zu nehmen an dem, was vielleicht dich und dein Geschlecht betreffen könnte, wenn du mit mir, dem Spanier, über manchen vielleicht verfehlten Ausdruck nicht rechten willst, so versuche ich –

      Ich. Berganza! erkenne in mir einen wahrhaften Weltbürgersinn; das heißt, anders als gewöhnlich genommen. Ich unterstehe mich nicht, die Natur engherzig zu scheiden und zu klassifizieren, und daß du überhaupt nur sprichst und noch dazu ganz gescheit, läßt mich alles diesem Wunderbaren Untergeordnete gänzlich vergessen. Sprich also, Teurer, wie zu deinem Freunde; rede, wie war die Wirkung des verrufenen Hexenöls noch nach Jahren?

      – Hier stand Berganza auf, schüttelte und kratzte sich in gekrümmter Stellung mit der linken Hinterpfote hinter dem linken Ohre. Nachdem er noch ein paarmal herzhaft geniest, wozu ich eine Prise nahm und: Contentement sagte, sprang er auf die Bank und lehnte sich an mich, sodaß die Schnauze beinahe mein Gesicht berührte; dann ging das Gespräch weiter fort.

      Berganza. Die Nacht ist kühl, genieße daher etwas von meiner animalischen Wärme, die zuweilen gar in elektrischen Funken aus meinen schwarzen Haaren knistert; dazu mag ich das, was ich dir jetzt erzählen will, nur ganz leise herreden. – Ist der unglückselige Tag gekommen und naht die verhängnisvolle Stunde, so fühle ich erst ganz besondere Appetite, die mich sonst niemals anwandeln. Ich möchte statt des gewöhnten Wassers guten Wein trinken – Sardellensalat essen. Alsdann muß ich gewisse Menschen, die mir in den Tod zuwider und die ich sonst anknurre, freundlich anwedeln. – Nun steigt es und steigt es. Hunde, die mir an Kraft und Mut gewachsen, die ich aber sonst furchtlos bekämpfe, wenn sie mich befehden, vermeide ich, aber den kleinen Möpsen und Spitzen, mit denen ich sonst gern spiele, möchte ich nun gern hinterrücks einen Tritt geben, weil ich weiß, daß es ihnen weh tut und sie sich nicht rächen können. Nun schraubt und dreht es sich im Innersten. Alles schwebt und schwimmt vor meinen Augen – neue unbeschreibliche Gefühle pressen und ängstigen mich. Der schattige Busch, unter dem ich sonst so gern liege und mit dem ich zu sprechen wähne, wenn so der Wind die Äste rührt, daß aus jedem Blatt ein süßer Laut säuselnd hervorblinkt, der ist mir zuwider; in den hellen Mond, vor dem die Wolken sich wie vor dem König der Nacht in prächtiges Gold putzen, wenn sie bei ihm vorüberziehn, kann ich nicht hinein blicken; aber unwiderstehlich treibt es mich hinauf in den erleuchteten Saal. Da möchte ich aufrecht gehen, den Schwanz einklemmen, mich parfümieren, französisch sprechen und Gefrornes fressen, daß jeder mir die Pfote drücken sollte und sagen: »mon cher Baron« oder »mon petit Comte!« und nichts Hündisches an mir spüren. – Ja, es ist mir dann entsetzlich ein Hund zu sein, und indem ich schnell wie der Gedanke in einer vermeintlichen Bildung zum Menschen steige, wird mein Zustand immer ängstlicher. Ich schäme mich, jemals an einem warmen Frühlingstage auf der Wiese gesprungen oder mich im Grase gewälzt zu haben. Im härtesten Kampfe werde ich immer bedächtiger und ernsthafter. – Zuletzt bin ich ein Mensch und beherrsche die Natur, die Bäume deshalb wachsen läßt, daß man Tische und Stühle daraus machen kann, und Blumen blühen, daß man sie als Strauß in das Knopfloch stecken kann. Indem ich mich aber so zur höchsten Stufe hinaufschwinge, fühle ich, daß sich eine Stumpfheit und Dummheit meiner bemächtigt, die, immer steigend und steigend, mich zuletzt in eine Ohnmacht wirft.

      Ich.

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