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still und andächtig hineinschauend; als wir paarweise daherziehend den Chor verließen, kniete Zulema im Gange unfern eines Marienbildes. Den andern Tag sang sie keine Romanze, sondern blieb still und in sich gekehrt. Bald versuchte sie auf der tiefgestimmten Zither die Akkorde jenes Chorals, den wir in der Kirche gesungen, und dann fing sie an leise leise zu singen, ja selbst die Worte unsers Gesanges zu versuchen, die sie freilich wunderlich wie mit gebundener Zunge aussprach. Ich merkte wohl, daß der Geist des Herrn mit milder tröstender Stimme im Gesange zu ihr gesprochen, und daß sich ihre Brust öffnen würde seiner Gnade, daher schickte ich Schwester Emanuela, die Meisterin des Chors, zu ihr, daß sie den glimmenden Funken anfache, und so geschah es, daß im heiligen Gesange der Kirche der Glaube in ihr entzündet wurde. Noch ist Zulema nicht durch die heilige Taufe in den Schoß der Kirche aufgenommen, aber vergönnt wurde es ihr unserm Chor sich beizugesellen, und so ihre wunderbare Stimme zur Glorie der Religion zu erheben.« Die Königin wußte nun wohl, was in Aguillars Innerm vorgegangen, als er auf Agostinos Einrede Zulema nicht zurücksandte nach Granada, sondern sie im Kloster aufnehmen ließ und um so mehr war sie erfreut über Zulemas Bekehrung zum wahren Glauben. Nach wenigen Tagen wurde Zulema getauft und erhielt den Namen Julia. Die Königin selbst, der Marquis von Cadix, Heinrich von Gusman, die Feldherren Mendoza, Villena, waren die Zeugen des heiligen Akts. Man hätte glauben sollen, daß Julias Gesang nun noch inniger und wahrer die Herrlichkeit des Glaubens hätte verkünden müssen und so geschah es auch wirklich eine kurze Zeit hindurch, indessen bemerkte Emanuela bald, daß Julia oft auf seltsame Weise von dem Choral abwich, fremdartige Töne einmischend. Oft hallte urplötzlich der dumpfe Klang einer tiefgestimmten Zither durch den Chor. Der Ton glich dem Nachklingen vom Sturm durchrauschter Saiten. Dann wurde Julia unruhig und es geschah sogar, daß sie wie willkürlos in den lateinischen Hymnus ein mohrisches Wort einwarf. Emanuela warnte die Neubekehrte, standhaft zu widerstehen dem Feinde, aber leichtsinnig achtete Julia dessen nicht und zum Ärgernis der Schwestern sang sie oft, wenn eben die ernsten heiligen Choräle des alten Ferreras erklungen, tändelnde mohrische Liebeslieder zur Zither, die sie wieder hochgestimmt hatte. Sonderbarerweise klangen jetzt die Zithertöne, die oft durch den Chor sausten, auch hoch und recht widrig beinahe wie das gellende Gepfeife der kleinen mohrischen Flöten.

      Der Kapellmeister. Flauti piccoli – Oktavflötchen. Aber, mein Bester, noch bis jetzt nichts, gar nichts für die Oper – keine Exposition und das ist immer die Hauptsache, doch mit der tiefen und hohen Stimmung der Zither, das hat mich angeregt. Glaubt Ihr nicht, daß der Teufel ein Tenorist ist? Er ist falsch wie – der Teufel, und daher macht er alles im Falsett!

      Der Enthusiast. Gott im Himmel! – Ihr werdet von Tage zu Tage witziger, Kapellmeister! Aber Ihr habt recht, lassen wir dem teuflischen Prinzip alles überhohe unnatürliche Gepfeife, Gequieke etc. Doch weiter fort in der Erzählung, die mir eigentlich blutsauer wird, weil ich jeden Augenblick Gefahr laufe, über irgend einen wohl zu beachtenden Moment wegzuspringen.

      Es begab sich, daß die Königin, begleitet von den edlen Feldherren des Lagers, nach der Kirche der Benedektiner-Nonnen schritt, um wie gewöhnlich die Messe zu hören. Vor der Pforte lag ein elender zerlumpter Bettler, die Trabanten wollten ihn fortschaffen, doch halb erhoben riß er sich wieder los und warf sich heulend nieder, so daß er die Königin berührte. Ergrimmt sprang Aguillar hervor und wollte den Elenden mit dem Fuße fortstoßen. Der richtete sich aber mit halbem Leibe gegen ihn empor und schrie: »Tritt die Schlange – tritt die Schlange, sie wird dich stechen zum Tode!« und dazu griff er in die Saiten der unter den Lumpen versteckten Zither, daß sie im gellenden widrig pfeifenden Tone zerrissen und alle von unheimlichem Grauen ergriffen, zurückbebten. Die Trabanten schafften das widrige Gespenst fort und es hieß: der Mensch sei ein gefangener wahnsinniger Mohr, der aber durch seine tollen Späße und durch sein verwunderliches Zitherspiel die Soldaten im Lager belustige. Die Königin trat ein und das Amt begann. Die Schwestern im Chor intonierten das Sanctus, eben sollte Julia mit mächtiger Stimme wie sonst eintreten: »Pleni sunt coeli gloria tua«, da ging ein gellender Zitherton durch den Chor, Julia schlug schnell das Blatt zusammen und wollte den Chor verlassen. »Was beginnst du?« rief Emanuela. »Oh!« sagte Julia, »hörst du denn nicht die prächtigen Töne des Meisters? dort bei ihm, mit ihm muß ich singen!« damit eilte Julia nach der Türe, aber Emanuela sprach mit sehr ernster feierlicher Stimme: »Sünderin, die du den Dienst des Herrn entweihst, da du mit dem Munde sein Lob verkündest und im Herzen weltliche Gedanken trägst, flieh von hinnen, gebrochen ist die Kraft des Gesanges in dir, verstummt sind die wunderbaren Laute in deiner Brust die der Geist des Herrn entzündet!« – Von Emanuelas Worten wie vom Blitz getroffen, schwankte Julia fort. Eben wollten die Nonnen zur Nachtzeit sich versammeln, um die Hora zu singen, als ein dicker Qualm schnell die ganze Kirche erfüllte. Bald darauf drangen die Flammen zischend und prasselnd durch die Wände des Nebengebäudes und erfaßten das Kloster. Mit Mühe gelang es den Nonnen ihr Leben zu retten, Trompeten und Hörner schmetterten durch das Lager, aus dem ersten Schlaf taumelten die Soldaten auf; man sah den Feldherrn Aguillar mit versengtem Haar, mit halbverbrannten Kleidern aus dem Kloster stürzen, er hatte Julia, die man vermißte, vergebens zu retten gesucht, keine Spur von ihr war zu finden. Fruchtlos blieb der Kampf gegen das Feuer, das von dem Sturm, der sich erhoben, angefacht, immer mehr um sich griff: in kurzer Zeit lag Isabellens ganzes reiches herrliches Lager in Asche. Die Mauren im Vertrauen, daß der Christen Unglück ihnen Sieg bringen würde, wagten mit einer bedeutenden Macht einen Ausfall, glänzender war aber für die Waffen der Spanier nie ein Kampf gewesen, als eben dieser, und als sie unter dem jauchzenden Schall der Trompeten sieggekrönt in ihre Verschanzungen zurückzogen, da bestieg die Königin Isabella den Thron, den man im Freien errichtet hatte und verordnete, daß an der Stelle des abgebrannten Lagers eine Stadt gebaut werde! Zeigen sollte dies den Mauren in Granada, daß niemals die Belagerung aufgehoben werden würde.

      Der Kapellmeister. Dürfte man sich nur mit geistlichen Dingen auf das Theater wagen, hat man nicht schon seine Not mit dem lieben Publikum, wenn man hie und da ein bißchen Choral anbringt. Sonst wär die Julia gar keine üble Partie. Denkt Euch den doppelten Stil, in welchem sie glänzen kann, erst die Romanzen, dann die Kirchengesänge. Einige allerliebste spanische und mohrische Lieder hab ich bereits fertig, auch ist der Sieges-Marsch der Spanier gar nicht übel, so wie ich das Gebot der Königin melodramatisch zu behandeln willens bin, wie indessen das Ganze sich zusammenfügen soll, das weiß der Himmel! – Aber erzählt weiter, kommen wir wieder auf Julia, die hoffentlich nicht verbrannt sein wird.

      Der Enthusiast. Denkt Euch, liebster Kapellmeister, daß jene Stadt, die die Spanier in einundzwanzig Tagen aufbauten und mit Mauern umgaben, eben das heute noch stehende Santa Fé ist. Doch indem ich das Wort so unmittelbar an Euch richte, falle ich aus dem feierlichen Ton, der allein sich zu dem feierlichen Stoffe paßt. Ich wollte Ihr spieltet eins von Palestrinas Responsorien, die dort auf dem Pult des Fortepianos aufgeschlagen liegen.

      Der Kapellmeister tat es und hierauf fuhr der reisende Enthusiast fort:

      Die Mauren unterließen nicht, die Spanier während des Aufbaues ihrer Stadt auf mannigfache Weise zu beunruhigen, die Verzweiflung trieb sie zur verwegensten Kühnheit und so wurden die Gefechte ernster als jemals. Aguillar hatte einst ein maurisches Geschwader, das die spanischen Vorwachen überfallen, bis in die Mauern von Granada zurückgetrieben. Er kehrte mit seinen Reitern zurück, und hielt unfern den ersten Verschanzungen bei einem Myrtenwäldchen, sein Gefolge fortschickend, um so ernstem Gedanken und wehmütiger Erinnerung sich mit ganzem Gemüt hingeben zu können. Julias Bild stand lebendig vor seines Geistes Augen. Schon während des Gefechts hörte er ihre Stimme bald drohend bald klagend ertönen und auch jetzt war es ihm als säusle ein seltsamer Gesang, halb mohrisches Lied halb christlicher Kirchengesang, durch die dunklen Myrten. Da rauschte plötzlich ein mohrischer Ritter im silbernen Schuppenharnisch auf leichtem arabischen Pferde aus dem Walde hervor und gleich sauste auch der geworfene Speer dicht bei Aguillars Haupt vorbei. Er wollte mit gezogenem Schwert auf den Feind losstürzen, als der zweite Speer flog und seinem Pferde tief in der Brust stecken blieb, daß es sich vor Wut und Schmerz hoch emporbäumte und Aguillar sich schnell von der Seite herabschwingen mußte, um schwerem Falle nicht zu erliegen. Der Mohr war herangesprengt und hieb herab mit der Sichelklinge nach Aguillars entblößtem Haupt. Aber geschickt parierte Aguillar den Todesstreich und hieb so gewaltig nach, daß der Mohr sich nur rettete, indem er tief vom Pferde niedertauchte. In demselben Augenblick

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