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»Und was mein Studium betrifft, so habe ich dir gestern ebenfalls gesagt, daß das eine Sache ist, die nur mich etwas angeht.«

      Dr. Daniel seufzte. »Ja, und genau das ist es. Es wäre für mich oftmals leichter, wenn du mit mir über dein Studium sprechen würdest.«

      »Das will ich aber nicht, und so leid es mir tut, Papa, du mußt das akzeptieren.« Stefan wußte, daß er seinen Vater mit diesen harten Worten verletzte, und plötzlich tat ihm sein Verhalten leid. Er hatte das dringende Bedürfnis, seinem Vater etwas Nettes zu sagen, und er wußte auch genau, was Dr. Daniel hören wollte. »Papa, mach dir keine Sorgen. Ich mache nächstes Jahr mein Examen, und ich verspreche dir, daß du stolz auf mich wirst sein können.«

      Diese Worte trieben Dr. Daniel Tränen der Rührung in die Augen, und für einen Moment wünschte er sich, seinen Sohn hier zu haben, um ihn in den Arm nehmen zu können.

      »Ich war immer stolz auf dich, Stefan«, gestand er leise. »Und… ich hab dich sehr lieb, mein Junge.«

      »Ich hab dich auch lieb, Papa – wenn ich es auch nicht immer so zeigen kann.«

      *

      Am Dienstagmorgen kam endlich der Brief, auf den Dr. Daniel schon so dringend wartete. Einen Augenblick lang hielt er den Umschlag in der Hand und betrachtete ihn. Was mochte der Inhalt dieses Briefes wohl für Kerstin Wenger bedeuten?

      Dann riß Dr. Daniel das Kuvert mit einem entschlossenen Ruck auf und faltete den Briefbogen auseinander. Mit geübtem Blick überflog er die Zeilen, dann atmete er auf.

      »Frau Kaufmann, bringen Sie mir bitte die Karte von Kerstin Wenger«, bat er seine Sprechstundenhilfe, und als er das Gewünschte in Händen hielt, hob er den Telefonhörer ab und wählte die angegebene Nummer.

      Kerstin war selbst am Apparat, und an ihrer etwas gehetzten Stimme erkannte Dr. Daniel, daß sie immer noch große Angst hatte.

      »Frau Wenger, Sie müssen sich keine Sorgen mehr machen«, erklärte Dr. Daniel gleich nachdem er sich zu erkennen gegeben hatte. »Der Befunde war eindeutig negativ. Das heißt, daß es sich nicht um Krebs, sondern nur um eine Entzündung handelt.«

      »Gott sei Dank«, seufzte Kerstin, und Dr. Daniel konnte sogar durchs Telefon ihre Erleichterung hören.

      »Ich stelle Ihnen ein Rezept aus, das Sie sich im Laufe des Tages abholen sollten«, fuhr er fort. »Es handelt sich dabei um ein Antibiotikum, das Sie eine Woche lang nehmen müssen. Am ersten Tag nehmen Sie zwei Tabletten, an den folgenden Tagen jeweils eine. Und in zwei Wochen kommen Sie dann bitte zur Nachuntersuchung.«

      »Ist in Ordnung, Herr Doktor«, stimmte Kerstin zu. »Und diesmal komme ich auch ganz bestimmt.«

      Dr. Daniel schmunzelte. »Das will ich hoffen.« Er verabschiedete sich noch sehr herzlich von ihr, dann legte er auf und lehnte sich zurück. Er war froh, daß sich der schlimme Verdacht, den er gehabt hatte, nicht bewahrheitet hatte. Doch ihm blieb nicht viel Zeit, um weiter darüber nachzudenken, denn Lena Kaufmann meldete schon die nächste Patientin an.

      Erst kurz vor Mittag hatte Dr. Daniel ein wenig Muße, und erst in diesem Augenblick dachte er an Darinka Stöber. Die Sorge um Kerstin Wenger und die anschließende freudige Erleichterung hatten ihn das junge Mädchen völlig vergessen lassen.

      Dafür griff er jetzt sofort nach dem Telefonhörer und wählte die Nummer, die er sich gestern noch notiert hatte.

      »Stöber«, meldete sich eine angenehme Frauenstimme.

      »Guten Tag, Frau Stöber, hier ist Dr. Daniel«, gab sich der Arzt zu erkennen.

      »Herr Doktor, Sie sind wieder hier?« fragte Martha Stöber überrascht. »Das ist schön.«

      Dr. Daniel lächelte. Es tat gut, von jedermann so herzlich aufgenommen zu werden.

      »Frau Stöber, ich würde mich mit Ihnen und Ihrem Mann gerne mal unterhalten«, trug Dr. Daniel nun sein Anliegen vor. »Es betrifft Ihre Enkelin.«

      »Darinka? Aber… worum geht’s denn?«

      »Dafür ist ein ausführlicheres Gespräch nötig«, meinte Dr. Daniel. »Darf ich nach Ende der der Sprechstunde einmal zu Ihnen kommen?«

      Martha Stöber zögerte. Sie wußte offenbar nicht genau, wie sie darauf reagieren sollte.

      »Nun… ja, wenn Sie glauben, daß das nötig ist«, erklärte sie langsam.

      »Ja, Frau Stöber, es ist dringend nötig«, bekräftigte Dr. Daniel. »Morgen ist Mittwoch, da habe ich nur vormittags Sprechstunde. Wäre es Ihnen recht, wenn ich nachher vorbeikomme?«

      Wieder zögerte Martha Stöber, dann stimmte sie zu. Dr. Daniel und sie wechselten noch ein paar höfliche Worte, dann legte der Arzt auf, und er befürchtete, daß ein äußerst schwieriges Gespräch auf ihn zukommen würde.

      *

      Am Montagfrüh hatte Susanne Hartwig die Blutspuren in ihrem Slip zum ersten Mal bemerkt. Sie erschrak zutiefst, und plötzlich meldete sich das schlechte Gewissen, weil sie während ihrer gesamten Schwangerschaft noch keinen Arzt aufgesucht hatte. Vielleicht hatte Marion doch recht. Sie sollte sich wirklich einmal untersuchen lassen. Aber von wem? Wenn Dr. Daniel noch hier wäre…

      Rasch schüttelte Susanne diesen Gedanken wieder ab. Vielleicht war dieses bißchen Blut ja ganz normal. Doch als sich die Schmierblutungen bis zum nächsten Tag eher noch verstärkten und am Mittwoch morgen zu allem Überfluß ein schmerzhaftes Ziehen im Unterleib dazukam, wurde Susanne doch unruhig.

      »Du, Marion«, begann sie langsam. »Als du mit Ina und Kai schwanger warst… hattest du da auch mal Blutungen?«

      Marion erschrak. »Blutungen? Um Himmels willen, Susi, du mußt sofort zum Arzt!« Sie sprang auf. »Wo ist der nächste Gynäkologe?«

      Susanne zuckte die Schultern. »Ich kenne nur die Ärztin in der Kreisstadt, aber zu der gehe ich nicht hin.«

      »Bist du noch zu retten?« fuhr Marion ihre Schwester an. »Menschenskind, du hast Blutungen! Möglicherweise bist du in Gefahr – dein Kind ist es aber mit Sicherheit.«

      Es war, als würden diese Worte Susanne zur Vernunft bringen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihre Schwester an.

      »Glaubst du das wirklich?«

      »Da bin ich mir sogar ganz sicher«, bekräftigte Marion. »Mein Arzt hat immer gesagt, bei Blutungen während der Schwangerschaft sofort zum Arzt oder ins Krankenhaus. Also, wo ist der nächste Gynäkologe. Ansonsten bringe ich dich nämlich einfach in eine Klinik.«

      Susanne nickte. »Gut, Marion, wahrscheinlich hast du recht.« Sie überlegte. »Gestern, als ich die Bäckerei betreten habe, unterhielten sich zwei Frauen über Dr. Daniel. Ich habe leider nicht viel mitbekommen, aber… vielleicht sollten wir zuerst mal zu seiner Villa hinauffahren.«

      »Einverstanden«, stimmte Marion zu. »Komm, Susi, wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.«

      Sie nahm ihre Schwester beim Arm und brachte sie nach unten.

      »Ich fahre, und du legst dich auf die Rückbank«, bestimmte sie. »Sicher ist sicher.«

      Und Susanne gehorchte ohne ein weiteres Wort. Marions Sicherheit, mit der sie behauptete, das Baby wäre in Gefahr, hatte ihr doch Angst gemacht.

      Ich hätte doch zum Arzt gehen sollen, hielt sich Susanne insgeheim vor. Ich hätte…

      Doch es war zu spät, um noch darüber nachzugrübeln. Sie hatte Blutungen und konnte nur hoffen, daß ihrem Baby nichts passieren würde.

      »Wie muß ich fahren?«

      Marions Stimme riß Susanne aus ihren Gedanken.

      »Geradeaus durch den Ort, an der großen Chemiefabrik vorbei und dann, nach der Kirche links den Kreuzbergweg hinauf.«

      Marion nickte und legte ein zügigeres Tempo vor, während Susanne wieder in Gedanken versank.

      »Kreuzbergweg«,

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