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fing an zu reisen, liebte geistige Getränke, lebte ungesittet, unordentlich, entwendete meinen Nebenmenschen das Ihrige, las gerne Romane, traktierte, und wurde aufs neue Mörderin!«

      Im Frühjahr 1824 reiste sie abermals nach Hannover, ward freundlich im Kleineschen Hause aufgenommen, kehrte aber mit neuen Schulden, die das vornehme Leben verursacht hatte, nach Bremen zurück. So hatte ihr der alte Herr Kleine achthundert Taler, angeblich zur schleunigen Abtragung dringender Schulden, vorgestreckt; aber auch das half ihr wenig.

      Die einst wohlhabende Frau brauchte dringend drei Louisdor. Sie selbst wollte sich nicht mehr an X wenden. Eine langjährige Freundin der Verbrecherin, die Musiklehrerin Anna Meyerholtz, ward von ihr ersucht, bei dem gemeinsamen Freunde um die drei Louisdor für die Gottfried zu bitten. Umsonst, X wollte nichts mehr geben. Die Meyerholtz lebte in dürftigen Umständen, von ihrem geringen Einkommen mußte sie noch einen blinden achtzigjährigen Vater ernähren. Sie selbst konnte nichts geben, aber sie hatte mehrere Wohltaten früherhin von der Gottfried erfahren; so erbot sie sich in ihrer Herzensgüte, von den seit Jahren zusammengesparten Begräbniskosten für den zu erwartenden Tod des alten Vaters ihr auf kurze Zeit die nötige Summe zu leihen.

      Ein schneller Gedanke durchzuckte die Mörderin, und in vierundzwanzig Stunden wurde er zur Tat. Statt von dieser aufopfernden Liebe gerührt zu werden, beschloß sie, die hilfsbereite Freundin zu vergiften und sich ihres sauer ersparten Geldes durch Diebstahl zu bemächtigen.

      Vergebens hat man sich bemüht, die Motive dieser Tat zu positiver Gewißheit ans Licht zu stellen. Befragt, warum sie das getan habe, konnte sie unter Seufzern und Tränen nur antworten: »Ach, das mag Gott wissen!« Und doch war ein Grund vorhanden, auch außer dem Wunsch, in den völligen Besitz des Geldes zu gelangen, das sie von der armen Freundin nur leihweise zu erhalten hatte; es war der instinktartige Reiz, der hier zum ersten Male wirkt und fürchterlich heraustritt.

      Sie war im Besitz von vielem Gift und hatte so lange nicht vergiftet, wenigstens nicht wirkungsreich vergiftet. Ganz hatte sie es freilich nicht lassen können und darum versuchsweise diesem oder jenem etwas eingegeben. Schon vor Pfingsten 1824 hatte sie einer entfernten Verwandten aus irgendeiner gehässigen Gesinnung Mäusebutter auf Weißbrot gereicht. Im September desselben Jahres erhielt die sechsjährige Tochter des Lehrers S. Gift, weil – die Gottfried ihre Mutter haßte! Ihr Freund, der fromme Mosees, hatte ebenfalls vor kurzem Mäusebutter erhalten, damit – die Gottfried während seines Unwohlseins seine Speisekammer bestehlen könnte.

      Sie war jetzt auf die Höhe des Verbrechens gekommen, wo die Sünde zur Lust, zum Bedürfnis wird. Das Vergiften hatte längst alles Schreckliche für sie verloren. Es war ihr ein Nahrungszweig geworden und die Spannung dabei ihre liebste Unterhaltung; ihr fehlte ja schon seit langem jede Tätigkeit. Sie selbst sagte: »Mir war gar nicht schlimm bei dem Vergiften zumute. Ich konnte das Gift ohne die mindesten Gewissensbisse und mit völliger Seelenruhe geben. Es war mir, als wenn meine Stimme zu mir sagte, ich müsse es tun. Ich hatte gewissermaßen Wohlgefallen daran. Ich schlief ruhig, und alle diese ungerechten Handlungen drückten mich nicht. Man schaudert doch sonst vor dem Bösen; allein das war nicht bei mir der Fall. Ich konnte mit Lust Böses tun.«

      Der Grund war da: sie wollte und mußte vergiften, und mit Erfolg vergiften, und es bedurfte nun nur noch eines äußeren Anlasses. Den gab die Aussicht auf den Erwerb einiger Taler; vielleicht auch die Furcht, daß die schlimmen Reden des X über die Gottfried auf die Meyerholtz einen üblen Eindruck gemacht haben könnten.

      Nach so vielen Vergiftungsgeschichten, aus denen wir die Verfahrungsart der Gottfried kennen, mögen wir über die folgenden, was die sich überall ähnlichen Einzelheiten betrifft, kürzer fortgehen und nur die Motive näher betrachten. Die Musiklehrerin erhielt die Mäusebutter bei einem Besuche bei der Gottfried, auf Zwieback geschmiert. Schon auf der Straße befielen sie ein starker Stuhlzwang und heftiges Erbrechen. Sie schrie auf dem Bette, »als wenn sie mit einem Schwert durchschnitten würde«, griff die Umstehenden an, schleuderte sie von sich und starb am 21. März 1825 furchtbar entstellt. Natürlich war die Gottfried wieder die treueste Krankenpflegerin gewesen. Als eine gemeinschaftliche Bekannte ausrief: »Herr Jesus, die hat etwas eingekriegt«, schüttelte sie ruhig den Kopf und tadelte die andere, daß sie sich von ihrem lebhaften Gefühl habe hinreißen lassen: »Möchten Sie dem alten Vater den Schmerz antun?« Als der Arzt die Leiche öffnen wollte, kam er zu spät. Die Gottfried hatte, weil die Leiche platzen wollte, die schleunige Einsargung durchgesetzt. Niemand hegte Verdacht. Dagegen plünderte, ungestört durch die Gegenwart des blinden Greises, des achtzigjährigen Vaters der Ermordeten, die Gottfried deren Schränke, während sie vorgab, für den armen, nun seiner letzten Stütze Beraubten den Haushalt zu führen.

      Es war um diese Zeit, da sie Shakespeares »Hamlet« im Theater sah. Als eine Freundin sehr gerührt war und weinte, sagte die Gottfried, sie solle doch denken, es wäre Komödie.

      Nachdem sie im Frühjahr noch eine dritte Erholungsreise nach Hannover gemacht hatte, fuhr sie in ihren Vergiftungsarbeiten fort.

      Im Juli 1825 vergiftete sie, doch ohne tödliche Folge, den schon erwähnten Lehrer S. (wie schon früher dessen Kind), weil seine Frau ihr zuwider war.

      Ihr lieber Mietsmann, der fromme Mosees, kränkelte schon seit Jahren an dem ihm gelegentlich, wenn sie gerade daran dachte, beigebrachten Gifte. Als er im Begriffe schien, sie heiraten zu wollen, hielt sie es für an der Zeit, ihn ernstlich zu vergiften. Unter Kuß und Tränen gab sie ihm die stärkste Dosis, und er starb, vor Schmerz rasend, am 5. Dezember 1825, nachdem sie sich versichert hatte, daß er ihr ein bedeutendes Legat ausgesetzt hatte. Zum ersten Male schien sie beim Leichenbegängnisse dieses Opfers ihre Maske abzunehmen. Nach den Aussagen von Zeugen verbarg sie nicht die kälteste Gleichgültigkeit, und zu einer neben ihr stehenden Frau sagte sie während der Leichenrede, das sei nun die einundzwanzigste oder zweiundzwanzigste Leiche, die sie begraben lasse; es komme ihr gerade vor wie eine Hochzeit.

      In ihrem Selbstbekenntnis aus jener Zeit räumt sie ein, daß ihr damaliger Seelenzustanü ein unbehaglicher und sie am liebsten allein gewesen sei, auch Unlust am Anziehen, an jeder Ordnung, ja auch an vielen Vergnügungen empfunden habe. Besonders bedauerte sie, daß sie, wenn sie sterbe, den Armen nichts hinterlasse, wie andere tun, um ihre Sünden abzulösen.

      Mosees Vergiftung, zwar ein Kapitalstück, genügte indessen nicht zum täglichen Brot. Sie übte und versuchte sich fortwährend in kleineren Vergiftungen, die schwerlich zur Kenntnisnahme der Richter gekommen sind. Um der unbedeutendsten Ursachen willen griff sie zu ihrer Mäusebutter. Sie reichte sie ihrer Magd, Luzie Block, dem Kindermädchen des Lehrers S., Blandine Witzel, also schon der dritten Person in einer Familie, die Gift essen mußte, nur um des Hasses der Gottfried gegen die Frau willen, die sie nicht vergiftete, und der Magd Sophie Luise Fette, die sich in den Diensten einer ihrer Mieterinnen befand. Schon wählte sie nicht mehr, noch verfolgte sie Einzelne, vielmehr gab sie das Gift, wenn der Zufall ihr die Personen zuführte. In ihren Geständnissen heißt es: »Zuweilen war ich monatelang von dem Triebe frei; dann aber kam wieder eine Periode, wo ich mit dem Gedanken aufwachte: wenn der oder die kommen sollte, da solltest du Gift geben. Am häufigsten gab ich die Mäusebutter Personen, die mich allein besuchten, weil ich dann am häufigsten den Trieb fühlte.«

      Sie konnte, wenn sie einmal zum Nachdenken über sich selbst kam, sich oft darüber wundern, daß alles so unentdeckt blieb. Zugleich hatte sie es aber in der teuflischen Heuchelei so weit gebracht, daß sie ihre Opfer in ihren Qualen noch necken konnte. Seit Jahren vergiftete sie fort und fort ihre Freundin Marie Heckendorf, jedoch in geringen Dosen. Einst konnte sie, als von den Flecken die Rede war, welche infolge des häufigen Giftgenusses im Gesichte entstanden, den Finger heben und im Tone warnender Liebe fragen, sie genösse doch wohl nicht heimlich starke Getränke.

      Mancherlei immer dringendere Geldverwicklungen zwangen sie, ihr Haus zu verkaufen. Von Anfang an schwebte ihr dabei vor, daß ihr dasselbe über kurz oder lang wieder als Eigentum zufallen müsse. Deshalb hatte sie sich auch die lebenslängliche Nutznießung zweier Nebenhäuser, die zu ihrem Besten vermietet wurden, vorbehalten und fing ihr Lebensverhältnis mit dem Käufer, dem Radmacher Rumpf, so an, daß sie in gewohnter Weise durch verschiedene Vergiftungen zu ihrem Zwecke zu kommen hoffte. Es gab hier eine Arbeit mit großem Ziel, und mit voller Kraft ging sie ans Werk.

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