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vermochten die überzeugte Demokratin, die alte Achtundvierzigerin nicht zu beeinflussen und den Weg des neuen Deutschland ging sie innerlich nicht mit, und vielleicht sah sie gerade darum von Anfang, von der Stunde an, da England in den Weltkrieg gegen Deutschland eintrat, so klar, daß Deutschland unterliegen würde. Bei allem Siegesjubel der ersten Zeit blieb immer ihr Wort: „Ach, ich will mich ja so gern irren!“

      Bei der großen Schärfe ihres Verstandes, ihrem philosophischen Erkennen des Lebens war Henriette Goldschmidt immer die Frau voll Anmut und Kindlichkeit, sie besaß eine Grazie des Geistes, die immer ohne Schärfe das richtige Wort fand. Sie sah aber daher auch das Dunkle, Lauernde am Wege nicht; ein Ja war ihr ein Ja, ein Nein ein Nein, und sie hat es nie verstanden, daß im Handumdrehen aus Neinsagern Jasager werden konnten. Und wohl darum ist sie auch mitunter verkannt worden, auch von ihren Mitarbeiterinnen in der Frauenbewegung; ihr unverrückbares Zielsehen wurde nicht immer gewürdigt. Sie suchte immer die Einheit in der Mannigfaltigkeit, nach der Lehre ihres Meisters Friedrich Fröbel. Sie aber war selbst eine Einheit.

      Leider sind die Aufzeichnungen, die Frau Henriette Goldschmidt hinterlassen hat, nur lückenhaft. Sie hatte nie das Gefühl der Verpflichtung, über jeden Lebensabschnitt der Nachwelt gewissermaßen Rechenschaft abzulegen. Sie lebte dem Tag und seiner Arbeit, lebte mit großer Leidenschaft ihrem Ziel, und die Vergangenheit war ihr goldenes Buch, das sie selbst, dank ihres glänzenden Gedächtnisses, zu jeder Stunde aufschlagen konnte, sich heiter daran freuend oder nachdenklich darüber sinnend. Selbst schrieb sie darüber: „Ich bin häufig von älteren und jüngeren Freunden, denen ich im geselligen Beisammensein Einzelheiten aus meinem Leben mitteilte, gebeten worden, meine Lebensgeschichte zu schreiben, doch konnte ich mich nicht dazu entschließen. In den Jahren lebensvoller Betätigung war es nicht nur der Mangel an Zeit, es war vielmehr der Mangel an Selbstbewußtsein. Durch meine öffentliche Wirksamkeit sind biographische Notizen in Zeitungen und Zeitschriften gelangt, so daß ich es für überflüssig hielt, meine Persönlichkeit noch öffentlich vorzustellen.“

      Über manche Zeit ihres Lebens, so ihre Anteilnahme an der deutschen Frauenbewegung, sind schon Niederschriften vorhanden, und es ist nicht der Zweck dieses kurzen Lebens- und Arbeitsbildes, zu schnell Festgelegtem vielleicht, eine neue Beleuchtung zu geben, vielmehr soll hier das ganz eigene persönliche Wirken Henriette Goldschmidts, besonders, wie sie neben ihrer Pionierarbeit in der deutschen Frauenbewegung sich ihren eigenen Wirkungskreis schuf, in den zwei Abschnitten „Leben“ und „Schaffen“ dargestellt werden.

      Aus Niedergeschriebenem, Erzähltem, Erinnerungen, geführten Gesprächen und flüchtig hingeworfenen Worten ist dieses kurze Lebensbild gewoben. Es zeigt nicht die modernen grellen Linien derzeitiger Gewebe, der Hauch der vergangenen, der wirklich guten alten Zeit ruht über diesem Leben, denn seine Wurzeln hingen noch in der klassischen Zeit. Der Geist von Weimar war es, der dieser Frau die Kraft und den Aufschwung gab, sich selbst zu einer Persönlichkeit von ganz eigenartigem Gepräge zu entwickeln. Dem Geist von Weimar blieb sie ihr Leben lang treu, von ihm wich sie nicht um eines Halmes Breite ab, und so lebte sie ihr inneres und in seiner Einfachheit auch ihr äußeres Leben in dem Lichte, das uns von Weimar gekommen ist.

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