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um den der Weg sich krümmte, und im mäßigen Trab, doch scharf ihre Blicke auf mich geheftet, ritten sie vor mir vorüber. Der erste trug eine glänzende Uniform von Scharlach, goldene Tressen schmückten seinen Hut, und sein Pferdegeschirr, das prächtig im Sonnenschein funkelte, verrieth — wenn auch nicht einen geschmackvollen, doch einen reichen Mann. Der andre, (hier wurde die Erzählerin roth) der andre schien sein Jäger zu seyn. Einfach war sein grüner Frack, aber er bedeckte die schönste Gestalt, die ich je erblickte. Keine Tressen glänzten auf seinem Hute — nur ein hoher grüner Federbusch warf seinen schwankenden Schatten über das ausdrucksvolle, herrliche Gesicht, und milderte den Glanz der schönen schwarzen Augen, mit denen er fest auf den meinigen ruhte. Ich sah ihnen lange nach — plötzlich wandte der Erste sein Pferd, und spornte es zurück nach mir. Dürft' ich Dich wohl um ein Glas Milch bitten, mein schönes Kind! sagte er mit abgezogenem Hute. Der Tag ist schwül, und Dein freundliches Gesicht läßt mich hoffen, daß Du gastfrey seyst. Der Jäger hielt in einiger Entfernung. Er zog den Hut nicht ab, doch lag in allen seinen Mienen ein gewisses Etwas, das mich grüßte, ein Etwas, das mein Herz mit süßen Ahndungen bewegte, ob ich es gleich nicht zu nennen wußte.

      Ich stand bereitwillig auf, die Bitte des Fremden zu erfüllen. In eben dem Moment war er vom Pferde, das er dem Jäger zu halten gab, und nun folgte er mir in's Haus, wo ich ihm nicht ohne einige Verlegenheit die Thür unseres Wohnzimmers öffnete. Rasch flog ich nun die Treppe in den Keller hinunter, und als ich mit der Milch wieder herauf stieg, begegnete mir fest und liebend Lorenzens Blick, (so hieß der Jäger,) der sich, den Zügel des Pferdes in der Hand, an der offenen Hausthüre lehnte.

      Ach, fuhr Justine mit gerührter Stimme fort, lange Jahre, Jahre voll herzzerreissenden Kummers liegen zwischen diesem Blick und der Gegenwart, aber noch immer macht seine Erinnerung alle meine Nerven erbeben, — noch immer strahlt er mir entgegen mit dem vollen Ausdruck des Antheils und der Liebe, die er mich leise errathen ließ, und nur, wenn dies Herz einst in Staub zerfällt, wird es das Andenken jener kostbaren Minute verlieren, das in allen guten und bösen Stunden meines Schicksals beglückend mich umschwebte, — — oder wenigstens doch mildernd.

      Ich fing an zu zittern, — in meiner Brust, die noch keinem Manne entgegen geschlagen hatte, regten sich mit süßem Schauder die Erstlingsgefühle der Liebe. Ich bot ihm das Glas, — lächelnd schlug er es aus, und sagte: es ist ja für meinen Herrn bestimmt. — Nehm Er es nur, — ich hole Seinem Herren ein anderes, versetzt' ich, und erröthend reicht' ich es ihm wieder. Ich wollte gehn, aber er ergriff meine Hand, und mit einer Rührung, die ihm ach so gut stand, sagte er: Liebes, liebes Mädchen, Du scheinst so brav zu seyn, — bleib es immer, und der Himmel wird Dir's lohnen. Ein Geräusch an der Thür unterbrach ihn, und erinnerte mich an seinen Herrn. Eilig flog ich fort, um seine Ungeduld nicht zu erregen, aber mein ganzes, besseres Ich blieb bei Lorenz zurück.

      Als ich mit der Milch ins Zimmer trat, kam mir der Herr im Scharlachrock mit einer widrigen Freundlichkeit entgegen. Du hast mich lange warten lassen, mein Kind, sagte er mit glänzenden Augen, die einen unangenehmen Eindruck auf mich machten, weil sie mich an die schöneren Augen erinnerten, die ich eben jetzt, wider meinen Willen, verlassen hatte. Dafür sollst Du mir auch Gesellschaft leisten, und mir erzählen, wer Du bist, was Deine Eltern treiben, und ob man nicht mit Geld und gutem Willen Deine Lage verbessern kann. Mich dünkt, Du bist viel zu hübsch und artig für die Dürftigkeit, in der ich Dich finde, und wenn Du den Antheil eines zwar neu erworbenen, aber gewiß herzlichen Freundes benutzen willst, so kannst Du über mich gebieten.

      Ich war zwar nicht im Überfluß, aber doch in einem unserm Stande angemessenen Wohlstand aufgewachsen, und dünkte mir nichts weniger, als arm zu seyn. Lachend versicherte ich dieß dem Fremden, und setzte ihm die Vermögensumstände meiner Eltern in dem hellen Licht auseinander, in dem sie mir selbst erschienen. Er hörte mich verwunderungsvoll an. Es ist wahr, sagte er ernst, Du bist reicher, als ich dachte, denn die Zufriedenheit mit Deinem Schicksal ist ein Schatz, den kein Königreich erkaufen oder bezahlen kann.

      Nachdenkend ging er auf und nieder, nur dann und wann traf mich sein forschender Seitenblick, und jagte eine schüchterne Röthe auf meine Wange, denn das unlautere Feuer, die tückische Arglist, die in ihm brannte, war nicht geschaffen, mir Vertrauen einzuflößen, ob ich gleich in der glücklichen Unerfahrenheit meines Herzens sie noch nicht für sichere Kennzeichen einer verworfenen Seele hielt. Es konnte ihm unmöglich entgehen, daß mir seine Gegenwart peinlich war, aber demungeachtet gab er mir beim Abschied die Versicherung, nächstens wieder zu kommen, um die Bekanntschaft meiner Eltern zu machen. Ich bin der Kammerherr Mehrfeld von Spillingen, sagte er zu mir, als er schon zu Pferde saß, denke zuweilen an mich, mein Kind! Er begleitete diese Worte mit einem glühenden Blick, und ritt dann vorüber. Lorenz zögerte noch. Wenn ein günstiger Zufall meinen Namen in Dein Gedächtniß zurückruft, fragte er, wirst Du Dich dann gern und freundlich meiner erinnern? — Der Ton seiner Stimme, der tiefes Gefühl verrieth, weckte das meinige zu stiller Wehmuth, die ich mir selbst nicht enträthseln konnte. Ich reichte ihm meine Hand und schwieg; — mir war das Weinen so nahe! — Er drückte sie sanft, und schwang sich mit einem Seufzer aufs Pferd. Dann gab er ihm die Spornen, und sprengte dahin. — Mir war, als müßt' ich ihn halten. — Ich trat mitten auf die Landstraße, und blickte ihm nach, so lange ich konnte. Durch eine neidische Krümmung des Weges verlohr ich ihm bald aus den Augen, aber darum nicht aus dem Sinn. Schwermüthig ging ich zurück, — sein Bild schwebte immer um mich mit dem ganzen, einfachen Zauber der Wahrheit und der Liebe.

      Sehn Sie, sprach Justine, indem sie das Fenster öffnete, und mir durch eine Lücke ihres Gartenzaun's einen waldigten Berg zeigte, der in dem blauen Nebel der Entfernung gehüllt, in tiefer Perspective der Aussicht Gränzen zog, sehn Sie den weißen Punkt da oben am Gipfel jener Anhöhe? Das ist Schloß Spillingen, wo ich so glücklich, und ach! so unglücklich war! Dort lebte der Kammerherr des Sommers, — den Winter über fesselte ihn sein Dienst und seine Neigung an die Residenz.

      Selbst wenn die schwarzen Augen des schönen Jägers nicht so allgewaltig in mein Herz gedrungen wären — selbst dann hätte ich wohl oft an diese kleine Begebenheit gedacht, die den stillen Gang meines gewöhnlichen Lebens auffallend unterbrach. So bald meine Eltern nach Hause kamen, erzählt' ich ihnen den Besuch des Kammerherrn; aber ich weiß selbst nicht, warum es mir unmöglich war, auch Lorenzo's zu erwähnen. Ich konnte mich nicht überwinden, von ihm zu sprechen, und doch war er der Inbegriff aller meiner Gedanken, und die Hauptfigur auf der Tafel meiner zärtlichsten Erinnerungen. Mangel an Vertrauen zu meinen Eltern war es nicht, was mich zurückhielt, denn ich hing mit kindlicher Offenheit und Liebe an ihnen — aber dennoch, so sehr auch mein beklommenes Herz Erleichterung bedurfte, dennoch versagt' ich sie mir durch das tiefste, festeste Schweigen, das mir auf der einen Seite süß, auf der andern aber drückend war.

      Meines Vaters Lieblingsbeschäftigung war Blumengärtnerei. Ihr widmete er alle seine Nebenstunden, und wenn sein beschwerliches Amt ihn bisweilen ermüdet, oder verstimmt hatte, so fand er am sichersten bei seinen Blumen gute Laune und Erholung wieder. Vorzüglich sorgfältig wartete er eine Nelkenflor ab, die sein höchster Stolz und seine höchste Freude war, und die für den Liebhaber, selbst für den Kenner viel Werth hatte. Wenn dann und wann jemand bei uns einsprach, und es war Sommer, so pflegte er seine Gäste gern sogleich in den Garten zu führen, und mit frohen Blicken belauschte er die Bewunderung, die sie seinen Zöglingen zollten. Unermüdbar war er dann, den Namen einer jeden Nelke zu nennen, und die Erfahrungen mitzutheilen, die er sich durch seinen genauen Umgang mit der Natur und durch seine aufmerksamen Beobachtungen erworben hatte. Auch mocht' er gern von den Sorten sprechen, die ihm noch fehlten, und dankbar nahm er jede Belehrung und jede Bemerkung auf, die in sein Lieblingsfach paßte. Er war zwar immer gegen mich voll Güte und väterlicher Liebe, aber nie nannte er mich in einem zärtlichern Tone seine liebe Justine, als wenn ich mich beschäftigte seine Blumen zu pflegen, wenn ich Wasser zum Begießen herbei trug, oder sonst Antheil und Freude an ihnen bezeigte.

      Wenig Tage nach jener, mir unvergeßlichen Bekanntschaft saß ich still bei meiner Mutter und arbeitete. In die rosenfarbnen Träume, mit denen die Liebe so gern spielt, mischten sich dunkle, melancholische Farben, denn ich fing an zu zweifeln, daß Lorenz sich eben so warm für mich interessirte, wie ich mich für ihn; — was würde ihn sonst abhalten, dacht' ich mißmüthig, auf den Flügeln der Sehnsucht zu mir zu eilen, wenn

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