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dachte an Francis Drake und die „Golden Hind“. Er hoffte, daß sich der Sturm totgeritten hatte, wenn er drei oder vier Tagesreisen weiter nördlich Drakes Schiff erreichte.

      In Augenblicken wie diesen haßte man die See wie sonst nichts auf der Welt, aber der Seewolf wußte, daß er sich dieser Herausforderung jederzeit wieder stellen würde.

      Der Sturm war so schnell vorbei, wie er über sie hereingebrochen war. Erleichtert blickten die Männer der „Isabella“ den davonjagenden schwarzen Wolken nach und begrüßten den blauen Himmel und die Sonne wie einen totgeglaubten Freund.

      Schwankend stand der Seewolf mit Ben Brighton und Ferris Tucker auf dem Achterdeck und beobachtete den verhältnismäßig geringen Schaden, den der fürchterliche Sturm in der Takelage der Galeone angerichtet hatte. Bis auf die Spieren an den Topps der Masten hatte die „Isabella“ das Inferno heil überstanden. Ferris Tucker hatte schon Anweisungen gegeben, die zersplitterten Spieren zu ersetzen.

      Ben Brighton ließ alle Segel setzen. Der Wind blies immer noch kräftig aus südlicher Richtung. Piek- und Klaufall wurden vorgeheißt, und dann halste die „Isabella“ und jagte in nordwestlicher Richtung vor dem Wind her.

      Der Seewolf sah seinen Männern an, wie fertig sie waren. In den Augen einiger der neuen Leute sah er Bewunderung, wenn sie zum Achterdeck aufblickten. Wahrscheinlich hielten sie den Seewolf für eine Art Zauberer, weil er es geschafft hatte, die Galeone heil durch den Sturm zu bringen, den der Höllenfürst persönlich gesandt zu haben schien.

      Hasard grinste Ben Brighton an, der diese Blicke ebenfalls richtig gedeutet hatte.

      „Du bist für die Piraten ein Wundermann“, sagte er, „oder sie glauben, daß du mit dem Leibhaftigen im Bunde stehst.“

      „Das kann nicht schaden“, sagte der Seewolf grimmig. „Und wenn einer meint, er könne mit mir umgehen wie mit einem Normalsterblichen, dann werde ich ihm beweisen, daß ich der Satan persönlich bin.“

      Ben Brighton pfiff durch die Zähne.

      „Mir zittern schon die Knochen“, sagte er grinsend.

      „Das gilt doch nicht für die alte Crew, du Blödmann.“

      Hasard wandte sich um, als Ferris Tucker auftauchte, um zu berichten, daß sie schon bald mit dem Lenzen aufhören konnten. Es war verhältnismäßig wenig Wasser ins Schiff gedrungen. Am meisten durch das Koldergat auf dem Achterdeck. Die vier Männer, am Kolderstock hatten praktisch die ganze Zeit, in der der Sturm getobt hatte, unter einem Wasserfall gestanden. Jetzt saßen sie unter der Back, in trockenes Zeug gehüllt, und schlürften das heiße Getränk, das der Kutscher ihnen gebraut hatte.

      Die schlanke Galeone schoß wie ein Pfeil durch das aufgewühlte Meer, das sich sehr viel langsamer beruhigte als der Himmel, der wieder sein strahlendes Blau zeigte.

      Der Seewolf blickte nach vorn, wo Will Thorna und ein paar andere auf Ben Brightons Befehl die Blinde einholten und das Ersatzsegel anschlugen. Will Thorne sollte das Segel, das den Sturm so gut überstanden hatte, überprüfen, ob es Schaden erlitten hatte.

      Die ersten Seevögel tauchten wieder auf und kreisten kreischend über dem Schiff.

      Hasards Haß auf den mächtigen, unendlichen Ozean war wie weggewischt. Das Herz ging ihm auf, wenn er die zum Zerreißen geblähten Segel seines Schiffes betrachtete.

      Hier war er in seinem Element. Er wußte, daß er ohne die See nicht leben konnte, auch wenn sie ihn eines Tages wahrscheinlich umbringen würde.

      Ihr Kurs stand fest.

      Francis Drake war auf dem Weg nach Panama. Dort, wo die Silberschiffe des Stillen Ozeans ihre wertvolle Ladung löschten, damit diese über den Isthmus von Panama nach Porto Bello geschafft werden konnte, würde sich El Draque, wie die Spanier Francis Drake nannten, auf die Lauer legen, um wie ein reißender Wolf in die Schafherde einzudringen.

      Der Seewolf war sicher, daß er Drake finden würde. Er hatte ein schnelles Schiff – und eine Crew, mit der er dem Teufel die Schwanzhaare absegeln konnte.

      2.

      Der Sturm erreichte die „Golden Hind“ am Abend desselben Tages, an dem er auch die „Isabella“ gebeutelt hatte. Doch er hatte längst nicht mehr die Kraft wie ein paar Stunden zuvor.

      Thomas Moone und Edwin Carberry hatten alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen, obwohl es nicht aussah, als ob die „Golden Hind“ in Schwierigkeiten geraten könne.

      Thomas Moone zog sich deshalb beruhigt zu den anderen Gentlemen zurück, die an diesem Abend von Francis Drake zum Nachtmahl geladen waren. Edwin Carberry übernahm die Wache bis Mitternacht.

      Der Wind blies kräftig, wechselte aber zum Glück nicht. Carberry blickte zum Fockmast und dachte, daß sie auch das Marssegel hätten stehenlassen können. Der Profos war allein auf dem Achterdeck. Er spuckte nach Lee, als er das Gelächter aus der Kammer des Kapitäns hörte. Sein Gesicht verzog sich zu einem grimmigen Lächeln.

      Er konnte die Männer, die Francis Drake um sich versammelt hatte, nicht leiden. Die einzige Ausnahme bildete Thomas Moone, aber auch dem blieb nichts weiter übrig, als den Mund zu halten, wenn die feinen Pinkel und Möchtegern-Abenteurer sich mit dem Kapitän über Dinge unterhielten, die nicht einmal ein lahmes Maultier interessierten.

      Carberry dachte an die guten alten Zeiten zurück, als Francis Drake noch einer der ihren gewesen war. Obwohl er nie gesoffen und geflucht hatte, war er doch immer ihr Kapitän gewesen, der sich bedingungslos auf ihre Seite gestellt hatte, wenn es irgendeinem von der Mannschaft an den Kragen gehen sollte. Jetzt umgab er sich mit Speichelleckern wie dem jüngeren Bruder von Sir Thomas Doughty, den Drake vor der Durchfahrung der Magellanstraße hatte köpfen lassen. Es war das erstemal, daß Carberry den Henker gespielt hatte. Wenn er heute darüber nachdachte, konnte er wahrhaftig nicht sagen, daß es ihm Spaß bereitet hatte, einem Menschen den Kopf abzuschlagen, aber es quälten ihn auch keine Gewissensbisse.

      Sir Thomas Doughty war ein Verräter und Meuterer gewesen, der um ein Haar Francis Drakes gesamte Mission zum Scheitern gebracht hätte. Was ihm auf Drakes Schiff widerfahren war, wäre mit ihm auf jedem anderen Schiff der Welt ebenfalls geschehen.

      Der Lärm in der Kapitänskammer wurde lauter. Carberry versuchte nicht hinzuhören, aber es war leichter gesagt als getan. Er leckte sich die Lippen. Er dachte daran, daß die Männer in Drakes Kammer jetzt den schweren Wein in sich hineinschütteten, den Drake von der letzten Prise übernommen hatte. Carberry schlug mit der Faust auf die Reling. Seine Kehle fühlte sich plötzlich so trocken an, als wäre er ein paar Meilen durch die Wüste gelaufen.

      Er drehte sich etwas weg, als eine Welle gegen den Rumpf der Galeone klatschte und die Gischt in einem dichten Schleier über ihn hinwegwehte.

      Aus den Augenwinkeln heraus sah Carberry den schwarzen Schatten.

      „Was, zum Henker ...“

      Der Stoß traf ihn völlig unvorbereitet und erwischte ihn, als er gerade sein rechtes Bein angewinkelt hatte, um einen Schritt zur Seite zu treten. Gleichzeitig gierte die Galeone nach Backbord.

      Carberry fühlte sich hochgehoben. Er versuchte, mit den Händen die Wanten des Großmastes zu erreichen, doch das gischtende Salzwasser, das ihm in die Augen gedrungen war, nahm ihm die Sicht.

      Er begann zu brüllen wie ein Stier. Mit strampelnden Armen und Beinen segelte er über die Reling und tauchte kopfüber in die nächste Welle, die gegen den Rumpf der „Golden Hind“ schlug.

      Edwin Carberry wußte, daß die Hölle nicht mehr fern war. Mit aller Kraft, die in seinem stählernen Körper steckte, wühlte er sich durch die Wassermassen nach oben. Er sah einen Schatten auf sich zurasen und packte in Sekundenschnelle zu.

      Das Holz des nachgeschleppten Beibootes war glatt. Einen Moment glaubte Carberry, er würde sich nicht halten können, doch dann prallte seine Hand gegen eine Dolle und fand Halt.

      Der Profos wurde mitgerissen. Wellen schlugen über ihm zusammen, versuchten ihn zu verschlingen

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