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      © 1976/2013 Pabel-Moewig Verlag GmbH,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-250-6

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      1.

      Der Seewolf blickte zum Himmel hinauf und musterte mißtrauisch die zerfaserten Wolken, die im unwirklichen Licht der Sonne messinggelb schimmerten. Noch hielt die glühendheiße Brise aus, die die schlanke „Isabella III.“ nach Nordwesten vor sich hintrieb, doch der Seewolf wußte, daß sich der Wind bald legen würde. Die Vorzeichen waren untrüglich.

      Ben Brighton schlief noch in seiner Kammer. Er hatte die Wache von vier Uhr morgens gehabt. Auch die meisten der anderen Männer schliefen unter Deck, da der Wind bisher mit gleichbleibender Stärke geweht hatte und nur wenige Männer nötig waren, die Segel zu brassen.

      Viele von ihnen würden von dem Reichtum träumen, den sie in den Laderäumen der „Isabella“ mit sich führten.

      Ein Lächeln glitt über die Züge des Seewolfs, als er daran dachte, daß seine Beute vielleicht schon größer war als die von Drake, der ein paar Tage weiter nördlich mit der „Golden Hind“ an der Küste entlangsegelte.

      Obwohl in der Menge am geringsten, so war doch der Schatz, den sie auf der Chincha-Insel Isla del Medio gefunden hatten weitaus am wertvollsten. Hasard hatte die schönsten Stücke in seine Kammer bringen lassen. Immer wieder schaute er sie sich an, und wenn er daran dachte, mit welcher Brutalität die Spanier diese Kunstwerke einfach einschmolzen, um das reine Metall oder die Edelsteine nach Spanien schaffen zu lassen, schnitt es ihm ins Herz. Er wußte, daß diesen Kleinoden in England wahrscheinlich kein besseres Schicksal beschieden war. Am liebsten hätte er die schönsten Stücke ihren Besitzern zurückgegeben, aber er war sich darüber im klaren, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis sich die Schätze wieder in den Händen der spanischen Conquisadoren befanden.

      Der Wind war plötzlich verschwunden, als hätte der Himmel aufgehört zu atmen. Die Segel begannen zu killen, und Pete Ballie, der am Kolderstock stand, meldete, daß er den Kurs nicht mehr halten könne.

      Der Seewolf nickte Ferris Tucker zu, der sich unter der Back erhoben hatte. Der rothaarige Riese warf einen kurzen Blick zum Himmel hinauf und wußte Bescheid.

      „Alle Mann an Deck?“ fragte er.

      Der Seewolf nickte.

      „Beeil dich, Ferris“, erwiderte er. „Ich traue dem Frieden nicht. Laß die Segel bergen – bis auf die Fock und die Blinde.“

      Ferris Tucker schaute sich um. Bis auf die dünnen, zerfaserten Wolken war am Himmel nichts zu erkennen. Er hob die Schultern. Wenn der Seewolf meinte, es würde ein Sturm aufkommen, so mußte das stimmen. Der schwarzhaarige Satansbraten hatte sich noch nie in solchen Dingen getäuscht. Ferris Tucker konnte sich jedenfalls nicht daran erinnern.

      Hasard stand an der Galerie des Quarterdecks und beobachtete die Männer bei der Arbeit. Seit seine Crew um dreizehn Männer angewachsen war, war alles leichter für ihn geworden.

      Die Karibik-Piraten waren vielleicht nicht gerade das, was man als Vertrauenspersonen bezeichnen würde, aber eines stand fest: Sie waren ausnahmslos alles hervorragende Seeleute.

      Jean Ribault, der Franzose, grinste Hasard an, als er sich von ihm beobachtet fühlte. Der Seewolf blickte ruhig weiter. Um den Franzosen brauchte er sich nicht zu sorgen – ebensowenig um Jeff Bowie, den Engländer, der seine Peitschenhiebe, die ihm sein ehemaliger Kapitän Mac-Dundee-Einohr hatte verabreichen lassen, schon längst vergessen hatte. Auch der alte Will Thorne, in dessen Armen noch die Kraft eines Zwanzigjährigen steckten, war ein anständiger Mann. Er schien froh zu sein, auf der „Isabella“ fahren zu dürfen.

      Bei den anderen Männern war sich der Seewolf nicht sicher. Der bärenstarke Ire Patrick O’Driscoll hielt sich bisher zurück. Er redete nur wenig. Ebenso die beiden Dänen und die beiden Holländer, die sich von den anderen ein bißchen absonderten.

      Am wenigsten konnte Hasard den dürren Gordon Watts leiden. Der Mann mit dem Geiergesicht riß die Klappe ziemlich weit auf und wurde von der Mannschaft schon als Spinner bezeichnet. Hasard hatte ihn auf den ersten Blick durchschaut. Hinter seiner Quasselei verbarg er seine wirklichen Gedanken, die aber in seinen Blicken zu lesen waren. Er suchte überall nach Informationen und redete jedem nach dem Munde. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann der dürre Engländer damit beginnen würde, die Leute gegeneinander auszuspielen oder sie sogar aufeinanderzuhetzen.

      Der Seewolf grinste grimmig. Er würde sofort merken, was los war, und dann rettete Watts nichts mehr vor einer kleinen Reise am Tampen unter dem Kiel der „Isabella“ hindurch.

      „Laß die Kanonen dreifach festzurren, Ferris“, sagte der Seewolf, als die Segel geborgen waren. „Ribault, du nimmst dir ein paar Männer und sicherst die Rahen.“

      „Aye, aye“, sagte der Franzose grinsend und drehte sich um, ehe Hasard noch etwas sagen konnte.

      Dir werde ich das Grinsen eines Tages auch noch austreiben, dachte der Seewolf. Er ging zum Rudergänger hinüber, der nur eben mit dem Kopf das Achterdeck überragte.

      Pete Ballie fluchte ununterbrochen, weil er das Schiff nicht auf Kurs halten konnte. Wütend schlug er gegen den Kolderstock.

      „Spar dir deine Kraft für den Sturm auf“, sagte Hasard trocken. „Ich schicke dir drei Männer hinunter, die dir zur Hand gehen.“

      „Such aber welche aus, die ein bißchen Mumm in den Knochen haben“, erwiderte Pete, „sonst laß mich lieber gleich allein hier unten.“

      Der Seewolf wandte sich lächelnd ab. Er rief Blacky, den Engländer Jeff Bowie und den semmelblonden Kleiderschrank Buck Buchanan zu sich. Buchanan wirkte etwas schwerfällig, aber er hatte Kraft wie ein Ochse. Mit seinem Denkapparat war nicht viel los, doch er war gefällig und freundlich. Man sah ihm nicht an, welch grausamer Kämpfer er sein konnte. Hasard lief heute noch ein Schauer über den Rücken, wenn er daran dachte, wie der blonde Kleiderschrank unter seinen ehemaligen Kameraden auf der Silbergaleone aufgeräumt hatte.

      Pete Ballie war mit Hasards Wahl einverstanden.

      Hinter sich hörte Hasard das leise Knarren der Tür, die zu den Kammern führte. Er blickte sich um und sah Ben Brighton, der sich verschlafen die Augen rieb.

      „Was ist denn hier los?“ fragte er. „Läßt du die Manner ein bißchen schwitzen, damit sie kein Fett ansetzen?“

      Ehe der Seewolf antworten konnte, tönte die helle Stimme Dan O’Flynns vom Großmars.

      „Wolken achteraus! Sie nähern sich verflucht schnell!“

      Der Seewolf und Ben Brighton sahen sich um.

      Ben wurde ein bißchen blaß um die Nase, als er die schwarzen, quellenden Wolken sah, die sich wie drohende Ungeheuer über die Kimm schoben und das Meer zu verschlingen schienen.

      „Warum hast du das Großsegel bergen lassen?“ fragte er Hasard. „Wenn wir es reffen, fahren wir sicherer damit als mit der Fock und der Blinde.“

      „Und was willst du unternehmen, wenn der Sturm das Großsegel zerfetzt?“ fragte Hasard zurück. „Blinde und Sturmfock haben wir noch als Ersatz an Bord, ein Großsegel nicht. Und ohne Großsegel werden wir Drake nie wieder einholen.“

      Ben Brighton nickte schweigend. Er schien sich zu fragen, warum er eigentlich immer wieder etwas sagte, wenn Hasard ihn doch jedesmal von der Richtigkeit seiner Entscheidung überzeugen konnte.

      Der Seewolf sah, wie Ferris Tucker die letzten Luken verschalkte. Das teergetränkte Segeltuch würde verhindern, daß allzuviel Wasser ins Schiff lief. Dann brüllte der Schiffszimmermann seinen Leuten ein paar Befehle zu und verschwand mit ihnen unter Deck. Wahrscheinlich ging er noch einmal das ganze Schiff ab, um jede noch so kleine Ritze im Rumpf mit Werg zuzustopfen.

      Hasard teilte die Männer ein, die die Segel bedienen sollten, und schickte die anderen unter Deck.

      „Runter

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