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ihm wohlbekannten Wegen, dabei sicherheitshalber auch noch von Gefährten begleitet, bis er nach fünf Tagen beim Zollhaus in Adowa ankam und dort die Briefe an unseren Freund Janni ablieferte.

      Janni, der sich damals in Tigre aufhielt, war ein Mann von ausgezeichnetem Lebenswandel und moralischem Charakter. Er hatte zwei Königen von Abessinien zur großen Zufriedenheit gedient und Michael unterstellte ihm die Aufsicht über die Einkünfte des Zollhauses von Adowa, während er selbst in Gondar seinen Geschäften nachging.

      Mahomet Gibberti begab sich noch in derselben Nacht, als Mahomet Adulai den Boten abgeschickt hatte, nach Arkeeko zu Achmet. Er konnte ihn bei einer nächtlichen Unterredung auf eine sehr geschickte Art in allen den Meinungen, die er in der Ratsversammlung gegen den Naybe geäußert hatte, bestärken. Er erzählte ihm, wie ich in Jidda empfangen wurde, von dem Schutz, den ich von Konstantinopel hätte, von meinem vom türkischen Kaiser mitgebrachten Firman, von der Macht meiner Landsleute auf dem Roten Meer und in Indien und von meiner persönlichen Freundschaft mit dem Metical Aga. Er erklärte ihm ferner, in welcher Gefahr sich die Küsten des Roten Meeres befänden, wenn mir ein Leid widerführe, da sowohl der Scherif von Mokka als auch der türkische Kaiser dann an dem Ort, wo man sich gegen ihre Anordnungen so ungehorsam zeigte, eine völlige Anarchie vermuten würden. Wenn sie sich auch vielleicht nicht selbst einmengten, wäre doch eine Züchtigung durch die beleidigten Engländer unvermeidlich.

      Am 20. kam jemand von Mahomet Gibberti, um mich an Land zu bringen. Der Naybe selbst war noch immer in Arkeeko und Achmet kam herab, um die Abgaben von den Waren des Schiffes, welches mich hergebracht hatte, in Empfang zu nehmen. Mitten auf dem Markt waren zwei Lehnstühle hingestellt worden. Auf den einen setzte sich Achmet, und die Zollbeamten öffneten die Ballen und Pakete vor ihm; der andere Lehnstuhl linker Hand blieb leer.

      Achmet war ganz in Weiß in ein langes Kleid aus Nesseltuch gekleidet und hatte einen Rock eng um den Leib, der bis auf die Schenkel herabging, wie die kleinen weißen Fracks und Unterröcke der Kinder in England. Diese Art der Kleidung passte keineswegs zu seinem Körperbau, es schien aber, als glaubte er, in Staatskleidern zu sein. Sobald ich ihn zu Gesicht bekam, verdoppelte ich die Geschwindigkeit meiner Schritte. Gibbertis Diener flüsterte mir ins Ohr, ihm nicht die Hand zu küssen, wie es meine Absicht war. Achmet stand auf, als ich noch eine Armeslänge von ihm entfernt war, und als wir uns die Hände gaben, berührten wir die Lippen mit unseren Fingern und legten die Hände kreuzweise auf die Brust. Ich sagte den Gruß der Leute von niedrigem Stand: »Salam Alikum, Friede sei mit uns«, worauf er augenblicklich erwiderte:

      »Alikum Salam, es ist Friede mit uns.« Er zeigte auf den Stuhl, welchen ich ablehnte; er nötigte mich aber, mich zu setzen.

      Je mehr Ehre man in diesen Ländern jemandem beim ersten Besuch erweist, ein desto ansehnlicheres Geschenk wird dafür erwartet. Er gab ein Zeichen, sofort Kaffee zu bringen. Es ist ein Beweis, dass man für sein Leben nichts zu fürchten hat, wenn einem gleich etwas zum Essen und Trinken angeboten wird. Achmet fing mit einer ernsthaften Miene zu reden an: »Wir haben Euch schon seit einiger Zeit hier erwartet, glaubten aber, Ihr hättet Euren Vorsatz inzwischen geändert und wäret nach Indien gegangen.« – »Seit meiner Abreise von Jidda bin ich im Glückseligen Arabien und dem Meerbusen von Mokka gewesen und komme zuletzt von Loheia herüber.« – »Fürchtet Ihr Euch nicht«, sagte er, »mit einer so geringen Begleitung so lange und gefährliche Seereisen zu machen?« – »Die Länder, durch welche ich gefahren bin, sind entweder dem türkischen Kaiser, dessen Firman ich die Ehre habe Euch zu überreichen, oder der Regierung von Kairo oder dem Scherif von Mokka unterworfen. An Euch, mein Herr, übergebe ich die Briefe des Scherifs und außerdem einen von Eurem Freund Metical Aga, der mir versichert hat, Euer Charakter allein würde genügen, mich vor jeder üblen Begegnung zu schützen, solange ich nichts Unrechtes täte. Was die Gefahr von Straßenräubern und gottlosem Gesindel unterwegs betrifft, so habe ich zwar nur wenige, aber sehr erprobte Soldaten, die von Jugend auf in den Waffen geübt sind. Deswegen fürchte ich mich nicht vor einer, wenngleich überlegenen Anzahl feiger und an keine Ordnung gewöhnter Personen.«

      Er gab mir daraufhin die Briefe wieder zurück und sagte: »Ihr werdet diese dem Naybe morgen selbst übergeben. Ich behalte nur Meticals Brief, weil er an mich gerichtet ist, und ich will ihn zu Hause lesen.« Er steckte ihn ein, und da der Kaffee getrunken war, stand ich auf und verabschiedete mich. Zugleich wurde ich von zweien seiner Diener von der rechten und der linken Seite derartig mit Orangenblütenwasser aus silbernen Flaschen besprüht, dass ich bis auf die Haut nass wurde.

      Man hatte mir ein anständiges Haus besorgt und kaum war ich eingetreten, schickte uns Achmet eine reichliche Mittagsmahlzeit mit vielen Zitronen und gutem, frischem Wasser, welches uns jetzt mehr wert war als die größten Leckerbissen. Gleich darauf erhielten wir alles Gepäck ungeöffnet zurück, was mir besonders deshalb lieb war, weil ich befürchtet hatte, die Zöllner könnten mir bei ihrer plumpen Art, ihre Neugierde zu befriedigen, etwas an der Uhr, den Fernrohren oder Quadranten zerbrechen.

      Spät in der Nacht erhielt ich Besuch von Achmet. Er war jetzt entkleidet, der Leib war ganz nackt und er hatte nur ein leichtes Tuch übergeworfen. Er trug baumwollene Beinkleider, ein baumwollenes Netz als Kappe auf dem Kopf und hatte keine Waffen bei sich. Ich stand auf, ging ihm entgegen und dankte ihm für die Höflichkeit, mir mein Gepäck zu schicken. Als ich hinzusetzte, dass es eigentlich meine Schuldigkeit gewesen wäre, ihm aufzuwarten, statt zuzulassen, dass er sich die Mühe gäbe, nahm er mich bei der Hand, und wir setzten uns auf zwei Kissen nebeneinander nieder.

      »Alles, was Ihr mir da sagt«, sagte er, »ist gut und vortrefflich, aber ich muss Euch jetzt noch einige Fragen stellen, die für Euch selbst von größter Bedeutung sind. Bei Eurer Ankunft in Jidda hörten wir, es sei ein vornehmer Mann, der Sohn oder Bruder eines Königs, angekommen und im Begriff nach Indien zu gehen. Dies wurde mir und dem Naybe von Männern erzählt, die alle Tage sahen, wie viel Achtung Euch die Kapitäne von den vor Jidda liegenden Schiffen bezeigten. Metical Aga sagt in dem Privatschreiben, welches Mahomet Gibberti dem Naybe vorige Nacht überreichte, neben anderen ungewöhnlichen Ausdrücken: ›Den Tag, da dieser Person ein Unglück begegnen wird, werde ich allezeit als den unglücklichsten meines Lebens ansehen.‹ Nun seid Ihr aber ein Christ und er ist ein Muselmann, und dergleichen hochachtungsvolle Ausdrücke sind gar nicht gewöhnlich, wenn einer davon an den anderen schreibt. Er sagt überdies, dass der Großherr Euch in seinem Firman Bei-Adze (hochadelig) nennt. Sagt mir also, und sagt mir die Wahrheit, seid Ihr ein Prinz, ein Sohn, Bruder oder Enkel eines Königs? Seid Ihr aus Eurem Land verbannt? Und was sucht Ihr in dem unsrigen und setzt Euch so vielen Beschwerlichkeiten und Gefahren aus?«

      »Ich bin«, erwiderte ich, »weder der Sohn noch der Bruder eines Königs. Ich bin ein Privatmann aus England. Wenn Ihr, Sidi Achmet, meinen Prinzen oder irgendeinen anderen Sohn des Königs treffen könntet, würdet Ihr imstande sein, Euch ein richtiges Bild zu machen, und dies würde Euch auf immer daran hindern, sie mit einem gemeinen Engländer, wie ich es bin, zu verwechseln. Ließen sie es sich einmal einfallen, diesen Teil der Welt zu besuchen, würde dieses winzige Meer zu klein für ihre Schiffe sein. Eure Sonne, die jetzt so brennend scheint, würde sich durch ihre Segel verfinstern, und wenn sie ihre Kanonen abfeuerten, würde sich kein Araber auf den entferntesten Bergen sicher fühlen, und die Häuser an der Küste würden einstürzen wie bei einem Erdbeben. Ich bin ein Diener dieses Königs und dem Rang nach von niedrigerem Stand. Nur wegen meiner Liebe zu ihm und seiner Familie, worin ich keinem nachstehe, bin ich seiner Achtung würdig. Doch insofern haben Eure Korrespondenten recht, dass meine Vorfahren Könige in meinem Vaterland waren und zu den Größten und Ruhmwürdigsten gehörten, die jemals eine königliche Krone trugen. Dies ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Nun darf ich hoffentlich fragen, ohne Euch zu beleidigen, mit welchen Absichten Ihr diese Erkundigungen einzieht?«

      »Um Eurer Sicherheit und Ehre willen«, erwiderte er, »aber auch, weil Euch gewiss Tod und Verderben bevorstehen, wenn Ihr zu den Abessiniern geht. Sie sind ein barbarisches, räuberisches und treuloses Volk, welches andauernd Kriege führt, deren Ursache noch niemand ergründen konnte. Doch mehr darüber ein andermal.«

      »Das sei so«, antwortete ich, »aber jetzt habe ich Euch ein Wort unter dem Mantel der Verschwiegenheit zu sagen.« Jedermann erhielt Befehl, sich aus dem Zimmer zu entfernen. »Alles, was Ihr mir diesen Abend

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