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will dich heimholen, Magda!«

      Weich und zärtlich ist seine Stimme, und jedes Wort berührt Magda wie eine Liebkosung, unter der sie hilflos errötend zur Seite blickt.

      »Ja, Hanno, ich bin bereit, und ich – danke dir!« antwortet sie.

      Da steht er neben ihr, nimmt ihre Hände behutsam an seine Lippen und küßt sie andächtig.

      »Du mir danken? Ich danke dir, Magda! Doppelt verehrungswürdig bist du mir heute, da ich mein Glück abermals aus deinen Händen empfange!«

      Sie macht, erschreckend, eine abwehrende Bewegung. Oh – er kennt sie nur zu wohl! Genauso abwehrend erhob sie die Hand, wenn sie vor seiner Wildheit zurückfuhr und ihn dadurch besänftigte.

      Aufgewühlt bis in die tiefsten Tiefen seiner Seele tritt er zurück.

      Ihm kommt ein Ahnen davon, daß die Vergangenheit Gestalt angenommen hat und fortan stündlich neben ihm einherschreiten wird.

      Auch Magda fühlt das, und so beschränken sie sich in ihren Worten auf das Allernötigste, bleiben innerhalb der Grenzen der Höflichkeit. Beide verschleiern ihre Gefühle durch kühle Zurückhaltung, die ihnen einen Anschein von Gleichgültigkeit gibt.

      Nur einmal noch verlieren beide die Maske, die sie vorgenommen – in dem Augenblick, als Hanno sich über das winzige rosige Gesichtchen seines Jungen neigt.

      »Mein Bub!« flüstert er innig und fühlt ein Brennen in den Augen.

      Er möchte den kleinen Kerl am liebsten an sich reißen, aber er fürchtet, sich nicht genügend in der Gewalt zu haben und ihm wehe zu tun.

      »Mein Junge – unser Junge!« sagt Hanno.

      Mit einem Blick tiefer Liebe umschließt er Mutter und Kind – und Magda nickt selbstvergessen dazu.

      Während der Bahnfahrt umgibt Hanno Magda und das Kind mit rührender Fürsorge. Er schleppt Obst und Süßigkeiten herbei, und es gibt nichts, was er nicht unternähme, um das Wohlbehagen seiner beiden Schützlinge zu erhöhen.

      Magda nimmt alles mit scheuem Dank entgegen.

      Nicht mir – seinem Kinde gilt es! hämmert sie sich ein und zwingt sich damit immer wieder zur Ruhe.

      Aber je näher man dem Heimatbahnhof kommt, desto stärker wird ihre Erregung.

      Von da ab überläßt Hanno Magda sich selbst. Er ahnt, was sie bewegt, und will ihr Zeit lassen, sich zu sammeln.

      Endlich sitzen sie im Schlitten. Dem alten Jochen rinnen die Tränen in den Bart, als er Magda wiedersieht und ihr die Hände drückt.

      »Willkommen!« sagt er mit einem tiefen Baß, und es klingt wie ein dumpfes, gutmütiges Grollen. Er wickelt sie mit einer Behutsamkeit in die Decke ein, die man dem rauhen Gesellen gar nicht zutrauen würde.

      Zarte Blässe bedeckt Magdas Gesicht, das jetzt von Hanno abgewandt ist. Ihre Augen gleiten über das vertraute Bild der Heimat, die in ihrem Winterschmuck einen überwältigenden Eindruck auf sie macht.

      Als der Birkenhof vor ihnen auftaucht, steigt es Magda heiß in die Wangen. Sie preßt die Hände zusammen, als könnte sie damit die Empfindungen bekämpfen, die sie bewegen.

      Das Kind liegt warm eingehüllt in Hannos Armen, nicht einmal die Nasenspitze ist zu sehen. Über dem Bündel lachen Hannos glückliche Augen.

      Nun lächelt auch Magda froh und segnet den Entschluß, Vater und Kind vereint zu haben. So fahren sie durch das weit geöffnete Tor des Birkenhofes.

      »Gottes Segen zu deiner und des Kindes Heimkehr!« Mit diesen Worten nimmt Frau Christine die zitternde Mädchengestalt in ihre Arme und küßt sie andächtig auf die weiße Stirn.

      Eng umschlungen betreten die beiden Frauen den großen Flur, Hanno folgt mit dem Kinde.

      An den Wänden entlang drängt sich mit freundlich glänzenden Gesichtern das Gesinde: Knechte, Mägde und das Hauspersonal, um die heimkehrende Magda ebenfalls willkommen zu heißen.

      Drinnen im Wohnzimmer legt Hanno Frau Aline das Kind in den Schoß, und seine Stimme hat einen sieghaften Klang, als er sagt: »Eingefangen habe ich sie mir alle beide – Magda und meinen Jungen!«

      »Hannos Kind«, flüstert Aline, sich über das kleine Menschenwunder neigend, während heiße Tränen über ihre Wangen rinnen.

      Ihre Hände zittern, sie wirft einen hilflosen Blick auf ihren Gatten, der ihr das Kind wieder abnimmt.

      »Magda!« Sie streckt der zögernd Näherkommenden beide Hände entgegen: »Wie soll ich dir für dieses neue Opfer danken?«

      Da vollzieht sich in Magda eine Wandlung. Diese Frau mit dem Leidenszug in dem vom Tode gezeichneten Antlitz stiftet keinen Unfrieden mehr. Der ehrliche Wille, nur noch Liebe zu spenden und gutzu- machen, was sie einst gefehlt, gießt einen Schimmer mütterlicher Güte über ihr bleiches Antlitz.

      Magda hat Mitleid mit der jungen Frau, und in ihrer beider Liebe zu Hanno finden sich nun auch ihre Herzen.

      »Hab meinen Jungen ein wenig lieb, Aline«, erwidert sie tiefbewegt, »das ist mir Dank genug!«

      Das Wiedersehen der beiden Frauen hat Frau Christine tief erschüttert. Hier hat die Vergangenheit keine Gewalt mehr. Das Kind ist die Brücke geworden, die nun von Herz zu Herzen geschlagen ist.

      »Ich werde dich jetzt in dein Zimmer führen, Magda.«

      Stolz trägt Frau Christine ihr Enkelkind auf ihren Armen, und etwas benommen folgt ihr Magda.

      Sie steigen die nach dem ersten Stock führenden Stufen empor; es ist der Weg, den Magda unzählige Male im Traume gegangen ist, wenn die Sehnsucht nach der Heimat sie bis in den Schlaf hinein verfolgte.

      Vor der Tür zu Magdas früherem Zimmer bleibt Frau Christine stehen und sagt mit einem lieben Lächeln um die Lippen:

      »Es ist dir doch recht, Magda, wieder in die dir vertraute Umgebung einzuziehen?«

      Magda nickt nur; zu sprechen vermag sie nicht. Sie ist überwältigt von der Feierlichkeit und der großen Anteilnahme aller anläßlich ihrer Heimkehr auf den Birkenhof.

      Die Hand auf das hämmernde Herz gedrückt, überschreitet sie die Schwelle ihres einstigen Mädchenzimmers. Da stehen alle die vertrauten, ihr so lieben Gegenstände noch an ihrem alten Platz.

      An einer Stelle bleiben Magdas Augen haften, werden starr und weit. Ihrem Bett gegenüber steht die seit Generationen im Besitz der Familie Lorenz befindliche Wiege.

      Man läßt ihr das Kind? Man hat es nicht zu dem jungen Paar gebettet? – Hier darf sie sich ungestört mit dem Buben beschäftigen, kann ihn nach Herzenslust liebkosen, wenn keine fremden Augen auf ihr ruhen; hier kann sie nichts als liebende Mutter sein.

      Damit verliert sich auch der letzte Argwohn, der bis zu diesem Augenblick noch in ihr war.

      Die bisher mühsam zurückgehaltene Erregung droht ihr fast die Brust zu sprengen.

      Jetzt löst sich die Spannung, und haltlos schluchzend liegt sie lachend und weinend an dem Herzen der Frau, die ihr eine wahre Mutter ist.

      »Tante Christine, mein Mütterchen! Das ist dein Werk! Kaum vermag ich dir dafür zu danken, weil ich nicht in Worte fassen kann, was mich bewegt.«

      »Du sollst nichts anderes als dich wohlfühlen bei uns, so wohl wie einst als Kind. Du sollst wissen, daß ihr beide zu uns gehört. Das Recht über den Jungen wollen wir dir nicht nehmen.

      Die Mutter des Kindes bist du und wirst dir die Verehrung und Liebe aller Bewohner des Birkenhofes gefallen lassen müssen!«

      *

      Seit Klein-Hanno auf dem Birkenhof eingezogen ist, verläuft das Leben in Eintracht und Harmonie, wie zu des alten Hartmut Lorenz’ Zeiten.

      Das Weihnachtsfest war heuer schöner denn je.

      Überall

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