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Eckhardt.

      Jetzt wandte sie sich zum Gehen, das Gesicht von Tränen überschwemmt, und beinahe wäre sie über ein Hindernis gefallen, wenn Detlef Sprenger nicht rechtzeitig hinzugesprungen wäre.

      Sekundenlang stützte sie sich schwer auf seinen Arm. Sie hatte den Schleier zurückgeschlagen und schaute nun verlegen zu dem Mann empor. Etwas in dessen Augen drängte ihr die Frage auf die Lippen. »Wer sind Sie?«

      Detlef Sprengers Blick irrte ratlos zur Seite. Er ahnte, daß diese Frau zu den nächsten Verwandten Josts gehörte. Er wollte zu einer Ausrede greifen, aber es fiel ihm nichts ein. So preßte er fast gegen seinen Willen hervor: »Ich war ein Freund Josts.«

      »Sie waren Josts Freund?« wiederholte Beate mit bleichen Lippen, und zugleich durchzuckte sie ein Gefühl der Freude.

      »Dann müssen Sie mir von Jost erzählen. Bitte begleiten Sie mich in mein Heim!« bat sie, erneut mit aufsteigenden Tränen kämpfend. Noch immer hielt sie seinen Arm umschlungen und sah bittend zu ihm auf. »Nicht wahr, Sie werden einer alten Frau diese Freude machen?«

      Detlef Sprenger war es zumute, als presse eine eiskalte Faust ihm die Kehle zusammen, alles sträubte sich in ihm, der Frau zu folgen, die sicherlich alles wissen wollte, was Jost und Petra betraf. Aber es lag so viel gläubiges Vertrauen in den tränengefüllten Augen der Frau, daß er es ihr nicht abschlagen konnte.

      Beglückt ging Beate neben Detlef Sprenger dem Ausgang des Friedhofes zu. Nun würde sie alles, alles erfahren, was es über Petra Eckhardt zu erfahren gab.

      Sie ahnte nicht, daß sie einem Mann begegnet war, dessen einziges Trachten und Sinnen danach stand, Petra für sich zu gewinnen…

      *

      Sehr reich müssen die Eckhardts sein, ging es Detlef Sprenger durch den Kopf, als er Beate Eckhardts Wagen verlassen hatte und einen prüfenden Blick über das schöne Anwesen warf. Dann drehte er sich höflich um und half der alten Dame aus dem Wagen.

      »Bitte – treten Sie ein!« sagte sie.

      Detlef legte in der Garderobe ab und folgte dann der dunkelgekleideten Frauengestalt in das neben der Diele gelegene Zimmer. Ganz licht und hell war es darin, obschon sich jetzt der Himmel bezogen hatte und ein feiner Regen fiel.

      Als er sich setzte, hörte er es in seiner Seitentasche knistern: Regina Reuters Abschiedsbrief! Also war sie wirklich vor ihm geflohen.

      Er richtete sich etwas auf. Wie ein Abschluß seiner Gedanken war das. Nun war der Weg frei – ganz frei, und er sollte ihn zu Petra Eckhardt führen.

      »Darf ich ganz offen zu Ihnen sein?« hörte er die dunkle, schwingende Stimme Beate Eckhardts. Sprenger neigte den Kopf.

      »Sehen Sie«, begann Beate und sah an seinen unstet umhergleitenden Augen vorbei, »mein Bruder hat ein seltsames Testament hinterlassen, das heißt, seltsam war es nur für die, die enttäuscht waren. Das Testament sieht vor, daß die Angehörigen meines Neffen Jost nur dann erbberechtigt sind, wenn sie des Erbes auch würdig sind. Und die nächste, die in Betracht kommt, wäre seine Frau Petra.«

      Detlef Sprenger merkte auf. So also lagen die Dinge? Wenn er also gegen Petra aussagte, ginge sie des Erbes verlustig und wäre abhängig – von ihm?

      Beate Eckhardt stutzte und sah erstaunt in das aufgewühlte Gesicht des Fremden. Was ging in ihm vor?

      »Sie, als Freund Josts, sind sicherlich in der Lage, uns den großen Dienst zu erweisen, genaue Auskunft darüber zu geben.« Beate sah den Ingenieur fragend an.

      Detlef Sprengers Entschluß stand fest. Er wußte, daß er ein gefährliches Spiel spielte, aber er tat es.

      »Dazu bin ich allerdings imstande, Frau Eckhardt«, sagte er fest. »Aber leider wird meine Auskunft wohl nicht so ausfallen, wie Sie es wünschen.«

      Beate Eckhardt war blaß geworden.

      »Was wollen Sie damit sagen?«

      »Nun, wie soll ich mich ausdrücken?« Detlef Sprenger suchte nach Worten. »Frau Petra Eckhardt hat es mit ihrer Ehe nicht allzu genau genommen.«

      »Mein Gott!« Beate war in ihren Sessel zurückgesunken. Feindselig war ihr Blick, mit dem sie das entschlossene Gesicht ihres Gegenübers maß.

      »Und – können Sie mir einen Namen angeben?«

      Detlef Sprenger überlegte sich die Antwort nur kurz: »Ich selber kann als Zeuge dienen. Petra suchte mich noch in der Unglücksnacht auf, als sie das Krankenhaus verlassen hatte. Sie kam zu mir, anstatt zu ihrem Kind zurückzufahren.«

      So, nun hatte er es gesagt. Wohl überkamen ihn Gewissensbisse, die er aber sofort wieder abschüttelte.

      Nein, er mußte an der Lüge festhalten – unbedingt!

      »Ich darf mich nun wohl zurückziehen?« fragte er kühl. »Ich hatte geglaubt, Sie wollten etwas über meinen Freund Jost hören…«

      »Ja… ja!« Beate Eckhardt war ganz verzagt. Sie hatte Nikolaus helfen wollen und der Mutter Leonores. Aber, wie es schien, hatte sie es falsch gemacht, ganz falsch. Ihre Hände fuhren erregt über die Falten ihres Kleides. »Das war auch der Hauptgrund. Aber Sie müssen mich recht verstehen: Mein Neffe ist tot, aber das Werk besteht, das sich schon seit Generationen in unserem Besitz befindet. Das Erbe ist groß, riesengroß; man will es Petra nicht kampflos überlassen. Es kommt darauf an, die Unbescholtenheit der jungen Frau zu beweisen, und nun zerschlagen Sie mir jede Hoffnung.« Sie richtete sich ebenfalls entschlossen auf.

      »Und ich glaube es nicht! Nein, nein und tausendmal nein, ich kann es nicht glauben – «

      Dann wieder weinte sie hilflos vor sich hin. Detlef Sprenger mußte rasch wegsehen. Etwas im Wesen dieser feinen alten Dame rührte ihn. Aber jetzt war er auf den Weg der Lüge gekommen – durch diese unselige Leidenschaft.

      Wenn er Petra schon gewonnen hätte, dann hätte er keine Minute gezögert, seine falsche Behauptung zu entkräften. Aber soweit war es ja noch nicht. Er verbeugte sich steif.

      »Leben Sie wohl, Frau Eckhardt! Es tut mir leid, daß ich Sie so enttäuschen mußte!«

      Im Nebenzimmer schrillte das Telefon. Müde erhob sich Beate Eckhardt. Bevor sie jedoch hinüberging, sagte sie traurig: »Leben Sie wohl!«

      Plötzlich aber kam ihr die ganze Wucht seiner Behauptung so recht zum Bewußtsein. Da trat sie dicht an ihn heran, so daß ihr zitternder Atem ihn streifte. »Ich weiß nicht, was ich von Ihnen denken soll. Ein Freund meines Neffen sind Sie jedenfalls nicht gewesen. Wenn Sie das behaupten, dann lügen Sie. Man nimmt nicht die Freundschaft eines Menschen und betrügt ihn dann in einer Weise, wie Sie es taten. Das wird sich bitter an Ihnen rächen; glauben Sie einer alten Frau. Sie haben Ihren Freund noch über das Grab hinaus beschmutzt. Gehen Sie – «

      Betroffen, beschämt nahm Detlef die heftigen Worte der alten Dame hin. Vor ihrer befehlenden Geste floh er förmlich aus dem Zimmer.

      Beate lauschte seinem harten Schritt. Erst, als die Tür hinter ihm ins Schloß gefallen war, richtete sie sich auf und ging mit zaghaften Schritten ins Nebenzimmer. Zögernd nur nahm sie den Hörer in die Hand.

      »Nikolaus!« Wie ein Schluchzen hörte sich der Name aus ihrem Munde an. »Du mußt sofort zu mir kommen, Nikolaus, sofort, ich bitte dich! Nein, nichts mit dem Kind, ach, ich kann es dir hier nicht erzählen. Ein angeblicher Freund Josts war hier: Detlef Sprenger – und hat die Frau deines Bruders stark verdächtigt. Ich bin in großer Verzweiflung.«

      Noch ehe Nikolaus den Grund seines Anrufs hervorgebracht hatte, legte sie auf.

      *

      Beate Eckhardt, die bisher noch mit allem fertiggeworden war, was sich ihr an Widerwärtigkeiten in den Weg gestellt hatte, war verzagt wie noch nie.

      Untätig saß die sonst so fleißige Frau an dem breiten Eckfenster ihres Wohnzimmers und wartete auf Nikolaus.

      Ihr Blick war unverwandt auf das Gartentor gerichtet.

      Endlich

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