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die dem Hof ihren Namen gegeben hatte. Der alte Karl machte sich in der Nähe zu schaffen, weil er sich nichts entgehen lassen wollte. Nur Imma war im Haus geblieben und ging dort wie immer ihrer Arbeit nach.

      Ingrid sah, wie erregt Stefan Becker war, als er auf sein Kind zuging. Katrin blickte ihm neugierig entgegen. Zunächst gab sie nicht zu verstehen, ob sie ihren Vater erkannte.

      Ingrid hatte Stefan Becker darauf vorbereitet, dass ihn das erst ein halbes Jahr alte Kind vielleicht vergessen haben würde.

      Jetzt beugte er sich zu Katrin und strich ihr über die kurzen Locken.

      »Gesund und hübsch schaust du aus, mein Kleines«, sagte er leise.

      Katrin sah zu ihm auf, als studiere sie sein Gesicht. Dann streckte sie die Arme aus. Stefan Becker hob sie hoch, küsste sie und drückte sie fest an sich. Sie stemmte sich mit ihren kleinen Fäusten gegen seine Brust und beugte sich zurück. Schließlich patschte sie ihm mit den Händchen ins Gesicht. Das war ihre Liebkosung, mit der sie auch die anderen Bewohner des Birkenhofes immer bedachte.

      »So macht sie das bei mir auch immer«, sagte Karl sofort. Er war nähergekommen. »Aber sie hätte fester in Ihr Gesicht patschen sollen. Das hätten Sie nämlich verdient, Sie Tourist. Ich habe Ihnen doch wirklich geglaubt!« Er bemühte sich, einen grollenden Ton in seine Stimme zu legen, was ihm jedoch nicht recht gelang, weil er merkte, dass so etwas wie Rührung in ihm aufkommen wollte beim Anblick des Mannes und des Kindes.

      Imma hatte es doch nicht mehr im Haus gehalten. Sie stand auf der Schwelle. Lachend sagte sie: »Ja, Karl, dein sechster Sinn hat dich im Stich gelassen, als du dich mit Katrins Vater bei der Schlehdorn-Mühle so gut unterhieltest.«

      »Es war höchste Zeit, dass Karl auch einmal etwas passierte«, meinte Eugen von Herwig voll Genugtuung und lehnte sich auf seiner Bank mit zufriedenem Gesicht zurück.

      Aber Karl, der sich tatsächlich ärgerte, dass er bei der Ausfragerei des Fremden damals keinen Verdacht geschöpft hatte, musste das letzte Wort haben in dieser Angelegenheit: »Hätte ich Herrn Becker nicht so viel von der Mühle und ihrer Besitzerin erzählt und auch vom Birkenhof, wäre vielleicht alles anders gekommen. Ich glaube, dass ich Herrn Becker erst dazu verleitet habe, weiter hier in der Gegend zu bleiben. So ist es doch, oder?«

      Imma ging auf die Gruppe zu und reichte Stefan Becker die Hand. Während sie ihn begrüßte, bat sie: »Geben Sie Karl recht, und geben Sie meinem Vater recht, damit das Leben für mich auf dem Birkenhof nicht zu schwer wird. Alte Männer sind manchmal wie kleine Kinder.«

      »Alte Männer?«, wiederholte ihr Vater entrüstet. Er nahm Stefan Becker Katrin wieder ab. »Ich habe ein kleines Kind, da kann ich noch nicht alt sein! Und wir werden dieses Kind behalten.«

      Stefan Becker sah Ingrid verstohlen an. Es verging eine ganze Zeit, ehe er bestätigte: »Ja, Katrin soll noch auf dem Birkenhof bleiben. Ich werde mich bemühen, in der Nähe eine Stelle zu finden, damit ich sie oft besuchen kann.« Wieder wanderte sein Blick zu Ingrid. Diese senkte verlegen den Kopf, sie spürte, was Stefan Becker meinte, ohne es auszusprechen.

      Auch Imma, die die beiden Menschen beobachtete, fühlte sich in ihrer Vermutung bestätigt, dass sich Ingrid und Stefan Becker nähergekommen waren. Vermutlich verband sie mehr, als sie zugeben wollten. Sie waren beide in Not gewesen. Das musste sie verbinden. Aber warum danach fragen? Die zarte Pflanze der Liebe durfte man im Wachstum nicht stören.

      Als Ingrid, Stefan und Petra am Abend zur Schlehdorn-Mühle zurückwanderten, waren sie schweigsam. Petra war vom Herumtoben mit Simmerl müde, und die beiden Erwachsenen hatten viel zu grübeln.

      Was Stefan bewegte, sagte er am Abend, als Petra schon zu Bett gegangen war. Er trat hinter Ingrids Stuhl und legte die Hände auf ihre Schultern.

      Sie drehte sich um und sah zu ihm auf. In ihren Augen stand ein Glänzen, das Stefan Mut machte. Er strich ihr weich über das Haar und fragte: »Wir kennen uns erst so kurze Zeit, und doch kommt mir alles an dir so vertraut vor, als wäre ich schon Monate hier.« Er machte eine Pause, dann erklang seine Stimme wieder, und es hörte sich an, als sei ein leichtes Zittern darin. »Ingrid, geht es dir nicht auch so wie mir? Hast du mich ein wenig lieb gewonnen?«

      Ingrid lächelte, ihr »Ja!« war kaum zu verstehen, aber für den Mann hörte es sich laut und deutlich an. Es war die Antwort, die er so sehr ersehnt hatte.

      Er zog Ingrid aus ihrem Sessel hoch und hielt sie fest. Noch immer klang seine Stimme vor Aufregung rau, als er sagte: »Es kommt mir wie ein Wunder vor, dass ich noch einmal lieben kann. Ja, Ingrid, ich liebe dich. Von der ersten Minute an, in der ich dich sah, warst du wie ein Engel für mich. Dein Bild verfolgte mich in meinen Fieberphantasien. Es gab mir immer wieder Kraft zum Durchhalten. Vorher hatte ich oft gedacht, dass sich das Leben für mich nicht mehr lohne. Die Schuld Katrin gegenüber drückte mich zu Boden. Die Gedanken an meine Frau ließen mich anderen Frauen gegenüber verbittert werden. Doch zu dir hatte ich vom ersten Augenblick an Vertrauen und zweifelte nie an deiner Aufrichtigkeit. Du hast mir immer wieder Mut gemacht, du hast mich gesund gepflegt und mir geholfen, wieder ins Leben zurückzufinden, meine Schuld einzusehen und dafür geradestehen zu wollen. Heute habe ich auf dem Birkenhof erlebt, dass man mir dort auch verzeiht, dass man für meinen damaligen Schritt so etwas wie Verständnis hat. Aber wirst du auch zu mir stehen, wenn ich beim Gericht nicht so gut wegkomme wie hier bei euch?« Nun klang Besorgnis aus seiner Stimme, dass er sich vielleicht doch zu viel Hoffnungen gemacht hatte.

      Ingrid lege die Arme um seinen Hals. »Ich werde alles mit dir durchstehen, Stefan, denn ich glaube, dass dich das Schicksal selbst in mein Haus geführt hat. Ich war das letzte Jahr über immer so allein und oft verzweifelt, weil ich Angst haben musste, eines Tages vielleicht die Schlehdorn-Mühle und damit meine und Petras Heimat verlieren zu müssen. Ich hatte auch den Schmerz um meinen Mann noch nicht überwunden, obwohl ich immer bemüht war, das niemandem zu verraten. Vor allem Petra nicht. Dann auf einmal gab es dich, du wurdest krank und brauchtest mich. Das hat mir geholfen, meine Sorgen in den Hintergrund zu stellen. Ich habe wieder gelernt, dass man immer gebraucht wird und dass es sich lohnt, um etwas zu kämpfen, was einem sehr am Herzen liegt.«

      »Du bist eine tapfere Frau, ich bewundere dich, und ich bin stolz, dass du zu mir gehören willst.« Er küsste sie behutsam, doch dann schob er sie ein Stück weg und sagte besorgt: »Was wird Petra dazu sagen, dass wir uns lieben? Meinst du, dass sie mich ebenfalls lieb haben wird?«

      Ingrid lächelte zuversichtlich. »Ganz bestimmt. Und sie hat sich immer einen neuen Vati gewünscht. Es ist nun einmal so, dass Kinder nicht nur die Mutter brauchen, sondern auch einen Vater.

      Außerdem werden Katrin und Petra doch dann Geschwister, das allein würde ihr schon gefallen, denn die beiden haben sich wirklich gern. – Morgen musst du zum Gericht gehen und dich stellen, Stefan. Ich werde dir die Daumen halten, dass du milde Richter findest, die dich so verstehen, wie wir dich verstanden haben. Dann suchst du dir eine Stelle. Ich bin davon überzeugt, dass du eine findest, und alles wird wieder gut werden.«

      »Danke, Ingrid, du gibst mir so viel Kraft.« Behutsam zog Stefan die junge Frau an sich, und es sah aus, als wolle er sie nie wieder loslassen.

      Und Ingrid fühlte sich in seinen Armen so geborgen wie lange nicht mehr. Auch ihr kam es wie ein Wunder vor, dass sie wieder lieben konnte. Sie war sehr dankbar dafür.

      *

      Stefan Becker fand einen verständnisvollen Richter. Er wurde nicht, wie alle befürchtet hatten, zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, sondern kam mit einer Geldbuße davon.

      Vierzehn Tage später fand er eine Stelle als Ingenieur. Er wollte nun jeden Morgen nach Bachhausen fahren und abends in die Mühle zurückkommen. Auf dem Birkenhof erfuhr man es zuerst, dass Ingrid und Stefan vorhatten, bald zu heiraten.

      Petra platzte damit heraus. Sie sagte: »Wir werden Katrin bald zu uns holen, weil ihr Vati nun auch mein Vati wird.«

      Kaum hatte sie das ausgesprochen, merkte sie, was sie mit ihren Worten angerichtet hatte. Sie lief auf Eugen von Herwig zu und sah bittend zu ihm auf. »Wir nehmen Ihnen Katrin ja nicht ganz weg. Ich werde sie oft zum Birkenhof bringen,

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