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– mit Ihnen sprechen – ja, ich werde mich Ihnen anvertrauen. Bitte, geben Sie mir Gelegenheit dazu. Sie haben wirklich nichts zu befürchten.«

      Ingrid sah ihn einige Sekunden schweigend an, dann schob sie ihn in ein kleines Zimmer, in dem sie ihre Näh- und Flickarbeiten machte und in dem auch ein Sofa stand.

      Im Flur erklang Petras Stimme: »Hallo, Mutti, hast du eben gesprochen? Bist du da?«

      »Bleiben Sie hier drin«, sagte Ingrid mit ernster Stimme. »Machen Sie mir bloß keine Scherereien.«

      Sie eilte hinaus und rief Petra zu: »Ja, ich bin auf einen Sprung zu euch herübergekommen.«

      »Was wolltest du denn da drinnen?«, fragte Petra neugierig.

      »Ich habe mir die Schürze abgebunden«, antwortete Ingrid zerstreut.

      Petra lachte. »Aber du hast sie doch noch um, Mutti!«

      Ingrids Gesicht rötete sich. »Ich wollte sie abbinden. Aber das kann ich ja noch immer tun. Lauf zurück ins Wohnzimmer zu den anderen, ich komme gleich nach und bleibe dann eine Weile bei euch.«

      Petra verschwand, und Ingrid ging noch einmal in das kleine Nähzimmer zurück. Der Fremde saß in einer Haltung auf dem Sofa, als werde er jeden Augenblick zusammenbrechen. Er atmete schwer.

      Ingrid betrachtete ihn besorgt. »Strecken Sie sich aus. Sie brauchen sich nicht zu genieren. Da ich Sie schon mit ins Haus genommen habe, können Sie es sich hier auch bequem machen. Ich muss jetzt erst zu den Kindern gehen, ich habe es meiner Tochter soeben versprochen. Brauchen Sie etwas, kann ich Ihnen noch etwas holen?«

      »Ich habe Durst, furchtbaren Durst.« Die Stimme des Mannes klang matt.

      »Ich bringe Ihnen nachher etwas zu trinken, aber laufen Sie mir in der Zwischenzeit nicht weg, auch wenn es etwas dauern sollte. Oder soll ich Sie lieber einschließen?« Jetzt lächelte Ingrid. »Das würde mir gar nichts ausmachen.«

      »Ich bleibe hier.« Der Mann streckte sich aus.

      Ingrid erkannte, dass er Fieber hatte. Seine Augen flackerten noch immer. Sein Gesicht war gestern noch stark gerötet gewesen, nun sah es verschwitzt aus. Wie lange mochte der Mann sich schon in diesem Zustand herumgetrieben haben?

      Ingrid bemühte sich, Ordnung in ihre Gedanken zu bringen, und ging zu den Kindern. Sie beschäftigte sich ein paar Minuten mit ihnen und nahm dann die erste Gelegenheit wahr, um in der Küche zu verschwinden. Dort stellte sie Wasser auf und bereitete Tee, den sie wenig später zu ihrem Gast trug.

      Er hatte sie nicht gehört. Die Augen waren ihm zugefallen, er atmete unregelmäßig, dann begann er unterdrückt zu husten.

      Ingrid neigte sich über ihn. »Ich habe Ihnen Tee gebracht. Am besten trinken Sie ihn so heiß wie nur möglich, das wird Ihnen guttun.«

      Der Mann öffnete die Augen und schien einige Sekunden zu brauchen, bis er sich zurechtfand. Plötzlich fuhr er hoch. »Ich darf nicht bei Ihnen bleiben. Sie haben mich gebeten, Ihnen keine Scherereien zu machen, aber das kann ich nicht versprechen. Ich bin krank, und – ich werde – ich werde …« Er brach ab.

      Ingrid griff nach seinen Händen. Sie waren sehr heiß. »Was werden Sie? Wollen Sie nicht zu Ende sprechen?«

      »Ich werde – von der Polizei gesucht.«

      Ingrid richtete sich auf. Ihr Gesicht war blass geworden. »Sie sind sehr ehrlich zu mir, aber Sie werden sich gewiss nicht wundern, dass ich jetzt erschrocken bin. Ich lebe mit meinem Kind allein in diesem Haus.«

      »Ich weiß.« Der Mann ließ sich wieder in die Kissen zurückfallen. »Das habe ich beobachtet. Ich treibe mich schon längere Zeit hier herum. – Ich muss jetzt wieder gehen.«

      »Wollen Sie sich mir nicht anvertrauen?«, fragte Ingrid.

      »Ja, das wollte ich zuerst, doch ich möchte Sie nicht in jene Dinge hineinziehen, die mich belasten. Ich habe kein Recht dazu. Ich …« Er brach wieder ab, und es sah aus, als schlafe er ein.

      Ingrid merkte jedoch, dass ihn nur das Fieber schüttelte und ihm anscheinend die klaren Gedanken nahm. Erneut betrachtete sie ihn. Er wirkte nicht besonders gepflegt. Aber das war wohl auch kein Wunder, wenn er sich immerzu im Freien aufhielt. Seine Kleidung war modern, und es sah so aus, als sei sie noch vor Kurzem sehr ordentlich gewesen.

      »Ich muss jetzt zu den Kindern zurück«, sagte Ingrid. »Hier steht der Tee. Trinken Sie ihn gleich. Auch wenn Sie plötzlich Hemmungen haben, sich mir anzuvertrauen – Sie bleiben hier. Ich lasse Sie in diesem Zustand nicht hinaus. Die Kinder gehen jetzt bald aus dem Haus, und meine kleine Tochter begleitet sie. Dann haben wir Zeit, miteinander zu sprechen.«

      »Aber der Mann ist noch immer in der Mühle. Ich will nicht, dass er mich sieht.«

      »Der Mann kommt nicht hierher. Er hat in der Mühle viel Arbeit. Ich werde ihm gleich Bescheid sagen, dass ich ihm heute nicht mehr helfen kann.« Ingrid verließ das kleine Zimmer.

      Sie war sehr unruhig. Seltsamerweise fürchtete sie sich vor dem Fremden nicht mehr, die Sorge um ihn machte sie nervös. Es kam ihr vor, als sei er schwer krank.

      Sie hatte es eilig, die Kinder daran zu erinnern, dass sie zum Birkenhof gehen mussten.

      Als Petra bat: »Mutti, kann ich dann noch eine Stunde im Birkenhof bleiben und mit Katrin spielen? Es ist ja noch lange nicht dunkel«, da sagte Ingrid schnell: »Ja, das darfst du.«

      Als sich die Kinder verabschiedeten, hatte sie doch ein schlechtes Gewissen. Sie wandte sich an Petra und strich ihr über das Haar: »Geh genau um halb sieben vom Birkenhof weg. Imma wird dir die Zeit sagen. Ich komme dir dann wieder entgegen.«

      »Warum denn, Mutti? Ich bin den Weg schon so oft allein gegangen, und du hast doch noch viel Arbeit«, erwiderte Petra ein wenig beleidigt.

      »Es bleibt bei dem, was ich gesagt habe, weil es mir so lieber ist.« Dabei dachte Ingrid, dass sie jetzt doch eigentlich keine Angst mehr um ihr Kind zu haben brauchte, denn der mysteriöse Fremde war ja in ihrem Haus.

      Sie drückte die kleine Katrin an sich, setzte sie in den Kinderwagen und fuhr ihn bis zu den Schlehdornbüschen. Susanne und Petra schoben den Wagen gemeinsam weiter.

      Ingrid ging kurz in die Mühle und sagte ihrem Helfer Bescheid, dass er die Arbeit heute allein weitermachen musste, da sie etwas Dringendes im Haus zu erledigen hatte. Dem Mann schien dies recht zu sein.

      Als sie wieder auf das Haus zuging, sah sie den Fremden am Fenster des Wohnzimmers stehen. Ärger überfiel sie. Wie kam er dazu, im Haus umherzuwandern? Eben hatte er doch noch den Eindruck gemacht, als könne er sich nicht auf den Beinen halten.

      Auf was hatte sie sich da eingelassen? So leichtsinnig war sie doch nie.

      Zögernd betrat sie den Flur. Der Mann stand nun auf der Schwelle zum Wohnzimmer.

      »Entschuldigen Sie, ich gehe schon in das kleine Zimmer zurück«, sagte er bedrückt und stützte sich im Türrahmen. Seine Stimme war kaum zu verstehen, als er hinzufügte: »Ich wollte nur den Kindern nachsehen, und das konnte ich von dem anderen Zimmer aus nicht.«

      »Setzen Sie sich ins Wohnzimmer«, ordnete Ingrid an.

      »Kommt bestimmt niemand ins Haus?«

      »Nein, bestimmt nicht«, lächelte Ingrid etwas bitter. »So viele Menschen gibt es nicht, die hierher zu Besuch kommen.«

      Sie ging voraus und nahm in einem der bequemen Sessel Platz. »Nun setzen Sie sich endlich! Lange werden Sie sich wahrscheinlich doch nicht mehr auf den Beinen halten können. Soll ich noch einmal Tee bringen?«

      »Nein, danke, es drängt mich, mit Ihnen zu sprechen, wenn Sie mir wirklich zuhören möchten.« Der Mann senkte den Kopf. »Dann können Sie entscheiden, ob Sie mich gleich der Polizei übergeben wollen, oder ob ich mich erst etwas bei Ihnen erholen darf.«

      Ingrid lehnte sich zurück. »Vielleicht hätte ich den Kindern lieber sagen sollen, dass man vom Birkenhof aus einen Arzt verständigen

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