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BOTE:

       Mit seiner ganzen Macht zieht er heran… Nabukadnezar… kaum entkam ich seinen Reitern… rüstet… rüstet… Wächter an die Mauern… ich… ich muß…

      STIMMEN:

       Wie… was sagt er… wer ist geschlagen… wo ist Pharao… Du bist verwirrt… gebt ihm Wasser… er lebt… es ist nicht möglich… wo ist Ägypten…

      DER BOTE:

       Wasser… ich kann nicht mehr… Ägypten ist geschlagen… Necho hat Friede gemacht… Tribut… Tribut… nun zieht er heran… Nabukadnezar… führt mich… ich kann nicht mehr… hinter mir seine Reiter… zum Könige…

      (EINIGE führen den Boten, der kaum vor Erregung gehen kann, zum Palast.)

      STIMMEN (von rückwärts):

       Was hat er gesagt… sind die Chaldäer geschlagen… was ist… warum schweigt ihr… was ist geschehen…?

      DIE MENGE (wird allmählich von einer grauenhaften Angst befallen, der große, rauschende Tumult ist in ihr erloschen. Ein ungeheures Schweigen der Bestürzung geht allmählich über in die Stimmen, die zaghaft und erschreckt aus der Stille aufzucken): Es ist nicht möglich… es darf nicht wahr sein… was… was hat er gesagt… ein Betrüger… er ist trunken… nein, er war erschöpft… die Reiter hinter ihm, hat er gesagt… es kann nicht sein… sie haben doch gesagt… er lügt… nein, nicht eines Lügners war sein Gebaren… was ist… was ist geschehen… was hat er gesagt… es kann nicht sein… Gott kann das nicht wollen…

      EINE STIMME (laut):

       Pharao hat uns verraten!

      STIMMEN (plötzlich aufspringend im Zorn und raschen Anlaufs wachsend): Ja… Pharao hat uns verraten… ja… ja… Fluch über Pharao… ein Bündnis geschlossen… Fluch Mizraim… Betrüger die Ägypter… sie haben uns verraten… Fluch Pharao…

      EINE STIMME:

       Immer habe ich gesagt: kein Bündnis mit Ägypten.

      STIMMEN:

       Ich auch… ich auch… ja… ich auch… ich auch… wir alle… ich auch… ein Rohrstab ist Ägypten… weh, daß der König ihnen traute… ich habe widerraten… ich auch… ich auch… wir alle… Fluch über Pharao… was wird nun aus uns… wehe über Israel… mein Weib, meine Kinder… ich habe gewarnt… ich auch…

      EIN MANN (hereinstürzend):

       Zu den Waffen! Zu den Waffen! Verschließet die Tore, Nabukadnezar zieht heran und seine Scharen. Schon bei Hebron sind seine Reiter…

      STIMMEN:

       Wehe… bei Hebron… in zwei Tagen umgürtet er die Stadt… wir sind verloren… nein… an die Mauern… wo ist der König… man schließe Friede… nein… es ist zu spät… sind wir besiegt denn… die Priester, wo sind sie… bei Hebron hat er gesagt… zu den Waffen… nein, Friede… Friede… zieht ihm entgegen… verloren sind wir… von je hab ich gewarnt…

      EINER (plötzlich auf Jeremias hindeutend, der sich wie ein Trunkener an eine Säule stützt und sein Antlitz verhüllt): Da… da seht hin…

      STIMMEN:

       Was ist… wer ist es… was habt ihr… was meinet er…

      DER EINE:

       Dort… dort sehet hin… von ihm geht es aus… er hat sie gerufen… er hat den Boten gekündet… er hat uns verflucht…

      STIMMEN:

       Wer… Jeremias… wer ist es… Jeremias, er hat uns verflucht… ja, er hat ihn gerufen… er hat gebetet um Nabukadnezars Sieg… ein Gekaufter ist er… zerreißet ihn… nein, nicht rührt ihn an… er hat es gekündet… ein Profet ist er… ein Gekaufter… seht, wie er brütet…

      DER EINE:

       Sein Lachen verbirgt er hinter dem Tuche. Aber zu frühe freuet er sich. Noch steht Jerusalem, ewig wird es bestehen.

      STIMMEN:

       Ja… ja… ewig währet Jerusalem… tretet ihn tot… nein, weichet von ihm… Macht ist in ihm… weh, daß er uns fluchte… er ist alles Unheils schuld… ausreißt ihm die Zunge… nein, laßt ab von ihm…

      (EIN HEROLD tritt hastig aus des Königs Palast.)

      STIMMEN:

       Ein Herold… ein Bote des Königs… Botschaft des Königs… schweigt… schweiget… höret ihn an… ein Bote…

      (DIE MENGE wird ganz still und sammelt sich um die Stufen.)

      DER HEROLD:

       Botschaft des Königs! Feind ziehet wider Jerusalem, Chaldäa ist auf wider uns. Jeder Mannbare greife zum Schwert, und die Weiber mögen Pfeile rüsten und Schleuder. Es schaffe aus der Stadt ein jeder seine Siechen und Unkräftigen, es tue jeglicher Zehrung in sein Haus, daß nicht Hunger uns zwinge. Denn wider Waffen stehen unsere Mauern, nichts vermag Baal wider Jahve, nichts Assur wider Jerusalem!

      DIE MENGE:

       Ja… Gott ist mit Israel… Wir werden uns rüsten… ja… Gott ist mit uns… auf… zu den Waffen…

      DER HEROLD:

       Keiner bleibe zurück, und keiner entbehre des Mutes. Wer in Zagen spricht, den sollt ihr schlagen mit dem Schwert, wer von Flucht redet, den sollt ihr jagen aus den Mauern. Ihr sollt euch nicht rotten auf den Gassen, jeder hüte sein Haus und rüste sich dem Feinde. Auf, Volk Israels, recke deine Kraft und zage nicht, denn ewig währet Jerusalem!

      DIE MENGE (wieder ganz im Taumel):

       Ewig währet Jerusalem… zu den Waffen… ich hole mein Schwert… auf wider Assur… lasset uns ermannen… auf… zu den Waffen… eilt, eilt… an die Wälle… in die Häuser… wir werden zerschellen ihre Macht… ewig währet Jerusalem!…

      (DIE MENGE zerstreut sich in wildem Tumult nach allen Seiten, so daß der ganze Platz frei bleibt und mit einem Male die lärmende Erregung einer grauenhaften Stille weicht.) (JEREMIAS ist langsam aufgestanden und schreitet mit verhülltem Antlitz die Stufen zum Tempel empor.)

      BARUCH (ihm nach):

       Wohin gehst du, Meister? Nicht lasse mich, den Getreuen!

      JEREMIAS:

       Allein muß ich… allein… zu ihm, daß er mich erleuchte… ein Zeichen ließ er mich tun vor dem Volke, und doch, ich glaube ihm nicht, denn, Baruch… ich will es nicht glauben, daß Gottes seien in mir die Gesichte, daß Gottes sei dieser schreckhafte Wahn… oh, daß es Gebrest nur wäre meines Hirns und nicht Botschaft seines Geistes… Denn wehe, wär ich erwählet als Künder und wahr meine Träume… wehe…

      BARUCH:

       Du bist erwählet, Meister, ich hab es erschauet in dieser Stunde. Ein Zeichen hat dich bezeugt, ein Zeichen von Gott! Der Geist der Profeten ist über dir und ihre Gewalt!

      JEREMIAS (die Stufen empor, gleichsam fliehend vor ihm, mit abwehrenden Händen): Nicht sage, daß ich erwählet sei, nicht versuche mein Herz! Es darf nicht wahr werden mein Wort, es darf nicht wahr werden um Israels, um Jerusalems willen. Oh, lieber der Verlachte und Verhöhnte sein des Volkes, denn der Erfüller solcher Schrecknis! Lieber Lügner und Narr, denn dieser Wahrheit Profet! Lieber ich, denn die Stadt dein Opfer, Herr! Möge ich stürzen ins Dunkel der Vergängnis, wenn nur leuchten deine Zinnen, Jerusalem! Mögen vergehen meine Worte wie Rauch, wenn du nur dauerst, du ewige Stadt, möge Gott meiner vergessen, wenn er nur deiner gedenket! Oh, ich will knien vor seinem Altare, daß er zerschlage das Wort in meinem Munde, ich will beten auf meines Herzens Knien, daß er verstoße meine Verkündung und, Baruch – bete, bete mit mir, daß ich als Lügner erfunden werde an Jerusalem!

      (JEREMIAS steigt demütig die letzten Stufen empor und tritt mit gebeugtem Haupte in die Vorhalle des Tempels. Baruch verharrt regungslos und sieht ihm nach, bis er verschwindet.)

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