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schief stehende Druckbuchstaben, aufzuzeichnen an. Sie brauchte eine lange Zeit dazu, besonders da Herr Blyth unterdessen atemlos über ihre Schulter sah.

      Einige Minuten später gingen die beiden jungen Mädchen und die kleine Marie über den glänzenden freien Platz, Leo, der einen Stock in seiner Schnauze trug, dicht hinter ihnen.

      Valentin und Doktor Joyce sahen einander bedeutungsvoll an. Vor dem Frühstücke hatten sie sich an jenem Morgen laut getroffener Übereinkunft zu einer geheimen Unterredung eingeschlossen, während welcher Herr Blyth ungewöhnlich ruhig und sehr ernst gestimmt gewesen war. Der Doktor war anfangs in seiner gutmütigen Weise ungläubig und sarkastisch geblieben, sprach aber endlich sehr ernst und hatte unter gewissen Bedingungen ein Versprechen von sich gegeben. Die Zeit zur Erfüllung dieses Versprechens war jetzt herangekommen.

      »Sie brauchen nicht zu warten, Vance«, sagte der Rektor. Lassen Sie nur alles hier auf dem Tische stehen. Ich will klingeln, wenn ich Ihrer bedarf.«

      Vance ging verdrießlich hinaus.

      »Da uns die Mädchen jetzt verlassen haben, Frau Peckover«, sagte Doktor Joyce, »so bietet sich für mich eine gute Gelegenheit dar, Ihnen im Namen meines alten Freundes, des Herrn Blyth hier, einen Vorschlag zu machen, welcher, wie sie schon bemerkt haben müssen, großes Mitleid und Liebe für ihre kleine Marie hegt. Bevor ich aber diesen Vorschlag erwähne, möchte ich, möchten wir alle wissen, ob Sie uns nicht etwas Näheres über dieses arme Kind mitteilen könnten; oder fühlen Sie irgendein Widerstreben, uns im Vertrauen zu sagen, was Sie wohl von ihr wissen?«

      »O nicht doch, mein lieber Herr«, rief Frau Peckover erstaunt aus, »ich würde mich schämen, irgendeinen Einwand zu machen gegen alles, was Sie über die kleine Marie zu wissen wünschen; aber ich befürchte nur – ich weiß, es ist sehr töricht – aber es ist mir sonderbar, hier an einem so schönen Platze zu sein und mit vornehmen Leuten Wein zu trinken – und ich hatte fast Furcht —«

      »Ich hoffe, Sie ängstigen sich nicht darüber«, sagte der Rektor freundlich. »Glauben Sie mir, Frau Peckover, dass ich es aufrichtig meine, wenn ich Ihnen sage, dass wir uns hier auf demselben Wege begegnen. Herr Blyth hat mir von Ihrer mütterlichen Güte erzählt, welche Sie für das arme hilflose Kind gehabt haben, und ich bin wirklich stolz darauf, ihre Hand zu schütteln, und glücklich, Sie hier zu sehen als eine Person, welche immer ein ehrenwerter Gast in dem Hause eines Geistlichen sein sollte – als die Vollbringerin einer guten und christlichen Tat.«

      Frau Peckovers Augen fingen an, sich mit Tränen zu füllen. Sie hätte in diesem Augenblicke anbetend vor Doktor Joyce niederfallen können.

      Sie fasste sich aber bald wieder und begann ihre Erzählung, zuweilen ihre Worte an den Doktor, zuweilen an Frau Joyce, zuweilen an Valentin richtend. Von Anfang bis zu Ende, wurde sie nur selten durch ein Wort der Ermutigung, des Mitgefühls oder des Erstaunens von ihren Zuhörern unterbrochen. Sogar Herr Blyth saß ganz gegen seine Gewohnheit still und schweigsam da: sein Antlitz allein zeigte den abwesenden Einfluss, welchen die Geschichte von ihrem sonderbaren Anfange bis zu ihrem traurigen Ende auf ihn ausübte.

      »Es ist länger als zehn Jahre her«, mein Herr, fing die Frau des Clowns an, zuerst zu Doktor Joyce sprechend, »seitdem mein kleiner Thomas geboren wurde. Nachdem ich mich kurze Zeit von meiner Entbindung erholt hatte, ging ich an einem Nachmittage mit dem Säugling und Jemmy, meinem Manne, spazieren. Wir waren damals in Bangbury und wollten gerade den Zirkus aufbauen: es war eine schöne, große Landschaft und wir hofften dort ein gutes Geschäft zu machen. Jemmy und ich mit dem Säugling schritten in das Feld und amüsierten uns prächtig. Wir gingen darauf auf der Chaussee nach Bangbury zurück und gerade, als wir zur Stadt gelangten, sahen wir eine junge Frau auf einer Bank sitzen, einen Säugling in ihren Armen haltend, gerade wie ich den meinigen hielt.

      »Wie schrecklich krank und schwach sie aussieht, nicht wahr?« sagt Jemmy. Ehe ich ja sagen konnte, tritt sie hastig an uns heran und fragt mit aufgeregter, doch nicht allzu lauter Stimme, ob wir ihr nicht den Weg nach dem Bangbury-Arbeitshause zeigen könnten. Da wir beide ziemlich scharfe Augen hatten, begriffen wir leicht, dass ein Arbeitshaus kein passender Platz für sie wäre. Ihr Kleid war bestäubt, einer ihrer Schuhe zerrissen, ihr Haar hing in Unordnung über ihr Gesicht und ihre Augen waren in ihrem Kopfe eingesunken; aber wir sahen, dass sie einigermaßen eine Dame wäre, – oder wenn nicht gerade eine Dame, dass auf keinen Fall ein Arbeitshaus ein passender Ort für sie wäre. Ich beugte mich nieder, um mit ihr zu sprechen, aber ihr Kind weinte so fürchterlich, dass sie mich kaum verstehen konnte. »Ist das arme Kind krank?« fragte ich. »Es verhungert«, sagte sie in einem so verzweifelten, fürchterlichen Tone, dass es mir einen Stich ins Herz gab. »Ist es Ihr Kind?« sage ich, ein wenig ängstlich über die Antwort, welche ich von ihr erhalten würde. »Ja«, sagt sie in einem ganz veränderten Tone, sehr sanft und betrübt und beugte sich von mir weg mit ihrem Gesicht über das Kind. »Warum säugen Sie es denn nicht?« frage ich. Sie sieht mich, dann Jemmy an, schüttelt mit dem Kopfe und sagt nichts. Ich gebe mein Kind Jemmy zu halten und setze mich dicht zu ihr. Jemmy ging ein wenig bei Seite und ich flüstere ihr wieder zu, »warum säugen Sie es nicht?« und sie sagt ganz leise zu mir, »die Milch ist mir vergangen.« Sobald ich dies hörte, zögerte ich nicht länger und legte den Säugling sogleich an meine eigene Brust.

      Das war das erste Mal, wo ich die kleine Marie säugte. Sie war noch keinen Monat alt und ach! so schwach und klein! so ein Wurm von Säugling!

      Sie können sich wohl leicht denken, mein Herr, dass ich viele Fragen an die junge Frau richtete, während ich neben ihr saß. Sie starrte mich mit einem trüben Blick in ihrem Gesichte an, anscheinend ganz betäubt von Müdigkeit und Kummer oder von Weinen. Zuweilen gab sie mir eine Antwort, zuweilen nicht. Sie war sehr verschwiegen. Sie wollte nicht sagen, woher sie käme, wer ihre Freunde wären oder wie sie hieße. Sie sagte, sie würde niemals wieder Namen, Heimat noch Freunde haben. Ich blickte gerade einmal verstohlen nach ihrer linken Hand, sah, dass sie keinen Trauring um ihren Finger hatte, und erriet, was sie sagen wollte. »Weiß der Vater des Kindes, dass Sie auf diese Weise umherirren?« frage ich. Sie wird sogleich purpurrot und sagt: »Nein! Er weiß nicht, wo ich bin. Er hatte niemals Liebe zu mir und hat auch jetzt kein Mitleid mit mir. Gottes Fluch folge ihm auf allen seinen Wegen! —« »O still! Still!« sage ich, »sprechen Sie nicht so!« »Warum richten Sie Fragen an mich?« fragt sie aufgeregt. »Was für ein Recht haben Sie, mir Fragen vorzulegen, die mich wahnsinnig machen?« »Ich habe Sie nur noch mit einer einzigen zu quälen«, sage ich, »und die ist, haben Sie gar kein Geld bei sich?« Sie sehen, Frau Joyce, jetzt, da ich ihr Kind an meinem eigenen Busen hatte, kümmerte ich mich nicht um das, was sie sagte, noch fürchtete ich mich vor dem, was sie mir tun könnte. Der arme Wurm von Säugling würde sicher früher oder später ein Friedensstifter zwischen uns sein.

      Es stellte sich heraus, dass sie nur einen halben Schilling und einige Pfennige bei sich hatte und dass sie zu stolz war, irgendeinen ihrer Freunde um Hilfe anzusprechen. Es gelang mir, so viel aus ihr herauszubringen, dass sie vor ihrer Entbindung ihrer Heimat entlaufen und nach einem fremden Platze gegangen war, um dort entbunden zu werden, wo man sie gemisshandelt und beraubt hatte. Es war noch nicht lange her, dass sie die Elenden, welche ihr dies angetan, verlassen hatte. In der Zeit, wo ich dies alles herausbrachte, war ihr Säugling ganz ruhig geworden und dem Einschlafen nahe. Ich gab ihr ihn zurück, sie sagte nichts, aber sie nahm und küsste meine Hand und ihre Lippen brannten wie glühende Kohlen darauf. »Sie sind hier gern gesehen«, sage ich, ein wenig verwirrt über eine solche sonderbare Art des Dankes. »Warten Sie ein wenig, ich will nur mit meinem Manne sprechen. Obgleich sie unrecht gehandelt hatte, konnte ich doch nicht umhin, sie zu bemitleiden, wie sonderbar sie sich auch benahm. Sie war so jung, so verlassen und krank und hatte ein so reizend schönes Gesicht, die kleine Marie ist ganz ihr Ebenbild, besonders was die Augen anbetrifft, und sie schien einer Dame so ähnlich zu sehen, dass schon der Gedanke fast eine Sünde war, sie nach einem solchen Orte wie ein Arbeitshaus zu schicken.

      Wohl an, ich ging und teilte Jemmy alles mit, was ich von ihr erfahren hatte. »Es wäre schrecklich«, sage ich, »eine solche Person nach einem Arbeitshause gehen zu lassen. Was könnten wir aber Besseres tun?« Jemmy sagt: »wir wollen sie mit nach dem Zirkus nehmen – und Peggy Burke fragen.

      Sie müssen wissen, mein Herr, Peggy Burke war die schönste Reiterin, die jemals auf einem

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