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Herzen der Mütter und Kindermuhmen gewann und in wenigen Tagen eine große Berühmtheit in Rubbleford erlangte. Als er nun die Kinder zur Bewunderung aller gemalt hatte, nahm er den Vikar in Angriff und schuf eine betrübende Ähnlichkeit des unglücklichen Mannes. Sobald diese letzte Arbeit vollkommen beendet war, ging Valentin an seine noch übrige, aber schwierigste Arbeit, die Mutterstute des unverheirateten Gutsherrn unsterblich zu machen.

      Hier hatte er vielen Verdruss. Der jagdliebende Herr sah ihm beim Malen zu und sprach zu seinem Schrecken mit ihm vom Stammbaum des Pferdes; er wollte das Tier in einer höchst unmalerischen Manier dargestellt haben, ohne Zulassung von Farbenton, Luft und Schatten oder irgend einer besonderen künstlerischen Verschönerung. Kurz und gut, der Gutsherr wollte ein Schild und kein Bild, und erhielt zuletzt, was er verlangte, nach seiner Herzenslust.

      Als Valentin eines Abends von dem Hause des Gutsherrn nach der Wohnung des Rektors zurückkehrte, wurde in der Hauptstraße von Rubbleford plötzlich seine Aufmerksamkeit durch einen an eine verfallene Mauer geklebten Anschlagzettel erregt.

      Er trat sogleich zu dem Haufen Bauern, welche sich um den vielfarbigen und prächtigen Papierbogen versammelt hatten, und las am obersten Ende desselben in ungeheuer großen blauen Buchstaben: »Jubbers Zirkus, das achte Wunder der Welt.« Dann kam etwas kleine Schrift, welche niemand zu lesen unterließ. Unter dieser kleinen Schrift aber erschien eine vollkommene Milchstraße von geschnörkelten purpurroten Buchstaben, welche aller Augen fesselten, und benachrichtigte das Publikum, dass zur Kunstreitergesellschaft gehöre: »Fräulein Florinda Belverley, bekannt, wo die englische Sprache nur immer gesprochen wird, als die amazonische Kaiserin des Reiches der Kunstreiterei.« Dieser Anzeige folgten die Namen von unbedeutenderen Mitgliedern der Gesellschaft, ein Programm der heutigen Vorstellung, Zeugnisse aus den Provinzialzeitungen, bildliche Darstellungen von Herren mit dicken Waden und beflitterten Trikots und von Damen mit lächelnden Gesichtern, aufgeschürften Unterröcken und Pirouetten schlagenden Beinen. Alles dies wurde sorgfältig von Herrn Blyths Nachbarn angestaunt; aber er selbst ließ es unbeachtet. Sein Auge hatte am Fuße des Anschlagzettels etwas bemerkt, das sogleich seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.

      An dieser Stelle erschienen die roten Buchstaben wieder und bildeten die folgenden Worte und Zeichen der Bewunderung:

      Der geheimnisvolle Findling!

      zehn Jahr alt!

      gänzlich taubstumm!

      Darunter kam eine Erklärung dessen, worauf sich die roten Buchstaben bezogen, was nicht weniger als drei Paragraphen von dicker kleiner Schrift ausmachte, deren Worte Valentin gierig verschlang. Sie lauteten:

      »Herr Jubber, Eigentümer des berühmten Circus, hat die Ehre, den hohen und niedern Adel und das geehrte Publikum zu benachrichtigen, dass das oben erwähnte taubstumme Wunderkind zwischen dem ersten und zweiten Teile der Abendvorstellungen erscheinen wird. Herr J. hat sich die Freiheit genommen, dieses Wunder der Natur den geheimnisvollen Findling zu nennen, da niemand seinen Vater kennt und seine Mutter bald nach seiner Geburt starb, ihn der Sorgfalt der Kunstreitergesellschaft überlassend, die bei ihm von dieser Zeit an die Stelle von liebevollen Eltern und Vormündern vertreten hat.

      Dieses wunderbare Mädchen wurde in den frühern Annalen des Jubberschen Zirkus ursprünglich als das achte Wunder der Welt oder als das Kind der Windsbraut der Wüste dargestellt. In diesem Charakter erschien sie in ihrem siebenten Jahr, in die Luft gehalten von der Hand des Muley Ben Hassan, des berühmten Teufelsreiters der Sahara, in seinem kühnsten Wagnis der Reitkunst, wie es zum Schrecken und Erstaunen von ganz England in Jubbers Zirkus ausgeführt wurde. Zu jener Zeit konnte sie vollständig hören und sprechen; aber Herr J. bedauert schmerzlich, mitteilen zu müssen, dass sie bald nachher von einem schrecklichen Unfalle heimgesucht wurde. Nicht durch die Schuld des Teufelsreiters, der sich niemals in seinem Leben irrte, und der seinen Gefühlen bei dem Resultate des obenerwähnten schrecklichen Unfalls erliegend, mürrisch und mit gebrochenem Herzen nach seinem wilden Vaterlande zurückgekehrt ist, entglitt sie seiner Hand, während der feurige, aber menschlich fühlende Araber drei galoppierende Pferde bestiegen hatte, und fiel, – es ist schrecklich zu erzählen – außerhalb der Barriere, auf den mit Brettern belegten Fußboden des Zirkus. Man hielt sie für tot. Herr Jubber schickte sogleich nach dem Arzte, derselbe fand sie jedoch noch am Leben und schiente nur ihren Arm, der gebrochen war! Man entdeckte erst nachher, dass sie das Gehör gänzlich verloren hatte. Unter diesen traurigen Umständen fand man auch bald, dass ihr die Fähigkeit zum Sprechen gänzlich fehlte, und sie ist daher jetzt gänzlich taubstumm; aber Herr Jubber freut sich sagen zu können, dass sie trotzdem ganz heiter und gesund ist.

      Da Herr Jubber selbst der Vater einer Familie ist, so wagt er zu hoffen, dass diese kleinen Details bei einem intelligenten, mitfühlenden und wohlwollenden Publikum einige Teilnahme erregen werden. Zum Schlusse will er nur noch einfach bemerken, dass die Darstellungen des geheimnisvollen Findlings eine bis jetzt noch unerreichte Vollkommenheit in der Taschenspielerkunst, in den unergründlichsten Kartenkunststücken, welche ursprünglich das Resultat der verwickeltsten Berechnungen des berühmten arabischen Mathematikers Muhamed Engedi waren, erreicht haben. Mehr als dies will Herr Jubber nicht zu erzählen wagen: denn sehen ist glauben, und um es zu glauben, muss man den geheimnisvollen Findling sehen. Die Preise stehen am Fuße des Zettels.«

      Herr Blyth las diese komische schreckliche Erzählung mit Gefühlen, welche für den Geschmack, das Zartgefühl und die Menschlichkeit des geschwätzigen Herrn Jubber durchaus nicht lobend ausfielen. Er sah nach den Preisen, dann oben nach dem Zettel und bemerkte, dass die erste Vorstellung am nämlichen Abend stattfinden sollte, blickte dann zerstreut um sich und entschloss sich, derselben beizuwohnen.

      Er ging daher zuerst nach der Wohnung des Rektors, um eine Tasse Tee zu trinken und zu sagen, wohin. er sich begebe; dann eilte er nach dem Zirkus, einem hölzernen Gebäude auf einem Felde außerhalb der Stadt.

      Als er eintrat, hatte die Vorstellung schon seit einiger Zeit begonnen. Die amazonische Kaiserin, Fräulein Florinda Belverley, tanzte auf dem Rücken eines leicht galoppierenden scheckigen Pferdes. Immer im Kreise herum galoppierte die Kaiserin in ihrem eigenen unbestrittenen Reiche der Reitkunst, auf dem Sattel mit ihren kaiserlichen Beinen nach einer bekannten Melodie, welche von dem Orchester mit wahrer Dilettantenkünstlerschaft gespielt wurde, den Takt schlagend. Plötzlich ging die Melodie in eine andere über, das scheckige Pferd ging schneller, die Kaiserin erhob in der einen Hand eine Fahne, in der andern einen Wurfspieß und fing an, unsichtbare Feinde im vollen Galopp in der leeren Luft zu erschlagen. Der Triumph war wunderbar, der Beifall ungeheuer; Herr Blyth allein saß unbewegt da. Fraäulein Florinda Belverley war nach dem Urteile dieses antiamazouischen Malers nicht einmal ein gutes Modell, um Beine danach zu zeichnen.

      Als nun die Kaiserin von einem spanischen Guerilla, welcher auf dem Rücken eines weißen Pferdes raubte, mordete, zechte, tanzte und sich verliebt stellte, abgelöst wurde und diesem wiederum ein Clown folgte, welcher die schrecklichsten Verzerrungen und unwiderstehlich komisches Gesichterschneiden ausführte, gab Herr Blyth dennoch nicht das geringste Vergnügen oder Erstaunen kund. Nur erst als zwischen dem ersten und zweiten Teile der Vorstellung eine Glocke ertönte und das Orchester anfing »edle Zitella« auszuspielen, zeigte er einige Symptome von Lebhaftigkeit. Dann stand er plötzlich auf und ging von seinem Sitze nach einer Bank, welche sich dicht an der niedrigen Wand befand und die Barriere von dem Zuschauer trennte, richtete seine Augen aufmerksam auf einen Torweg ihm gegenüber, über welchen eine schlechte rote Gardine mit einem Brokatrande hing.

      Aus diesem Torwege trat nun Herr Jubber selbst heraus, angetan mit weißen Beinkleidern und goldenen Streifen und einer grünen Jacke mit Epaulettes; er hatte aufgedunsene freche Augen, einen gefärbten Schnurrbart, große, fette, schlaffe Wangen, langes Haar, in der Mitte geteilt, einen umgelegten Hemdenkragen mit einem rosenfarbenen Halstuche und war in jeder Hinsicht der am abschreckendsten aussehende Schauspielervagabund, der jemals sein unverschämtes und hässliches Gesicht schmückte. Er führte mit sich, es an der Hand haltend – o entehrende und schändliche Berührung – das kleine taubstumme Mädchen, dessen Missgeschick er der ganzen Bevölkerung von Rubbleford mitgeteilt hatte. Das Gesicht und die Manier des Kindes, als sie in das Zentrum des Zirkus trat, ihre harmlosen Verbeugungen machte und dem Publikum ein Kusshändchen zuwarf, nahm sogleich das Herz sämtlicher Zuschauer gefangen. Sie begrüßten sie mit einem so übermäßigen

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